Ehe sie sich versehen konnte, landete ihr Telefon schon an der gegenüberliegenden Wand und ihre Utensilien für den Tee auf dem Boden.

Sie war normalerweise nicht der Typ für solch einen Gefühlsausbruch aber Sherlock und dieser Anruf hatten etwas in ihr ausgelöst, dass sich nun nicht mehr stoppen ließ. Unzählige Gegenstände fanden ihren Weg auf den Boden oder zerschmetterten an der Wand.

'Wie konnte er mir so etwas nur antun? Wieso tut er so etwas Schreckliches?' dachte sie sich und sank dann langsam zu Boden. Ihre Arme umklammerten ihre Beine und zogen sie näher an ihren Körper. Dann ließ sie ihren Tränen, die sich den ganzen Tag über angesammelt hatten, freien Lauf. Ihr Kater Toby versuchte sie immer wieder mit ein paar Stupsern aufzuheitern aber Molly war einfach zu verletzt.

Sie musste stundenlang dort gesessen und geweint haben. Draußen zog die Nacht herein und ein Blick an ihre Uhr in der Küche zeigte, dass es bereits kurz vor Mitternacht war.

Molly wollte sich gerade aufrichten und langsam in ihr Schlafzimmer gehen, als plötzlich ein Klopfen an ihrer Tür sie aufschrecken ließ.

'Oh Gott, was ist wenn ER das ist?' dachte sie leicht verunsichert.

Ihre Augen waren mittlerweile schon rot unterlaufen und geschwollen. Sie wollte nicht, dass er sie so sieht oder vielleicht doch? Vielleicht sollte er ruhig sehen, was er ihr damit angetan hatte?

Dann kam ihr jedoch etwas anderes in den Sinn.

'Sherlock klopft nicht. Sherlock lässt sich selbst herein.'

Ein erneutes Klopfen.

Diesmal klang es etwas ungeduldiger. Sie richtete sich schließlich auf und ging dann langsam mit leicht zittrigen Beinen zu ihrer Wohnungstür. Vorsichtig öffnete sie die Tür und schaute nach draußen.

„Guten Abend Ms. Hooper. Entschuldigen Sie die späte Störung aber wir haben Grund zur Annahme, dass Sie überwacht werden und sich in ihrer Wohnung Kameras befinden." erklärte er.

Es war Mycroft und ein paar andere Männer, die sich hinter ihm positionierten. Kurz machte sich ein wenig Erleichterung in ihr breit, dass es nicht Sherlock war. Sie wusste nicht, ob sie sich dem schon stellen könnte.

Molly öffnete schließlich komplett die Tür und schaute den großen Mann mit Schirm fragend an.

„Mr. Holmes? Was machen Sie hier und was meinen Sie mit Kameras in meiner Wohnung?"

Molly verstand nicht. Wieso waren in ihrer Wohnung Kameras angebracht und vor allem wo und von wem? Sie konnte es einfach nicht glauben. Wo hatte sich Sherlock und damit auch sie jetzt schon wieder reingeritten?

„Vielleicht sollten wir das lieber drinnen besprechen" sagte er dann und entgegnete ihr ein wenig Platz zu machen.

Molly schaute kurz nach hinten in ihre Wohnung und sah das Chaos, dass ihr Ausbruch hinterlassen hatte. Es war ihr äußerst unangenehm und eigentlich wollte sie auch nicht, dass jemand ihre Wohnung so sah. Schließlich war sie immer eine sehr ordentliche und strukturierte Person gewesen. Eine kleine „Little Miss Perfect" wie ihre Freunde sie immer wieder nannten.

Mycroft schien ihr Zögern zu bemerken.

„Ms.Hooper. Es wäre wirklich besser, wenn wir das drinnen besprechen könnten. Es betrifft unter anderem den heutigen Anruf, den sie erhalten hatten" erklärte er nochmals.

Der Anruf? Wieso wusste ER davon?

Sie stieß einen tiefen Seufzer aus und trat dann schließlich zur Seite und ließ ihn eintreten.

Mycroft nickte ihr zu und ging dann schließlich an ihr vorbei. Die Männer folgten ihm und machten sich sogleich an die Arbeit.

Er erstarrte kurz als er ihre Wohnung betrat und an dem Anblick, welcher sich da vor ihm bot. Überall lagen Sachen verstreut auf dem Boden, Scherben zierten den Küchenboden.

'Was war hier passiert? Hatte Eurus noch etwas anderes getan?' dachte er sich kurz, doch als er das zerschmetterte Telefon auf dem Boden ausfindig machen konnte, wurde es ihm klar.

„Entschuldigen Sie bitte das Chaos. Ich... ich war gerade am Aussortieren" versuchte sich Molly irgendwie zu erklären. Natürlich war ihr klar, dass er das niemals glauben würde aber etwas Besseres fiel ihr im Moment nicht ein.

„Offenkundig" entgegnete er ihr daraufhin leicht verwundert.

„Also, Mr. Holmes. Erklären Sie mir, was machen Sie hier zu später Stunde und warum werde ich überwacht?" fuhr sie schließlich fort. Sie war immer noch perplex darüber, was hier gerade vor sich ging.

„Ich denke, es wäre besser, wenn Ihnen mein Bruder dies erklären würde. Wir sind nur hier um die Kameras zu entfernen. Es wird ein wenig Zeit in Anspruch nehmen. Anthea, meine Assistentin wird Sie deswegen in ein Hotel bringen" erklärte er und schob sie vorsichtig Richtung Ausgang.

Molly drehte sich abrupt um und funkelte ihn leicht wütend an. Sie hatte es satt, dass die Holmes-Bruder sie immer wieder herumkommandierten und sie für ihre Zwecke ausnutzten.

„Nein! Stop! Das hier ist meine Wohnung! Sie kommen hier einfach mitten in der Nacht vorbei, sagen mir, dass ich überwacht werde und dann drängen Sie mich aus meiner eigenen Wohnung, ohne mir zu erklären, wieso eigentlich?! Ich brauche kein Hotel. Ich werde einfach vor der Tür warten, bis Sie hier fertig sind!" entgegnete sie ihm leicht genervt und ging dann aus der Tür.

Auf einer der Treppenstufen ließ sie sich schließlich nieder. Immer wieder wanderten ihre Gedanken an die Situation, die sich gerade in ihrer Wohnung abspielte, an den heutigen Tag und diesen Anruf. Woher wusste Mycroft von dem Anruf und den Kameras? Was ist passiert und vor allem wie geht es Sherlock? Irgendetwas stimmte hier doch nicht?

Am liebsten würde Sie ihn anrufen und fragen, was passiert sei aber das konnte sie nicht, da ihr Telefon in mehreren Teilen auf ihrem Boden verstreut lag.

Sie verfluchte sich innerlich dafür.

Und was wenn Sherlock bereits versucht hatte, sich bei ihr zu melden? Vielleicht gab es ja wirklich eine sinnvolle Erklärung für das alles hier. Aber warum sagte ihr keiner etwas? War sie wirklich eine so unbedeutende Person, bei der es nicht wichtig war, sie darüber aufzuklären? Was wenn das alles wieder nur so ein dummes Spiel war? Molly wusste nicht warum, aber sie wurde erneut wütend. Auf Mycroft, der sie aus ihrer Wohnung verwies, ohne etwas zu erklären, wütend auf Sherlock, der ihr Herz mit diesem Anruf endgültig zerbrechen ließ und es nicht einmal für nötig hielt, es ihr zu erklären und sie war auch wütend auf sich. Dass sie immer wieder, wenn er ihr ein kleines Kompliment machte, auf ihn hereinfiel und ihr Leben sich nur noch um ihn drehte. Sie fragte sich auch, was mit ihr los war.

Wann war das mit ihr passiert? Wann hatte sie es zugelassen, dass ihr Leben durch diesen einen Mann definiert wurde?

Sie wollte sich nicht mehr nach ihm richten und ihr Leben durch ihn kontrollieren lassen. Sie wollte auch nicht länger hoffen, dass Sherlock sich doch irgendwann besinnen würde und ihre Liebe erwidern würde.

Sie wusste, wenn sie endlich glücklich werden wollte, musste sie ihn ziehen lassen und aus ihrem Leben streichen.

„Ist alles in Ordnung? Geht es Ihnen gut?" fragte jetzt Anthea.

Molly bemerkte es nicht aber anscheinend hatte sie angefangen zu lächeln und Anthea schien es bemerkt zu haben.

„Was? Oh ja. Ich habe nur eine Entscheidung getroffen" entgegnete sie ihr dann und lächelte erneut.

Ja, sie hatte sich entschieden. Sie musste Sherlock irgendwie aus ihrem Leben und somit aus ihrem Herzen entfernen. Sie musste ihn vergessen.

Zweite ChanceWhere stories live. Discover now