Kapitel 10

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Als die Freunde nach der Schule am Ende des Feldweges angelangt waren und es Zeit wurde, sich zu trennen, begleitete Aurelio wie ausgemacht die beiden Mädchen zu ihrem Haus. Iwen verabschiedete sich ein wenig brummig und ernst, wobei Moira ihm zuletzt doch noch ein sanftes Grinsen entlockte. Als die Drei schließlich durch den Garten bis zur Haustür gelangt waren, griffen beide Mädchen blitzschnell in ihre Taschen, beide auf der Suche nach dem Schlüssel. Moira fand ihren zuerst und lachte triumphierend, während sie auf schloss. Im angenehm kühlen Haus angekommen warf Moira ihre Schuhe an die Seite, wünschte ihren Freunden viel Spaß und rannte dann um die Ecke. Ihr Zimmer lag im Erdgeschoss, während Aurelia das Zimmer über Moiras im ersten Stock belegte.

»Ihr seid doch neu hergezogen, nicht wahr? Wie lange wohnt ihr schon hier?«

»Wir sind ein paar Wochen bevor wir unseren ersten Schultag hatten hierher gekommen.« Aurelio legte seinen Arm um Aurelia, während beide sich fröhlich ansahen.

»Ich find' s toll, dass ihr her gezogen seid! Sonst hätten wir uns wohl kaum kennen gelernt.«

»Ja … Und auch nicht ver- …«, murmelte Aurelia nun verlegen und verstummte schließlich. Aurelio stotterte erstaunt und hastig zurück:

»J-Ja, und auch das nicht … Aber wir haben es ja, oder nicht?«

»Doch, natürlich!« Aurelios Hand wich von der Schulter seiner Freundin und schnappte sich stattdessen ihre Hand.

»Ich kenne dein Zimmer zwar schon, aber heute kannst du' s mir zum ersten Mal in Ruhe und unter schönen Umständen zeigen.«

»Dann komm mal mit.« Die Zwei gingen Hand in Hand die ersten Treppenstufen hoch, als ihnen plötzlich ein Mann entgegen gerannt kam, der es offenbar eilig hatte. Er trug einen weißen Kittel und eine Brille, hatte schwarze Haare und einen kleinen Bart und war gerade dabei eine Zigarette zu rauchen. Seine dunklen, braunen Augen blitzen erschrocken auf, als er beinah gegen die beiden Jugendlichen rannte. Aurelias Lächeln war sofort Geschichte. Sie hörte sich mit einem genervten Gesichtsausdruck an, wie der Mann verdutzt, aber recht freundlich meinte:

»Oh … Du hast Besuch mitgebracht. Freut mich, junger Mann. Ich bin, eh …« Aurelia knallte ihre freie Hand an ihre Stirn, während Aurelio verwundert seine freie Hand an den Mann reichte und ihn mit einem rauen Handschütteln begrüßte.

»Hallo. Ich bin Aurelio.«

»Aurelio! Was für ein Zufall! Gefällt mir. Jedenfalls, ich bin …« Aurelia brummte gelangweilt dazwischen:

»Das ist mein Vater. Er war mal Arzt, aber jetzt macht er eher wissenschaftliches Zeug. Deswegen rennt er ständig zuhause im Kittel herum. Sein Arbeitszimmer gleicht einem kleinen Labor.«

»Oh, Sie sind ihr Vater!« Aurelio erschrak. Dabei wunderte er sich über seine eigenen Gedanken. »Wer sollte es auch sonst sein? Was hab ich denn gedacht?«, tönte es in seinem Kopf.

»Eh, scheint so.«, murmelte der Mann in seinen Kragen und nahm einen Zug von seiner Zigarette. »Und du bist ihr?«

»E-Eh, also … Wenn Sie so fragen …« Aurelia unterbrach ihren Freund, indem sie genervt seine Hand, welche dabei in ihrer Hand lag, hob hoch, direkt vor das Gesicht des Mannes.

»Oh? Oh!«, rief dieser daraufhin. »Wie schön, sie hat …!« Aurelia brummte:

»Geh aus dem Weg, wir wollen in mein Zimmer.« Der Mann trat mit einem unsicheren Blick zur Wand. Aurelia zog Aurelio hinter sich her, an ihm vorbei und geradewegs in ihr Zimmer.

»So, stell schon mal deine Tasche ab. Ich hol uns mal was zu Trinken und Chips oder so.«, murmelte Aurelia und versuchte knapp zu lächeln. Dann warf sie ihre Schultasche vor die nächstbeste Wand, sodass Aurelio zusammen zuckte. Anschließend verließ sie fluchtartig ihr Zimmer. Kaum eine Minute später hörte Aurelio von unten lautes Brüllen. Er spitzte mit verzogenem Gesicht die Ohren und lauschte den gedämpften, wütenden Stimmen.

YanderellaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt