fünfundzwanzig.

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Hustend und würgend krümmt sich Chantara unter den Auswirkungen, die ihr unüberlegtes Handeln mit sich gebracht hat. Ihre Lunge brennt, ebenso ihr Hals. Sie fühlt sich elend. Ganz so, als wäre sie mit Leviathan höchstpersönlich in den Ring gestiegen. Womöglich ist sie das. Ist sie tot? Nein, denn dann würde ihr Körper nicht von derart heftigen Schmerzen heimgesucht werden. Oder doch? Der sandige, trockene Grund, auf dem sie liegt, lässt sie wissen, dass sie nicht länger im Wasser ist. Sie versucht, ihre Augen zu öffnen. Das Anheben ihrer Lider sorgt ebenfalls für einen brennenden Schmerz. Salzwasser und Sand haben der empfindlichen, menschlichen Bindehaut übel zugesetzt. Sie nimmt Hände auf ihrem ausgemergelten Körper wahr. Fürsorgliche Hände. Jene Hände, die sie bereits im Wasser gespürt hat. Ihr Blick schärft sich und sie blickt geradewegs in Yarrows sorgenvolles Gesicht. Er sieht anders aus als sonst. Seine blonden, welligen Haare werden nicht vom Wasser getragen, sondern kleben auf seiner Stirn und seinen Wangen. „Yarrow?", krächzt sie.

„Hey", heißt er Chantara erleichtert in der Welt der Lebenden willkommen.

Sie setzt dazu an, sich aufzusetzen, überlegt es sich aber augenblicklich anders. Ihr ist schwummrig und ihrer Kehle entweicht erneutes Husten, das sich anfühlt, als wäre ein Igelfisch in ihrem Hals explodiert. Sie lässt sich zurück auf den sandigen Grund fallen.

„Du solltest es langsam angehen lassen", empfiehlt Yarrow. „Aber du kannst dir schon einmal eine Antwort auf die Frage überlegen, warum du derart versessen darauf bist, ein Mensch sein zu wollen? Diese Verwandlung hat mich glauben lassen, durch Leviathans Höllengrund gerissen zu werden. Nichts, was ich ein weiteres Mal erleben will."

„Sage mir, wenn ich mich täusche", bringt Chantara mühevoll und mit heiserer Stimme heraus. „Aber es kommt mir beinahe so vor, als ob du dich freundschaftlich verhältst." Sie traut ihm nicht. Bei ihrer letzten Begegnung ist Yarrow nicht unbedingt positiv auf sie zu sprechen gewesen.

„Ja, das tue ich tatsächlich", wundert er sich über sich selbst. „Vielleicht liegt es daran, weil ich festgestellt habe, dass wir uns ähnlicher sind, als ich bisher bereit gewesen bin, zuzugeben."

Chantara bedenkt ihren Retter mit skeptischem Blick. Vorsichtig startet sie einen neuen Anlauf, sich aufzusetzen. Sie nimmt es schrittweise in Angriff und stützt sich zuerst auf ihren Ellbogen auf.

„Bist du dir sicher, dass das eine gute Idee ist?", zweifelt Yarrow, der ihr aber zeitgleich zur Hilfe kommt. „Was hast du dir eigentlich dabei gedacht?", fragt er und versucht, es nicht allzu vorwurfsvoll klingen zu lassen.

„Ich weiß es nicht. Es ist eine dumme, spontane Eingebung gewesen. Ich habe einfach nicht gewusst, wie ich all dem Schlamassel, in den ich mich gebracht habe, sonst entkommen könnte", antwortet sie.

Yarrow versteht. Nicht, weil er sich ebenfalls in eine ausweglose Situation gebracht hat, sondern weil er ebenso wenig weiß, wie er seine momentane Lage angehen soll. „Nun, dann kannst du von Glück reden, dass ich in der Nähe gewesen bin."

Sie will sich überhaupt nicht ausmalen, wie die Sache ausgegangen wäre, wenn er nicht zur Stelle gewesen wäre. „Eine Meerjungfrau, die ertrunken ist. Das wäre etwas gewesen, was?", versucht sie den Ernst aus diesem Gespräch zu nehmen.

Yarrow hält sich zurück, diese Sache aufzubauschen. Scheinbar hat sie selbst erkannt, dass es eine überaus bescheuerte Aktion gewesen ist. „Nun, sag schon!", kommt er deswegen auf etwas anderes zu sprechen. „Warum nimmst du diese Qualen der Verwandlung auf dich?"

Aus irgendeinem unerklärlichen Grund vertraut sie ihm. Es kann nicht schaden, einen Freund an ihrer Seite zu haben. Und da sie in ihrer momentanen Lage nicht allzu wählerisch sein kann, greift sie notgedrungen auf Yarrow zurück. Was hat sie denn noch zu verlieren? Auf ihrem erschöpften Gesicht macht sich ein verhaltenes Lächeln bemerkbar. „Zu Beginn ist es lediglich die Neugier gewesen", erklärt sie. „Aber einmal damit angefangen ist es wie eine Sucht", fügt sie mit rot unterlaufenen, dennoch leuchtenden Augen hinzu.

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