eins.

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„Babe? Können wir los?", erkundigt sich Owen, während er die Tür zum Badezimmer öffnet. Anders als erwartet, trifft er seine Freundin nicht vor dem überdimensional großen Spiegel an, wie sie sich mit Make-up-Artikeln, die er kaum zu benennen vermag, zu einem vollkommen anderen Aussehen verhilft. Er macht auf dem Absatz kehrt und begibt sich auf die Suche nach seiner besseren Hälfte. „Lindsey?", fragt er, ohne eine Antwort zu erhalten. Seine Armbanduhr liefert ihm Aufschluss darüber, dass sie sich bereits um zehn Minuten, zu dem Treffen mit Freunden, verspäten. Letztendlich findet er seine Freundin im Schlafzimmer vor. Vom Türrahmen aus, ist sein Blick, mit zusammen gezogenen Augenbrauen, auf ihr denkwürdiges Tun und ihre alles andere als ausgehtaugliche Erscheinung gerichtet.

Ungeschminkt, in Leggings und einem enganliegenden Top verbiegt sich Lindsey auf einer Yoga-Matte. Direkt vor dem großen Fenster, mit Blick auf den Strand. Ihre langen, braunen Haare trägt sie zu einem unordentlichen Dutt zusammengefasst.

„Wir sind bereits zu spät und du machst Sport?", kann er sich seinen Unmut nicht verkneifen. „In vollkommener Gelassenheit?", fügt er ebenso vorwurfsvoll wie ungläubig an.

„Oh, hey", entgegnet Lindsey gut gelaunt und tut so, als hätte sie Owen eben erst bemerkt. Obwohl ihr Körper in einer Yoga-Übung verknotet ist, gelingt es ihr, die Balance zu halten, während sie zu ihrem Freund hinübersieht. „Da muss ich wohl vollkommen die Zeit vergessen haben", säuselt sie.

Für einen Moment ist Owen versucht, auf Lindseys Spiel hereinzufallen. Es fällt ihm schwer, sein Augenmerk von diesem engen Outfit abzuwenden, welches er ihr nur allzu gerne vom Leib reißen würde. Doch er ermahnt sich, die Notbremse zu ziehen. In letzter Zeit lässt er sich ziemlich häufig von ihr auf der Nase herumtanzen. Zumindest ist es das, was ihm sein Kumpel Myles immer wieder vor Augen hält. Mit all diesen kleinen Tricks erschleicht sie sich Einfluss in seine Entscheidungen und das gefällt ihm nicht. Um dem ein Ende zu setzen, gibt er ein genervtes Ein- und Ausatmen zum Besten, bevor er dazu ansetzt, den Rückzug anzutreten.

„Bitte sei nicht sauer!", ruft Lindsey hinter ihm her. Sie entwirrt ihre Gliedmaßen und nimmt die Verfolgung auf. „Das habe ich doch nicht mit Absicht getan", betont sie derart übertrieben, dass es allein dadurch auffällig erscheint. Schnell holt sie den Vorsprung ihres Freundes auf und hält ihn an seinem Arm zurück.

Natürlich hätte Owen leichtes Spiel, sich aus ihrem Griff zu befreien und einfach weiterzugehen. Seine Schwäche findet sich an anderer Stelle. Sobald sie ihren reizvollen Körper einsetzt, ist er ihr hilflos ausgeliefert.

Sich ihrer Wirkung bewusst, schmiegt sie sich von hinten an seinen Rücken. Zärtlich entlässt sie ihn aus ihrem Griff, um mit ihrer freigewonnenen Hand seinen Arm empor streichen zu können. „Es tut mir leid", haucht sie in sein Ohr, während sie die Stärke seines Bizeps mit ihren manikürten Nägeln neckt.

Fernab jeglicher Willensstärke, die für ein paar Sekunden sein neuer, bester Freund gewesen ist, dreht er sich zu ihr um.

Diese Gelegenheit lässt sie nicht ungenutzt, um ihre Fingerspitzen über seine Brust gleiten zu lassen. Dabei sieht sie ihm tief in die Augen. In jene Augen, die der Grund sind, warum er ihr, vor einigen Monaten, in einer Bar aufgefallen ist. Der Verlauf seiner Regenbogenhaut, von Blau zu Grau, der bei Lichteinfall den Eindruck vermittelt, einen Schimmer von Grün mitunter zu mischen, ist Lindsey sofort aufgefallen. Umrandet von dichten, dunklen Wimpern und dem warmen Karamell-Teint seiner Haut, wirken seine Augen wie zwei Edelsteine aus einer anderen Welt. Lindsey liebt Edelsteine. Generell liebt sie alles, was kostspielig ist. Wenn sie ehrlich ist, muss sie zugeben, dass ihr Owens Augen erst dann aufgefallen sind, nachdem sie erfahren hat, wer er ist. Beziehungsweise, wessen Sohn er ist. Der Spross des millionenschweren Hotelbesitzers Gabriel Rockwell.

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