fünfunddreißig.

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Auf dem Couchtisch liegen zwei leere Pizzaschachteln, abgesehen von den Käseresten, die am Deckel kleben. Über den Bildschirm des Fernsehers läuft der Abspann des Films, den weder Owen noch Ida zu Ende gesehen haben.

Schmunzelnd hat Owen seine beste Freundin dabei beobachtet, wie ihre Augenlider in immer kürzer werdenden Abständen zugefallen sind. Nach und nach hat sie den Kampf gegen die Müdigkeit verloren, bis ihr Kopf schließlich auf seiner Schulter niedergesackt ist. Keinesfalls verwunderlich, sich Sorgen dieser Größenordnung zu machen, fordert eines an Energie ab. Er hat eine Decke um sie gelegt und ist letztendlich selbst vom Schlaf übermannt worden.

Die dramatisch musikalische Hinterlegung des Filmabspanns sorgt dafür, dass Ida aufwacht. Schlaftrunken reibt sie sich die Augen und braucht einen Moment, um die Orientierung zu finden. Peinlich berührt wird ihr bewusst, dass sie eng an Owen gekuschelt liegt. Im Grunde keine große Sache. Es ist nichts, was nicht schon zuvor passiert ist. Doch heute fühlt es sich anders an. Vorsichtig versucht sie, sich von ihm loszulösen, ohne ihn dabei zu wecken. Bedacht stützt sie ihre Hände auf seinem Oberkörper ab und bewegt sich in Zeitlupentempo von ihm weg. Noch bevor sie sich richtig von ihm befreit hat, vermisst sie bereits seine wohlige Wärme und seinen Geruch nach Zedernholz und Geborgenheit.

Sie nutzt die Gelegenheit, um ihn genau zu betrachten. Beginnend bei seinen langen, dunklen Wimpern, die seine blau-grünen Augen bedecken, in denen sie schon so oft versunken ist. Weiter zu seinen Wangenknochen, über die sie nur allzu gerne streichen würde, um seine Schönheit nicht nur sehen, sondern auch fühlen zu können. Bis hin zu seinem perfekt geformten Mund, der sich vor nicht allzu langer Zeit einen Kuss von ihr gestohlen hat, den sie nicht zu geben bereit gewesen ist. Zumindest nicht unter den damals gegebenen Umständen. Unter den richtigen Umständen hätte sie nichts dagegen einzuwenden. Jetzt, da sie weiß, was seine Küsse mit ihr anstellen, verzehrt sie sich regelrecht danach. Allein der Gedanke entfacht eine Gänsehaut, unterbrochen durch ein hitziges Kribbeln auf ihrer Haut. Um sich nicht weiter in diesem Gehirngespinst zu verfangen, reißt sie ihren Blick von seinen Lippen los und setzt ihre visuelle Reise an anderer Stelle fort. Ein paar lose Haarsträhnen haben sich auf seine Stirn verirrt. Zärtlich streicht sie diese aus seinem Gesicht.

Owen öffnet seine Augen und blickt Ida geradewegs an.

Ertappt zieht sie ihre Hand zurück.

„Hast du mich beim Schlafen beobachtet?", fragt er ungeniert.

„Ja", gibt sie offen und ehrlich zu. Was würde es bringen, es abzustreiten? „Ich bin so erleichtert, dass es dir wieder gut geht", versucht sie wenigstens eine Rechtfertigung abzuliefern, die nichts über ihre geheimen Sehnsüchte verrät.

Owen erwidert nichts, sondern sieht sie einfach nur an. Lächelnd stellt er fest, dass ein Klecks Tomatensoße von der Pizza neben ihrem Mund haftet. Er führt seine Hand zu ihrem Gesicht und nutzt seinen Daumen, um diesen abzureiben.

Momentan setzt Idas Atmung aus. Ihr kompletter Körper ist wie eingefroren, ausgenommen ihres Herzen, das einen Marathon zurücklegt. Was zur Hölle macht er da?

„Tomatensoße", klärt Owen auf.

„Oh." Mehr vermag sie nicht zu erwidern.

Obwohl er den Klecks längst abgerieben hat, verweilt seine Hand weiterhin auf ihrem Gesicht und sein Daumen streicht noch immer über ihre Wange.

„Nicht", haucht Ida. Sie würde gerne überzeugender klingen.

Owen hat sehr gut verstanden, was sie gesagt hat. Doch ihr Blick spricht eine andere Sprache. Auf die Gefahr hin, dass sie ihn grob abweisen wird, legt er seine andere Hand ebenfalls um ihr Gesicht. Er sieht sie eindringlich an und ist sich sicher, dass er nie zuvor etwas Wertvolleres in seinen Händen gehalten hat. Insgeheim rechnet er damit, dass sie jeden Moment Beschimpfung der Extraklasse auf ihn abfeuern wird. Ähnlich, wie damals bei dem Kuss. Die Erinnerung daran, wie seine Lippen auf den ihren lagen, treibt das Bedürfnis an, sie erneut küssen zu wollen. Dieses Mal nicht, weil er Lindsey eins auswischen will, sondern weil er danach verlangt. „Warum nicht?", fragt er.

drOWNingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt