15. Tee

11 4 1
                                    

Tee

"Wie Sie sicher alle wissen, findet bald unser alljährlicher Tag der offenen Tür statt. Und Ihnen ist wahrscheinlich schon die wundervolle Nachricht zu Ohren gekommen",sagt Professor Fernsby enthusiastisch, reibt sich die Hände und sieht jede Ecke des Raumes einmal an.

"Wir erhalten bald teuren Besuch und - ihr vermutet es sicherlich schon - von niemand geringerem als dem Kanzler der Universität Oxford; Sir Douglas Veale."

Fernsby schreitet durch den Raum, erhobenes Haupt, starrer Blick.

"Wir alle wissen, dass diese Wunder nicht häufig geschehen, aber es gibt sie. Wir wollen unserem Gast natürlich einen makellosen Aufenthalt gewährleisten, weshalb Ihr alle dazu verpflichtet seid, Euer bestes Verhalten zu präsentieren und stets nach bestem Gewissen zu handeln."

Er schlägt ein Buch auf einen Tisch, die zwei schläfrigen Jungen der ersten Reihe schrecken sofort auf, große, verquollene Augen.

"Sollte auch nur eine negative Kleinigkeit auftreten oder jemand die Regeln nicht befolgen, wird dies harte Konsequenzen mit sich bringen."

Der Professor bleibt schließlich wieder vorne stehen, sieht mit einem giftigen Lächeln in die Runde.

"Also, seid brav, still und schlau. Benehmt euch wie die vornehmlich, klassischen Leute, die ihr sein sollt."

"Es ist so albern, wegen diesem ach-so-wichtigen Menschen einen solchen Aufstand zu machen",meint Jemima, die sich auf einen Tisch gelegt hat und sich den Nagellack von den Fingern kratzt.

Arabella sitzt vor einer neuen, weißen Leinwand, macht mit ihren bunten Stiften abstrakte Skizzen. Celia sitzt verkehrtherum auf einem Stuhl und durchforstet eine Broschüre, die Mr. Fernsby in der heutigen Stunde verteilte. Der Kunstraum duftet wundervoll.

"Ich meine, diese ganzen aufgesetzten Lacher, diese dicke Oberfläche, die unter keinen Umstünden durchbrochen werden darf. Wir belügen uns doch alle gegenseitig."

Jemima richtet sich auf. "Und wer interessiert sich schon für 'Sir Douglas Veale'?"
Sie verstellt ihre Stimme beim Klang seines Namen, äfft ihre Professoren nach, gestikuliert eingebildet.
"So ein reicher, alter Sack kann mir weniger Chancen auf eine erfolgreiche Zukunft geben, als all die Professoren hier. Wir sollen uns mit ihm und den anderen Dozenten unterhalten, aber wofür?! Damit die Jungen wieder alle Vorteile haben und wichtige Arbeiten angeboten bekommen und wir Mädchen im Hintergrund sitzen und zuschauen?!"

Das blonde Mädchen seufzt und verdreht die Augen; "Fuck that!"

"Ich gebe dir Recht, Jemima. Wie viele Ressourcen verschwendet werden, nur für einen Tag, nur für einen Mann, der uns nichts von Substanz bieten kann. Ich finde es auch äußerst fragwürdig",fügt Celia hinzu und legt die Broschüre zur Seite.

"Aber vielleicht bringt es uns doch was",sagt Arabella abwesend, verteilt Ölfarben auf Paletten und sucht nach Malmittel in einer Schublade.

"Was meinst du?"

Das dunkelhaarige Mädchen sieht auf, ihr Verstand voller Ideen.
"Nicht die Konversationen mit diesen Schwachköpfen, das interessiert keinen. Aber dieser Tag soll doch unsere Universität präsentieren, Interessenten herlocken und diesen Veale begeistern, nicht?"

Jemima und Celia nicken.

"Also, was wenn diese Bildungseinrichtung mal durch ein paar Zufälle in einem anderen Licht präsentiert wird?"
Arabella hat ein selbstischeres Grinsen auf den Lippen und sie sieht das erste Mal heute in die Augen von Celia.

 𝐕𝐈𝐒𝐈𝐎𝐍𝐀𝐑𝐈𝐄𝐒 Where stories live. Discover now