Kapitel 19

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Sherlock lief wie wild durch sein Zimmer in der kleinen Pension, in der er sich für die Tage eingemietet hatte.

„Was war das? Was ist da passiert?" sprach er zu sich selbst.

Dann setzte er sich an den, im Zimmer vorhandenen, Schreibtisch, klappte seinen Laptop auf und begann zu recherchieren. Aber er konnte sich einfach nicht konzentrieren. Wieso hatte Molly das gesagt?

Dann fiel ihm ein, was er eigentlich diesbezüglich vorgehabt hatte. Er wusste, dass John heute seinen freien Tag hatte und er wahrscheinlich zu Hause sein würde. Also klickte er auf das Symbol, um den Videoanruf zu starten. Es dauerte nicht lange, da öffnete sich ein weiteres Fenster und John war zu sehen. Er blickte Sherlock mit einem leicht verwunderten Blick an.

„Hallo Sherlock. Konntest du den Fall schon lösen?"

„Noch nicht ganz aber ich bin nah dran."

„Sehr gut. Und hast du Molly schon getroffen?"

-Kurze Pause und mit einem Mal wurde es ruhig-

„Sherlock?" fragte John dann, als er sah, dass sein Freund ihm gegenüber versuchte seinem Blick auszuweichen.

„Ja ich habe sie getroffen."

„Was ist passiert? Was hast du getan?" fragte John dann und strich sich nervös durch die Haare.

„Wie kommst du darauf, dass ich etwas getan habe?" fragte Sherlock verwundert.

„Sherlock, du meldest dich nicht einfach so, wenn es nicht etwas Wichtiges geben würde. Außerdem kann ich dich sehen und deine Reaktion spricht Bände. Also was genau hast du angestellt?

'Oh, John. Du kennst mich einfach. Ich wusste, dass du es sofort bemerken würdest.' dachte er sich dann und erzählte ihm anschließend von den letzten Tagen und Mollys eigentlichen Grund London zu verlassen.

„Also John, was soll ich jetzt tun? Du hast Recht. Ich gehe davon aus, dass das etwas mit Gefühlen zu tun hat. Und wir beide wissen, dass das nun mal eher dein Gebiet ist."

„Ach, Sherlock. Du hast ganz Recht. Es hat definitiv etwas mit Gefühlen zu tun." begann John zu erklären.

„Also, wenn ich dich richtig verstehe, dann ist Molly nach Irland gegangen, weil sie dich vergessen wollte. Und jetzt bist du bei ihr in Irland. Und du hast bei Molly- in ihrem Bett- neben ihr- geschlafen. Und gehst heute mit ihr auf eine Party, die eine Falle für Molly sein soll und gibst dich als ihr Freund aus?!" wiederholte John noch einmal und seufzte schwer.

„Das habe ich doch gerade gesagt." antwortete Sherlock nur genervt. Je mehr er aber so darüber nachdachte, dann klang das schon ziemlich verrückt. Kein Wunder, dass Molly dass für eine dumme Idee hielt.

„Oh Mann Kumpel. Du hast es echt vermasselt. Es ist kein Wunder, dass Molly dies für keine gute Idee hält" bestätigte John jetzt seinen Freund.

„Ich weiß John aber was soll ich jetzt tun? Ich kann Molly nicht alleine zu der Party gehen lassen. Und ich dachte, dass das die augenscheinlichste Lösung wäre."

„Aber an sie und ihre Gefühle hast du nicht gedacht, oder? Ach wie denn auch, du bist Sherlock Holmes." Den letzten Teil sprach John eher zu sich selbst.

„Aaargh John, das ist nicht hilfreich!"

„Okay, okay. Also ich sag dir, was du jetzt tun solltest. Du wirst dich bei Molly für all die Unannehmlichkeiten entschuldigen. Dann wirst du heute mit ihr zu dieser Party gehen. Du wirst ein verdammter Gentleman sein und Molly so behandeln, wie sie es verdient. Und dann wirst du diesen verdammten Fall lösen!"

„Okay und was mache ich wegen Molly?" fragte Sherlock dann.

„Versuch ihr bestmöglich nicht noch mehr das Herz zu brechen."

„Ja aber..."

„Warte, du liebst sie noch, nicht wahr?" fragte John dann erstaunt. Er hätte nicht gedacht, dass Sherlock nach all der langen Zeit immer noch Gefühle für Molly zu haben schien. Immerhin habe er in der ganzen Zeit nicht ein Wort über sie verloren.

Sherlock antwortete nicht. Stattdessen blickte er sich suchend im Raum um.

„Sherlock. Nochmal, das ist ein Videochat. Ich kann dich sehen! Also ist es wahr? Liebst du Molly noch?"

„Ach Mann John! Ja verdammt, ich liebe Molly noch. Ich habe nie aufgehört, sie zu lieben. Seit dem Abend kann ich sie einfach nicht vergessen!"

„Und hast du ihr das gesagt?"

„Würde ich dann hier mit dir darüber sprechen?" fragte Sherlock leicht genervt und verdrehte die Augen.

„Du solltest es ihr sagen, denke ich" seufzte John erneut. Die Reaktion seines Freundes verblüffte ihn doch schon sehr.

„Aber wie? Ist Molly nicht hierhergekommen, um mich zu vergessen? Wenn ich ihr das jetzt sage, dann würde ich doch ihr Leben hier zerstören, oder?" schlussfolgerte Sherlock fragend.

„Ja du hast wahrscheinlich Recht aber Sherlock, du hast dich verändert. Du hast gerade auf die Gefühle anderer, speziell Molly, Rücksicht genommen. Aber ehrlich gesagt, kann ich dir da leider die Entscheidung nicht abnehmen. So blöd wie es klingt, du musst dich da ganz auf dein Gefühl verlassen"

'Na toll, dann bin ich verlassen' dachte sich Sherlock und griff sich verzweifelt an die Stirn.

Aber John hatte Recht. Sherlock hatte sich verändert. Kurz nach dem Tod von Mary spürte er diese Gefühle zum ersten Mal. Er hatte Schuldgefühle. Auch wenn John ihm schlussendlich nicht die Schuld für den Tod seiner Frau gab, fühlte er sich schuldig. Er zeigte Mitgefühl, als John weinend vor ihm zusammenbrach und Angst, als seine Schwester Eurus mit ihm „experimentierte". Er spürte diese Angst insbesondere bei diesem Anruf. Angst um Molly. Er war regelrecht in Panik gewesen, als Molly nicht sofort antwortete. Ja und dann war da noch dieses seltsame warme Gefühl in seinem Herzen und seinen ganzen Körper durchströmend, als er Molly diese Worte sagte.

Auch wenn seine Schwester ihn damals in eine Falle gelockt hatte und wie er es ausdrückte, Vivisektion mit ihm betrieben hatte, hatte sie es auch irgendwie geschafft, seine Mauer um sich herum zum Einsturz zu bringen und den Zugang zu seinen Gefühlen zu öffnen.

„Sherlock? Alles okay, Kumpel?" fragte es jetzt von der anderen Seite.

„Was? Ja klar. Sorry, John. Ich muss los. Machs gut!"

Und dann klappte er seinen Laptop zu und dachte darüber nach, was John gesagt hatte.

Vielleicht sollte er es einfach wagen. Schließlich verdient doch jeder in seinem Leben eine zweite Chance, oder? Und ihrer Reaktion nach zu urteilen, empfindet sie eben noch so für Sherlock.

Aber zuallererst musste er diesen Fall lösen und dazu mit diesem Polizisten, von dem Molly erzählt hatte, sprechen. Also schnappte er sich sein Jackett und machte sich auf den Weg.




Zweite ChanceWhere stories live. Discover now