S e c h s

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< Noah >

"Es hat den Anschein, als ob du Recht hattest." Ich sah meinen Vater an. "Im ganzen Gebiet konnte man nur sehr schwach andere Wolfsgerüche ausmachen. Einige wenige waren noch stärker da, aber es kann kein ganzes Rudel sein. Wir haben es nicht geschafft das ganze Gebiet abzulaufen, aber wir sind auf eine andere Wölfin gestoßen", fing ich zu erklären an.
"Eine gefährliche?" Mama legte einen Arm um mich und zog mich leicht besorgt an sich.

Ich ignorierte ihre Frage noch etwas, aber insgeheim versuchte ich nur die offentsichtliche Antwort herauszuzögern.
"Amy ist im Gebiet in eine Bärenfalle getappt", erklärte ich weiter. Mein Vater spannte sich an. "Bis ich dazugekommen bin, hat eine rotbraune Wölfin sie aus der Falle herausgeholt und dafür gesorgt, dass sie nicht in eine weitere Falle tappst."
"Sie könnte eine weitere Falle sein", sagte Papa bedenklich.
"War sie wirklich alleine im Wald unterwegs? Wölfe sind Rudeltiere", gab Jonas verschwörerisch von sich.

"Ich glaube nicht, dass sie gefährlich ist." Mein Blick richtete sich auf den Boden.
"Du glaubst nicht?" Die Stimme meines Vaters klang belustigt.
"Noah, weißt du überhaupt wer sie ist? Oder ob sie zum Rudel in dem Gebiet gehört oder einem anderen Rudel?" Jonas stellte Frage nach Frage, doch ich schwieg noch etwas.

Inzwischen bin ich mir sicher, dass sie zu mir gehört. Ich weiß es tief in mir, dass wir füreinander bestimmt sind. Und es zerstörte mich. Ich zerbrach daran, dass sie nicht neben mir ist, neben mir liegt und neben mir lebt.

"Noah?", Mama sah mich besorgt an.
Langsam hob ich meinen Kopf hoch. Ich sah mit einem ernsten, aber doch unsicheren Blick von Mama zu Papa zu Jonas und dann wieder auf den Boden.
"Sie ist es!", sagte ich kleinlaut und beugte mich nach vorne, um meine Ellbogen auf die Knie abzustützen.
"Sie ist was?", Jonas sah mich besorgt an.
"Meins!", kam es knurrend aus mir. Ich weiß nicht woher die Emotion kommt, aber ich spürte leichte Wut in mir aufkochen.
"Sohn. Deine Augen." Papa sah mich misstrauisch an.
Bei Wut verfärbten sich meine Augen, sie nahmen fast die Augenfarbe meines Wolfes an. Dunkelblau.

Ich atmete tief durch.
"Noah. Schätzchen. Bitte!" Mama klammerte sich noch mehr an mich.
"Mamaaa!", Timmy kam verschlafen die Stufen runter. Als er Mama sah, stürmte er auf sie zu.
"Die Wölfin aus dem Wald. Sie ist meine Seelenverwandte", gestand ich ruhig.

Das ganze Haus wurde leise. Jeder Blick lag auf mir, sogar Timmys. Er war schon alt genug, um zu wissen, was Seelenverwandte sind.
Papa lächelte wie ein Honigkuchenpferd. "Wie heißt sie?"
"Ich weiß es nicht."
"Wie sieht sie aus?"
"Ich kenne nur ihre Wolfgestalt."
"Gehört sie zum Rudel in diesem Gebiet an? Dem Rudel am See?"
"Ich weiß es nicht."
"Also de facto. Du hast sie nur gesehen", schloss Jonas zusammen. Immer wieder durchkreiste ein bestimmtes Gesicht meine Gedanken, sie war mein eingefallen, als ich die Tür eben aufschließen wollte. An ihr habe ich denselben Geruch schon mehrmals sehr schwach wahrgenommen. Aber ich war mir noch nicht ganz sicher, ob sie die Wölfin ist.

Niedergeschlagen stand ich auf und ging die Stufen rauf. Mama war traurig. Papa war verunsichert. Jonas war verwirrt. Und Timmy war einfach nur geschockt.

Auf die Schnelle zog ich mich um und putzte mir die Zähne. Ich schmiss mich auf mein Bett und versuchte zu schlafen, aber meine Gedanken drifteten immer wieder ab. Mein innerer Wolf wandte sich hin und her und jaulte in mir immer wieder auf.

"Hey, Kleiner", Jonas kam in unser Zimmer, im dritten Stock. Es war eigentlich nur ein riesiges Zimmer, aber es war durch eine Trennwand in zwei mittlere Zimmer geteilt.
Da das Zimmer nur eine Tür hat, zog sich die Trennwand nicht durch das ganze Zimmer, sondern hörte zwei Meter vor der Tür auf und ließ somit einen Durchgang von einem Zimmer zum anderen zu.

ᴡᴇʀ ᴠᴏɴ ᴜɴꜱ ʜᴀᴛ ᴀɴɢꜱᴛ ᴠᴏʀ ᴅᴇᴍ ʙᴏ̈ꜱᴇɴ ᴡᴏʟғ? ✔️Where stories live. Discover now