dreizehn.

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„Was haben Sie hier zu suchen?", giftet Gabriel Rockwell gegen Ramirez, den er dabei antrifft, wie er sich am Hintereingang des Hotels zu schaffen macht.

„Ich bringe Ware", bringt Pablo mit Gelassenheit entgegen. Er deutet auf die zwei Kartons, die auf dem Boden zu seinen Füßen stehen, dabei klimpern die goldenen Armketten an seinem Handgelenk.

„Haben wir uns nicht darauf geeinigt, dass Sie den Haupteingang dazu benutzen sollen", verweist Rockwell auf Vereinbarungen, die er bereits klar und deutlich zum Ausdruck gebracht hat.

„Ja, das haben wir", betätigt Ramirez. „Aber ich wundere mich ein wenig über die Zweckhaftigkeit. Warum den Gästen mit Lieferungen zwischen den Beinen herumtanzen, wenn Sie so einen wundervollen Eingang hier haben?"

„Ich sehe mich nicht dazu berufen, Ihnen erklären zu müssen, warum die Dinge gehandhabt werden, wie die Dinge eben gehandhabt werden", zetert Gabriel. „Aber da Sie mich gewiss mit weiteren Fragen nerven würden, nehme ich mir die Zeit, um Sie darüber zu unterrichten. Hinter dieser Tür werden im Moment handwerkliche Tätigkeiten vorgenommen, die präzise Arbeit und Konzentration erfordern. Sie werden dort keinesfalls mit Ihrer Plörre hindurchpoltern und die Handwerker belästigen."

Ramirez nickt und tut so, als würde er dem Hotelbesitzer Glauben schenken. Lächelnd ignoriert er die Beleidigung gegenüber seiner Ware. Und obwohl es ihm schwerfällt, die Frage für sich behalten, wo die entsprechenden Handwerkerfahrzeuge geparkt sind, beißt er sich auch diesbezüglich auf die Zunge. „Oh, ich verstehe", gibt er gleichermaßen schmierig von sich, wie er seine Haare trägt. „Nun dann, nehme ich den Eingang, den Sie mir ans Herz gelegt haben. Das soll doch überhaupt kein Problem darstellen. Nicht, dass Sie noch einen Herzinfarkt bekommen."

•••

Seit geraumer Zeit sitzt Owen auf seiner Veranda und starrt im Dreißig-Sekunden-Takt auf das Display seines Smartphones. Er wartet auf eine Rückmeldung von Ida. Doch sie ruft weder zurück, noch antwortet sie auf eine seiner fünf verfassten Textnachrichten. Inzwischen sieht Owen ein, wie blöd es gewesen ist, sie zu küssen. Seine beste Freundin dafür zu benutzen, um seiner Ex eins auszuwischen, zeugt nicht unbedingt von ausgeklügelter Planung. Aber ehrlich gesagt hätte er nicht damit gerechnet, dass es ihm Ida derart krummnehmen würde. Sie sind Freunde, seit er denken kann. Womit er sich selbst die Antwort auf diese Misere liefert. Freunde küssen sich nicht! Zumindest nicht auf diese Art und Weise, wie er es ihr abverlangt hat. Ein freundschaftliches Küsschen auf die Stirn oder Wange - okay. Aber sie zu küssen, als würde ihrer beider Leben davon abhängen, hat den Bogen überspannt. Trotz der niederschmetternden Selbsterkenntnis schleicht sich mit einem Mal ein Lächeln in sein Gesicht. Ida hat ihn überrascht. Sie hat seinen Kuss einfühlsamer und leidenschaftlicher erwidert, als er es erwartet hätte. Ehrlich gesagt, hat er nicht die Zeit gehabt, sich Gedanken darüber zu machen, was er bezüglich Ida zu erwarten hat. Doch dass sie sich derart in diesem Kuss verlieren könnte, dass er vollkommen vergisst, worum es ihm dabei eigentlich geht, wäre ihm niemals in den Sinn gekommen. Sie hat ihre Sache wirklich verflucht gut gemacht. Erschrocken über seine eigenen Gedanken, verdrängt er diese sofort wieder. Sie ist seine beste Freundin. Was zur Hölle ist eigentlich los mit ihm? Erneut wirft er einen Blick auf sein Handy. Die Häkchen hinter seinen Nachrichten lassen ihn wissen, dass diese zugestellt und auch gelesen worden sind. Warum antwortet sie nicht? Er lässt es auf einen neuen Versuch ankommen.

22:10
es ist wirklich dumm von mir gewesen. Schau mich an, ich schreibe weit mehr als diese Ein-Wort-Nachrichten, die du so sehr hasst. Das müsste dir doch zeigen, wie leid es mir tut. Komm schon Draven, lass mich nicht länger in den Seilen hängen und sag mir, dass du nicht mehr sauer auf mich bist. Ich bin ein Idiot!

Nach Minuten des Wartens und ohne eine Antwort zu erhalten, legt Owen sein Smartphone auf den Tisch seiner Veranda. Er lehnt sich in seinem Stuhl zurück und schnauft resigniert durch. Vielleicht sollte er Ida Zeit geben, eine Nacht darüber zu schlafen. Oftmals sieht die Welt am nächsten Tag ganz anders aus. Um sich abzulenken, richtet er seinen Blick auf das Meer. Das Hereinbrechen und Rauschen der Wellen lassen allerdings nicht die Ruhe über ihn walten, auf die er spekuliert hat, sondern lenken seinen Gedankenstrudel zu einem weiteren Punkt, der ihm keine Ruhe lässt. Die Bemerkung, die Lindsey über seinen Vater gemacht hat. Wegen all der überschlagenden Ereignisse der letzten Tage hat Owen keine Zeit gefunden, um sich weiterhin um dieses Video zu kümmern. Wenn er ehrlich zu sich selbst ist, dann muss er sich eingestehen, dass er sich die letzten Tage zu Nutzen gemacht hat, um das abscheuliche Bildermaterial zu verdrängen. Ähnlich wie ein Kleinkind, das die Augen vor den Dingen verschließt, die es nicht sehen will. Blöderweise funktioniert es nicht. Doch garantiert wird er sich kein weiteres Mal unbefugten Zugang zu dem Büro seines Vaters beschaffen. Er kann darauf verzichten, erneut Zeuge davon zu werden, wie seine Ex keuchend unter seinem alten Herrn nach dessen harten Stößen lechzt. Das eine Mal hat ausgereicht, um sich unauslöschlich in seine Gedanken einzubrennen. Aber wie soll er es denn angehen? Owen ruft sich dieses merkwürdige Telefonat zurück Erinnerung. Jenes, bei dem der Anrufer schwarze Lilie, ohne jeglichen Zusammenhang, in das Gespräch geworfen hat. Er muss herausfinden, was es mit schwarzer Lilie auf sich hat. Und vielleicht hat er sogar auch schon eine Idee.

drOWNingحيث تعيش القصص. اكتشف الآن