Z w e i u n d d r e i ß i g

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> Noah <

Ich war in Wolfsform im Wald unterwegs, den ich nicht erkennen konnte. In meinem Wald hoch bei der Siedlung bin ich aufgewachsen, weswegen ich stolz behaupten kann mich zurecht finden zu können, aber hier war ich verloren. Trotzdem schien es so, als kannte ich meinen Weg durch das Gestrüpp. Blätterrauschen war in der Nähe zu hören, was mich mulmig stimmte und dazu veranlasste mich dem Geschehen zu nähern. Ich stieß auf eine rotbraune Wölfin. Unverkennbar meine Wölfin. Sie drehte sich wissend zu mir um und sah mich verängstigt mit ihren hellorangenen Augen an. Langsam tappste sie immer weiter nach hinten und ließ mich mit ihrem Blick nicht mehr los. Verzweifelt sprang ich nach vorne und berührte zart ihr Fell.
"Wer bist du? Sag es mir!" Die Stimme klang nach mir, aber sie war von Wut erfüllt und ließ mich unbewusst erschaudern. Was war denn jetzt mit mir los?
"Bitte. Tu mir nichts. Ich...ich habe Angst." Ihre Stimme war im Vergleich zu meiner jetzigen viel melodischer. Nur klang sie daneben auch trüb und verweint, schon fast ängstlich. Ging es ihr nicht gut?
"Wovor? Ich kann dir helfen." Erleichtert atmete ich aus, da die Wut aus meiner Stimme verschwunden war und ich wieder ich schien. Doch nach ihrer Aussage verkrampfte ich mich schlagartig.
"Vor dir.", gestand sie kleinlaut. "Du... du bist ein Monster. Du hast den Wolf fast das Bein abgetrennt und verbluten lassen. Bitte, du darfst mir nichts tun." Die Wut stieg rasant. Etwas Fremdes machte sich in mir breit und schien von mir Besitz ergreifen zu wollen.
"Du bist meine Mate. Du kommst jetzt mit mir mit!" Das Knurren meiner Stimme jagte selbst mir Angst ein. Ich konnte es ihr nicht verübeln, als ich vorsprang und sie zurückwich. Im normalen Zustand hätte ich auch Zweifel gegen mein Gegenüber gehegt.
"Ich weiß. Aber bitte. Wenn du wirklich mein Mate bist, dann kannst du mir doch nichts antun." Innerlich fragte ich mich, wie ich ihr je etwas antun könnte. Ihr Wolf war wundervoll und ihre Stimme melodisch. Mehr als alles in der Welt wollte ich wissen, wie sie als Mensch aussieht. Um die Vorstellung zu vollenden.

Ich knurrte gefährlich auf. Das war nicht mein Wolf, der Kontrolle über mich genommen hat und ich war es auch nicht. Was auch immer es war, es war bedrohlich, angstmachend und gefährlich. Meine Wölfin sprang auf und rannte weg. Natürlich lief ich - oder was auch immer ich gerade war - ihr nach. Bei einem unbekannten kleinen See holte ich sie dann schließlich ein und stürzte mich auf sie.

Wir rollten bis zum Ufer des Sees und blieben da stehen. Erschöpft atmete sie unter mir aus.
"Mach nicht das Gleiche mit mir wie mit ihnen.", hörte ich ihre Stimme in meinem Kopf.
"Wie mit wem?", verwirrt betrachtete ich sie. Sie deutete zitternd mit der Schnauze in eine Richtung, in die ich mich fragend drehte und erstarrte. Mein Kopf hörte auf zu arbeiten.

Mama, Papa, Jonas, Timmy, Jason und Amy, Kira und Alex lagen tot auf dem Holzsteg neben uns. Alle hatten blutige Bisswunden und starrten ins Leere. Es waren sie, aber irgendwie waren sie es auch nicht. Sie hatten altertümliche Kleidung an und es hingen andere Gerüche an ihnen, als ich es von ihnen gewohnt war. Mit aufgerissenen Augen blickte ich wieder zu meiner Mate - nur lag nicht mehr sie unter mir,  sondern Linn. Ihre karamellfarbenen Augen bohrten sich ängstlich in meine, während ihre Haare große Locken aufwiesen und ihre Taille in einem Korsett gefangen schien.
"Ich weiß, dass du mich nicht willst, aber ich bitte dich, lass mich am Leben. Ich werde keinem sagen, dass du das warst.", weinte sie zitternd. Eine Hand vergrub sich krampfhaft in den Reifenrock, den sie trug.

Erschrocken wich ich weg. Das kann alles nicht wahr sein! Wie kann so etwas passieren?
Aus meinem Mund tropfte etwas auf den Boden und ich sah herunter, um Blut zu sehen.
Panisch und hektisch atmend wich ich allem aus. Das ist doch ein schlechter Traum! Meine Hinterpfote kam im Wasser an und ich zuckte unweigerlich zusammen.
Meim Spiegelbild jagte mir einen Schauer über den Rücken. Blutrote, hungrige Augen starrten mir entgegen.

ᴡᴇʀ ᴠᴏɴ ᴜɴꜱ ʜᴀᴛ ᴀɴɢꜱᴛ ᴠᴏʀ ᴅᴇᴍ ʙᴏ̈ꜱᴇɴ ᴡᴏʟғ? ✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt