Kapitel 26

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Nachdem die beiden Mädchen einige Blicke ausgetauscht hatten, schlug Maricar erneut zu. Aurelia wollte zur Seite ausweichen, wurde aber dennoch an der Schulter getroffen, wobei sie Maricars Arm mit dem Messer erwischte. Spätestens jetzt waren beide so mit Adrenalin vollgepumpt, dass sie sich ohne zu Zögern tödlich verletzt hätten. Im letzten Moment kamen der Mann im Kittel und Iwens Onkel die Treppen hoch gestürmt. Aurelia blinzelte ein paar Mal verwundert und ließ das Messer verschwinden. Sowohl sie als auch Maricar hatten nun eine blutende Wunde, die sich nicht so leicht verstecken ließ.

»Ganz ruhig!«, sprach der schwarzhaarige Mann, der zu jeder Tages und Nachtzeit nach Qualm stank und ging zu Aurelia. Jendrik und Moira ließen erschrocken Iwen los, der sofort zu Maricar rannte, ebenso wie sein Onkel.

»Ach du meine Güte, was macht ihr denn?«, meinte der Polizist mittleren Alters.

»Nichts. Alles in Ordnung.«, knurrte Maricar und schlug ihre Hand auf die Schnittwunde, die Iwens Onkel begutachten wollte. Aurelia blieb starr stehen, während sich Moira, Jendrik und der Mann, der wie ein Doktor aussah, um sie versammelten und ihre blutende Nase mit Taschentüchern sauber machen wollten.

»Iwen, Maricar, wir müssen gehen. Sofort.«, kündigte Iwens Onkel an und griff sich dann die beiden an ihren Armen um sie mitzuziehen.

»Hey! Aua! Warte! Sie hat Aurelio irgendwas angetan! Er ist mit hierher gegangen und jetzt ist er weg!«, kreischte Maricar widerspenstig.

»Onkel, du musst irgendwas tun! Die wollten uns umbringen!«, fügte Iwen panisch hinzu. Seine Worte schmerzten in Moiras Ohren.

»Ihr kommt jetzt mit!«, ermahnte Iwens Onkel die beiden ein letztes Mal, dann verließen alle Drei unter Geschrei das Haus.

»Ich hasse dieses Mädchen.«, fauchte Aurelia, kaum das Maricar weg war.

»Ich auch.«, seufzte Moira.

»Sie wird dir nicht mehr weh tun, das wird ihr dieser Kerl da zu verstehen geben. Ich hab ihm einiges klar gemacht.«, brummte der ältere Mann und zückte erneut eine Zigarette. Moira wollte gar nicht fragen, wie viele er an diesem Tag schon geraucht hatte. Sowohl sie als auch Aurelia und Jendrik waren sich sicher, dass er an Lungenkrebs sterben würde.

»Was genau hast du ihm gesagt?«, wollte Jendrik nun wissen.

»Ach, nur das Übliche.«, blockte der Mann ab und ging wieder in sein Arbeitszimmer.

In der Zwischenzeit saßen Maricar, Iwen und sein Onkel im Auto und fuhren zu Iwens Haus.

»Onkel, könntest du uns bitte endlich erklären, was das sollte?!«, jammerte Iwen.

»Ja, echt mal!«, beschwerte sich Maricar. »Wir haben Aurelio im Stich gelassen! Wir haben gar nichts aus diesem Miststück raus bekommen!«

»Kinder, ihr müsst mir jetzt gut zuhören.«, meinte Iwens Onkel daraufhin. Dann begann er zu erklären.

»Dieses Mädchen mit dem ihr euch da angelegt habt, stammt aus einer sehr einflussreichen Familie … Vor einigen Jahren brach jemand in ihr damaliges Haus ein und wurde dabei von der Mutter erwischt … Nun ja, vielleicht wisst ihr das bereits, das Mädchen hat bei dem Vorfall ihre Mutter verloren. Seitdem steht die Familie unter besonderer Aufsicht, aus vielerlei Gründen. Zum einen arbeitet ihr Vater für die Regierung und ist an sehr bedeutenden Forschungen beteiligt und zum anderen … Na ja, es ist Privatsache dieser Leute. Ihr solltet nur wissen, wenn diesem Mädchen irgendwas zustößt werden alle ganz genau hinschauen und auch nicht zögern, euch euer ganzes Leben mit Klagen zu verderben … Mein Tipp – Haltet ganz viel Abstand von dieser Familie.«

»Was?!«, antworteten Iwen und Maricar fast zeitgleich. Man sah ihnen ihre Verwunderung an. Iwen zögerte nun, immerhin hatte Aurelia offenbar eine schreckliche Vergangenheit. War sie deshalb so ein aufbrausender Mensch? Iwen wollte sich am liebsten von all dem distanzieren. Aber Aurelio hing immer noch ganz tief in dieser Sache. Maricar fand deutliche Worte.

»Das ist mir doch egal! Außerdem, warum beziehst du das so explizit auf Aurelia?! Warte .. ! Ich weiß es!! Moira und dieser Kerl, die sind gar nicht mit ihr verwandt, richtig?! Sie verbreitet bloß Lügen!«

»Maricar, hör bitte auf. Wir haben genug darüber geredet. Lasst sie einfach in Ruhe, Aurelio wird schon seine Gründe haben.« Die beiden Jugendlichen waren noch nie so von Iwens Onkel enttäuscht worden. Seit sie denken konnten hatte der freundliche Polizist ihnen vieles erklärt, viel mit ihnen unternommen und vor allem immer geholfen. Hatte sich nun auch das verändert? Wegen Aurelia?

»Ich kann nicht glauben, dass du das sagst! Du kennst Aurelio doch! Was denkst du bloß von ihm?! Freiwillig würde er mich nie … Nie … Nie … Wie Dreck behandeln! Ich sag es euch, diese Schlampe bedroht ihn und seine Familie mit ihrem Scheißdreck da! Irgendwas!« Iwen und sein Onkel hörten dem erbosten Mädchen betrübt zu.

»Du hast immer noch mich.«, murmelte Iwen ganz leise.

»Du hältst immer zu Aurelio und mir, nicht wahr?«, suchte Maricar eilig Bestätigung.

»Natürlich … Ich … Also … Ich meine, wir –«, stotterte der Junge sofort zurück. Er wurde unsanft unterbrochen.

»Dann gib verdammt nochmal nicht so einfach deinen allerbesten Freund auf! Was ist nur mit dir los?!« Iwen sah erschrocken weg und versuchte sein klopfendes Herz zu beruhigen. Was war das für ein seltsamer Schmerz in seiner Brust, wenn Maricar von Aurelio sprach?

YanderellaWhere stories live. Discover now