dreiundzwanzig.

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Mit dem Mondstein in seiner Faust eingeschlossen, schwimmt Yarrow hoffnungsvoll auf die naturgewaltigen Felsformationen zu, in denen sein Schwarm ansässig ist. Je näher sein Ziel rückt, desto kontrollierter werden seine Flossenschläge. Er hält sich bedeckt, da er nicht sofort Zales Aufmerksamkeit an sich lenken, sondern zuerst mit Noelani sprechen will. Im Besitz des Mondsteins glaubt er, seine trotzig gewählten Worte und den unnötigen Streit wiedergutmachen zu können. Er muss sich sputen. Ihm steht nicht viel Zeit zur Verfügung, bis Zale seine Anwesenheit wittern wird und Antworten auf all die offenen Fragen will.

Die imposanten Felsen sind so ausgelegt, dass jeder Schwarmanhänger, in den naturgegebenen Höhlen und Winkeln, seinen persönlichen Raum finden kann. Bei Dämmerung ziehen sie sich zurück und suchen Schutz in den Grotten, um den Jägern der Nacht nicht zum Opfer zu fallen.

Neolani erwacht aus einem unruhigen Schlaf, geprägt von Gedanken, die sie umtreiben und Träumen, die sie heimsuchen. Sie nimmt eine zarte Berührung auf ihrer Wange wahr. Yarrow ist zurück. Bevor sie ihre Augen öffnet, zeichnet sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht ab. Sie denkt nicht länger darüber nach, dass sie noch immer sauer auf ihn ist. Viel zu gut fühlt es sich an, ihn wieder in ihrer Nähe zu wissen und von ihm berührt zu werden. Dennoch muss sie an die zurückliegenden Stunden mit Zale denken, die ihre Gefühlslage vollkommen durcheinanderbringen. Es ist schön mit Zale gewesen. Erschrocken über sich selbst erstickt sie diesen Gedanken im Keim. Ihr schlechtes Gewissen legt sich wie ein Band um ihr Herz und schnürt dieses ab. Doch nun, da Yarrow zurück ist, wendet sich mit Sicherheit wieder alles zum Guten. Seine feinfühlige Hand auf ihrer Wange lässt sie erkennen, wie sehr sie ihn vermisst hat und wie viel ihr daran liegt, wiedergutzumachen, was schiefgelaufen ist. Mit klopfendem Herzen schlägt sie ihre Lider auf, bereit ihn willkommen zu heißen. Doch es ist nicht Yarrow, in dessen Gesicht sie blickt. „Zale", haucht sie überrascht.

„Das klingt beinahe so, als ob du jemand anderes erwartet hättest", entgegnet der Anführer und zieht seine Hand enttäuscht zurück.

„Nein", bricht es reflexartig aus ihr heraus. „Ich habe gedacht ... also ... ich bin einfach nur überrascht, dass du ... dass du hier bist", stammelt sie. „Du bist nie zuvor hier gewesen. Hier, bei mir."

Tatsächlich ist es normalerweise nicht Zales Art, jemanden aufzusuchen. Für gewöhnlich lässt er sich aufsuchen. „Ich habe mich nach dir gesehnt", gesteht er. Zusammen mit seiner ehrlichen Erklärung brechen gemischte Gefühle auf ihn ein. Auf der einen Seite fürchtet er sich vor sich selbst, genauer gesagt vor dem, was mit ihm passiert. Auf der anderen Seite beginnt ein Lächeln seine sonst so düsteren Züge zu schmücken.

Noelani befindet sich ebenfalls in einem Zwiespalt, gefangen zwischen Freude und schlechtem Gewissen. Dass Zale ihretwegen eine unbekannte Seite zeigt, schmeichelt ihr und fühlt sich aufregend an. Für einen Moment bildet sie sich ein, dass sie etwas Besonderes für ihn sein könnte. Ein wohliges Kribbeln, das sie überhaupt nicht fühlen will, breitet sich über sie aus. Ihr kommt es so vor, als ob sie von ihrem eigenen Körper hintergangen wird.

Zale bleiben ihre Reaktionen, die sie nur schlecht zu verstecken weiß, nicht verborgen. Er führt seine Hand zurück zu ihrer Wange. Von dort streicht er ihren Hals hinab, über die Stelle, die von seinem Biss markiert ist.

Ungewollt entweicht Noelani ein Stöhnen. Es ist ihr schleierhaft, wie er es anstellt, sie mit einer simplen Berührung derart aus der Fassung zu bringen.

Er hingegen genießt den Effekt, den er auf sie hat. Zu beobachten, wie sich ihr Mund keuchend öffnet und diese wundervollen Töne verlauten lässt, erregt ihn auf eine nie dagewesene Art und Weise.

Sie legt ihre Hand auf die seine, um ihm Einhalt zu gebieten. Auf keinen Fall will sie sich selbst noch mehr verraten. „Nicht!", bittet sie gegen ihren Willen. Das Wort kommt so dünn an die Oberfläche, dass sie es selbst kaum hören kann.

drOWNingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt