|Chapter 9|

56 8 2
                                    

,,Wasch gusn da?" Das beinahe unverständliche Gerede brachte mich zurück zu Raphael, der sich noch immer mitten auf der Tanzfläche schwer auf mich stützte. ,,Nichts. Du bist hoffentlich nicht mit einem Auto hier?", rief ich zu ihm gebeugt, was mir rätselhafterweise die Röte in mein Gesicht trieb, weil sich unsere Gesichter ziemlich nahe waren.

Als ob du nicht merkst, wie er dich ansieht. Konnte es vielleicht doch sein... Nein! ,,Bin geflogn." Raphael grinste mich wie ein kleiner Grundschüler an, was mich zum Schmunzeln brachte. ,,Ich hoffe mal, dass das ein ,nein' ist, sonst musst du dein Auto morgen abholen."

Ich war froh, dass ich meine ganzen Sachen bei mir hatte, denn so musste ich nicht zuerst zur Lounge zurück die mir jetzt so weit entfernt wie der Mount Everest schien. Raphaels einen Arm legte ich um meine Schulter, um ihn zu stützen während ich uns durch die Massen bugsierte. Beim Laufen kam ich ziemlich ins Schwitzen und stolpern, sowohl von dem Muskelprotz den ich stützte, als auch wegen der Hitze hier mitten auf der Tanzfläche. Noch nie in meinem gesamten Leben war ich so froh gewesen einen Ausgang zu sehen, wie in dem Moment, als ich den Ausgang des Clubs erreichte.

Sobald wir ein paar Schritte an der frischen Luft auf den Parkplatz zuliefen, traf mich ein eiskalter Wind direkt in mein Gesicht und wehte durch meine Kleidung. Kurz fröstelte ich beim Laufen und sah zu Raphael, der in einer Art Halbschlaf zu sein schien. Meine Versuche ihn zu wecken scheiterten natürlich zu meinem Pech. Ich wusste nicht einmal, wo er wohnte! Und vor allem, was war mit Rick und Seraphina? Die beiden konnte ich auf keinen Fall hier alleine lassen.

Trotzdem lief ich mit Raphael weiter und kam kurz darauf an meinem Auto an. Mit großem Kraftaufwand setzte ich ihn auf den Beifahrerplatz und schnallte ihn an, bevor er noch womöglich nach vorne kippte und sich den Kopf am Armaturenbrett stieß. ,,Ein oder zwei Trainingsstunden weniger würden dir auch nicht schaden.", meinte ich außer Atem und spielte dabei mit Absicht auf die Muskelmassen an ihm an. Ich zog mein Handy aus der Jackentasche und rief Seraphina an. ,,Los, geh ran!", murmelte ich, während ich gleichzeitig zum Kofferraum lief und diesen öffnete. Der Eimer, der dort in der Ecke stand benutzte ich zwar eher zum Saubermachen des Wagens, jetzt würde er mir aber zum Sauberhalten dieses nützen.

,,Nyx? Alles okay?", rief Seraphina lachend in das Handy, durch die Lautstärke im Hintergrund hätte ich sie ansonsten auch gar nicht verstanden. ,,Ja, bei mir ist alles in Ordnung. Raphael dagegen ist mir wortwörtlich stockbesoffen in die Arme gefallen und ich kann euch nicht einfach hierlassen.", sagte ich und fühlte mich danach sofort schlecht, weil ich den beiden damit den Abend versaute.

,,Wir haben vorhin ein paar aus unserem Team getroffen und hatten eigentlich vorgehabt, dass wir alle zusammen feiern. Wir können mit denen fahren. Ist schon okay, Nyx. Aber wehe du erzählst mir morgen nicht jedes kleinste Detail." Dass sie die letzten Worte so neckisch sagte, machte mein schlechtes Gewissen wett. ,,Okay, aber passt auf euch auf und kein. Alkohol. am. Steuer. oder. davor."

,,Ja, Mami", kommentierte sie das und legte dann auf. Seufzend verdrehte ich meine Augen und legte auf, steckte mein Handy aber erst dann weg, nachdem ich dieses auf laut gestellt hatte. Falls etwas passieren sollte, was ich natürlich nicht hoffte. Ich schloss den Kofferraum und stellte den Eimer in den Fußraum zwischen Raphaels Beine. Sicher ist sicher.

Noch immer schlief Raphael tief und fest, weshalb ich sobald ich eingestiegen war entschied, dass er wohl die Nacht auf der Couch im Wohnzimmer schlafen würde. Während der Fahrt war es im Auto still. Ich erwischte mich ab und zu selber, wie ich sein Seitenprofil musterte. Doch irgendetwas kam mir seltsam vor. Wieso hatte er sich so betrunken? Niemals hätte ich das von ihm erwartet. Er wirkte sonst so vernünftig. Aber auch er war wie wir nur ein Jugendlicher, also konnte ich es ihm auch nicht übel nehmen.

Das Aussteigen und ihn in das Haus bringen stellte sich sogar als leichter als das hineintragen heraus, sodass ich nicht lange brauchte, bis ich zum Schluss eine Decke über ihn legte und den Eimer neben ihn stellte. Ich schaltete das Licht aus, bevor ich leise die Treppen rauf lief und mich auf mein Bett fallen ließ. Tief atmete ich ein und rümpfte meine Nase. Ich stank fürchterlich nach Alkohol, Schweiß und verbrannter Kleidung?

Gequält stand ich auf und gähnte erst, bevor ich das Licht anmachte und nach der Ursache dieses Geruchs suchte. Mit großen Augen und vor Schreck geweitetem Mund sah ich auf meine Arme. Das ist nicht wahr, das ist nicht wahr. Jetzt kehrte eine Erinnerung zurück, die ich scheinbar bis jetzt verdrängt hatte. Die wiederkehrende Hitze in meinen Armen, die glühenden Aderstränge. All das hatte ich bemerkt aber ignoriert und jetzt sah das dunkle Langarmshirt an mir so aus, als hätte ich mit einem Feuerzeug gespielt.

Zögernd und mit zusammengebissenen Zähnen zog ich einen Ärmel ein Stück nach oben, doch meine Haut sah dort völlig normal aus. Die Augen... konnte es was mit der Person zu tun haben? Davor war es zwar beinahe unerträglich heiß geworden, jedoch hatte es nicht meine Sachen angefackelt. Mit einem Mal sackten meine Beine weg und mir wurde schwarz vor meinen Augen, bevor ich überhaupt etwas tun konnte.

Ich versuchte, meine Augen zu öffnen. Alles um mich herum war in tiefe Dunkelheit getaucht und auch mein Versuch aufzustehen scheiterte, weil ich mich aus einem unerklärlichem Grund nicht bewegen konnte. ,,Du weißt es.", hörte ich eine Stimme klar sagen. Diese war schneidend kalt und duldete keinen Widerspruch. ,,Und du weißt, dass ich sie liebe!", rief eine andere Person verzweifelt und von irgendwoher kam mir diese Stimme bekannt vor. Aber egal wie sehr ich mich anstrengte, ich konnte mich nicht erinnern an wen. Ein Seufzen durchschnitt die Stille, das vermutlich von der ersten Person ausging. Ich versuchte mich weiter auf die Stimmen zu konzentrieren. ,,Solltest du in ihre Nähe kommen, werde ich dafür sorgen, dass sie verbannt wird, Bruder."

,,Teufelchen? Nyx, ist alles okay?" Blinzelnd und orientierungslos öffnete ich meine Augen und sah geradewegs in das Gesicht von Raphael. Er hatte sich über mich gebeugt und sah mich nun besorgt an. Was war das gewesen?

,,Ehm.. Eh ja.", nuschelte ich und schüttelte verständnislos über mich selber meinen Kopf. Er zog eine Augenbraue hoch, richtete sich aber dennoch auf, ich tat es ihm gleich. Leugnen, dass er in diesem Moment wirklich gut aussah, konnte ich nicht. ,,Ich wollte mich eigentlich nur dafür bedanken, dass du mich hier hast übernachten lassen und mich mitgenommen hast. Und dann hatte ich dich hier auf dem Boden liegen sehen. Ist wirklich alles in Ordnung?", fragte Raphael. ,,Klar, alles gut, ich.. bin nur aus dem Bett gefallen.", antwortete ich betont lässig. ,,Aus dem Bett? So weit?", fragte er skeptisch nach.

Tatsächlich stand das Bett etwa drei Meter weit weg von uns. ,,Ja, hab mich danach scheinbar etwas zur Seite gerollt." Um vom Thema abzulenken stand ich, als wäre nichts gewesen auf und grinste. ,,Frühstück?" Einen Moment lang sah er mich skeptisch an, bis er schließlich mit den Schultern zuckte. ,,Gerne."

Ich schloss die Tür und ließ mich daran hinuntersinken. Laut atmete ich aus und fuhr mir durch meine Haare. Das war wirklich knapp gewesen. Ich fühlte mich vollkommen ausgelaugt. Meine Finger gruben sich in meine Haare. Wie lange würde es dauern, bis irgendjemand davon etwas erfahren würde? Mehrere Minuten lang starrte ich einfach nur auf den Boden vor mir und dachte darüber nach.

Je mehr ich darüber nachdachte, desto verzwickter wurden meine Gedanken, weshalb ich mehr gequält als gewollt aufstand. In diesem Moment wurde ich natürlich angerufen, von Seraphina.

,,Ich will alles wissen!", begrüßte sie mich. Ich bemühte mich, mich nicht allzu erschöpft anzuhören. ,,Da gibt es nichts zu erzählen, Sera. Ich habe ihn auf die Couch verfrachtet und vorhin haben wir zusammen gefrühstückt, bevor er gegangen ist."

,,Mehr nicht? Ich meine, dass ich ihn bisher nicht sonderlich sympathisch finde ist klar, aber trotzdem!" Ein Schmunzeln breitete sich in meinem Gesicht aus, als ich die Treppen hoch schlenderte. ,,Nein mehr nicht.", wiederholte ich. ,,Ich weiß nichts über ihn und ich denke auch nicht, dass er Interesse an mir hat."

,,Wieso ist dieses Mädchen so?", hörte ich Seraphina murmeln. Bitte nicht noch so eine Diskussion. ,, Hör zu, ich gehe duschen, ich stinke immer noch nach Alkohol, wir sehen uns ja morgen in der Schule." Ohne etwas Weiteres zu sagen legte ich auf und warf mein Handy auf mein Bett.

Was interessieren einen viele Mädchen, wenn man nur eines möchte? Je länger ich an Raphaels Wort zurückdachte, desto seltsamer kam mir dieser Satz vor. Als würde ich etwas Entscheidendes wissen, aber könnte mich nicht daran erinnern.

Das wars' mit den vorgeschriebenen Kapiteln ;)

Devilish SaintsWhere stories live. Discover now