23. Abhängigkeit

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Abhängigkeit

"Lucien?"

"Mh."

Seine Fußstapfen erklingen neben ihren.

"Ich soll dir von Ferris ausrichten, dass er heute Abend für dich Zeit hat. Du sollst ihn nach seiner Schicht treffen."

"Gut. Danke."

Die Morgensonne legt sich in elfenbeinweißem Schimmer und Pergamentfarbtönen auf die Birminghamer Straßen, die Luft ist kühl, sticht im Hals und der sich über die letzten Tage gebildete Nebel gibt der Sicht einen milchigen Akzent.
Auf dem Boden liegen modrige, vom Regen nasse und braune Kiefernzapfen, auf den moosgrünen Büschen zeichnete sich weißer Dunst, der sich wie Spinnennetze emporstreckt und verteilt.

Celia sieht ihren Bruder, der in seinem eigenen Kopf zu stecken scheint, durch die cremefarbene Atmosphäre an.

"Er mag dich",sagt Celia, "ich glaube, er mag dich wirklich."

Luciens Blick gleitet von seinen schwarzen Winterstiefeln hoch in Celias Gesicht, in seinen Augen ist nichts zu lesen, bis es blitzt. Er nickt es lediglich ab, sieht wieder zur Seite, vergräbt sein Kinn in seinem grauen Schal.

"Und ich—"
"Ich freue mich für dich, dass du jemanden gefunden hast, der dich glücklich macht."

Er sagt weiterhin nichts, seine Fingerknöchel sind schneeweiß und rot vor Anspannung angelaufen, seine Wangen verfärben sich rosa.

"Celia, du musst nicht—"

"Doch",sagt sie und bleibt stehen, sieht ihren Bruder an, bis er freiwillig seinen Blick hebt und seine verlegenen Augen ihre treffen.
"Lucien, ich verstehe es zwar nicht ganz und für mich ist das alles sehr fremd, aber ich will auch, dass du weißt, dass ich dich nicht verstoßen werde. Wir leben unser Leben schon seit Jahren getrennt voneinander, doch ich will nicht, dass du Angst haben musst, Dinge verstecken musst. Solange du vorsichtig bist und nicht jedem alles anvertraust, wirst du sicher sein. Und ich werde darauf achten."
Celia schenkt ihm ein kleines Lächeln.
"Auf deine Sicherheit, meine ich."

Er lächelt zurück.

Nach den ersten Vorlesungen sucht Celia den Kunstraum auf. Der Geruch trocknender Farbe verteilt sich auf den Fluren, versetzt sie in den Zustand, in dem Celia am liebsten ist. Arabella sitzt bereits in dem Raum, einige anderen Kunststudenten räumen ihre Sachen zusammen.

Die Kunststudenten sind eine ganz eigene Truppe der Birmingham University. Sie halten sich meistens nur in ihren eigenen Kreisen auf, sind ruhig und halten sich aus Streitigkeiten heraus. Ihre Kleidung und Finger sind meist mit bunten Farben verziehrt, ihre Gesichter sind schön und ihr Kleidungsstil ist frei, jedoch ebenso extravagant. Anzusprechen sind sie meist jedoch nicht. Um sie ist wie eine Barriere, die ihr Talent größer glänzen lässt als das der restlichen Studenten, meist sind sie unnahbar. Schenken sie dir ein leichtes Lächeln, führt dies oft zu Schmetterlingen und Glücksgefühlen.

Celia bewundert sie. Genauso wie sie ihre Freundin Arabella bewundert, die konzentriert vor einer riesigen Leinwand steht und diese mit Ölfarben - Celia erkennt es an dem Geruch - bemalt.
"Bella",begrüßt Celia sie lächelnd und setzt sich zu ihr.
"Ich habe uns Kaffee mitgebracht."

Arabella schenkt ihr ebenfalls ein Lächeln, eine Umarmung und dann einen Blick auf ihr neuestes Werk. Sie nimmt den Kaffee dankend an und lehnt sich in ihrem Stuhl zurück.

"Ist es für deinen Unterricht?",fragt Celia neugierig und erinnert sich nostalgisch an den Moment vor vielen Wochen, als sie etwa die selbe Frage stellte, als sie Arabella gerade kennenlernte, die 'visionaries' ins Leben gerufen wurden.

 𝐕𝐈𝐒𝐈𝐎𝐍𝐀𝐑𝐈𝐄𝐒 حيث تعيش القصص. اكتشف الآن