|Chapter 22|

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Weihnachten, Schnee und Familie. Wie viele Jahre müssen vergehen, bis diese drei Sachen die gleiche Bedeutung für mich haben würden, wie für alle anderen? Mit heißer Schokolade vor dem Kamin sitzen und Filme sehen, mit der Familie frühstücken und Grinsen wie ein kleines Kind.

,,Nyx, hörst du mir zu?" Ich blinzelte und sah statt all diesen schönen Dingen eines der Vogelhäuser vor mir. ,,Ja, Seraphina.", antwortete ich ihr durch das Handy und machte den Lautsprecher an, bevor ich es in meine Manteltasche fallen ließ. ,,Du weißt, dass du wieder zu uns kommen kannst?", fragte Seraphina vorsichtig.

Ich seufzte und füllte das Vogelhaus mit etwas Futter. ,,Ich war die letzten drei Jahre bei euch, Sera. Ich liebe deine Familie, aber das ist der Punkt.", erklärte ich und stiefelte durch den Schnee zu dem nächsten Vogelhaus. ,,Dieses Jahr bleibe ich hier und mache mir selbst ein schönes Weihnachten.", fügte ich hinzu.

Ein Vogel huschte direkt vor meinem Gesicht entlang und setzte sich auf meine Hand, bohrte dabei seine kleinen Krallen in meinen Handrücken. Aus seinen frechen Augen sah er mich an. ..Au!", flüsterte ich mit zusammengezogenen Augenbrauen und musterte den grauen Körper und das schwarze Gefieder auf seinem Kopf.

,,Bei unserer letzten Begegnung warst du aber freundlicher.", sagte ich und bot ihm meine andere Hand an, auf die er hüpfte und diesmal seine Krallen schonend einsetzte. ,,Mit wem redest du da?", fragte Seraphina verwirrt. ,,Mit einem kleinen Vogel, der mir gerade meine Hand zerkratzt hat." Ich füllte etwas Vogelfutter in das Vogelhaus und tat das Gleiche bei dem letzten, der kleine Vogel auf meiner linken Hand bewegte sich dabei kein Stück.

,,Und du bist dir wirklich sicher, dass du nicht zu uns kommen möchtest?" Diese Stimme gehörte nicht Seraphina, sondern ihrem Vater. ,,Ich danke dir vielmals für das Angebot, aber ich bin mir sicher.", antwortete ich. ,,Dann wünsche ich dir ein wunderschönes Weihnachten, Nyx."

Im Inneren war ich schlussendlich erleichtert. Nicht weil ich nicht dorthin wollte, aber der vielsagende Blick von Seraphina vor ein paar Tagen und die spitze Bemerkung 'Wir reden noch' ließ mich schlimmes ahnen. Und es war ihre Familie, die nicht darunter leiden sollte, dass meine keine Zeit für mich hatte.

,,Euch auch." Ich legte auf und betrachtete die Kratzer auf meiner Hand, die leicht brannten und danach den kleinen Vogel auf meiner anderen Hand. ,,Au.", wiederholte ich, diesmal lauter. Er stieß ein Piepsen aus, plusterte sein graues Gefieder auf und wirkte prächtig amüsiert.

,,Ab in die Luft mit dir.", sagte ich und mit Leichtigkeit stieß er sich von meiner Hand ab, flog in die Luft und sang lauthals. Manchmal wäre ich auch gerne so frei wie du. Schweren Herzens wandte ich meinen Blick ab und stiefelte zurück in das Haus.

Ich spüre mein Herz, wie es rhythmisch gegen meine Rippen schlägt, danach strebend in die Freiheit zu fliehen. Doch wohin flieht es schlussendlich? In den weiten Himmel und die unendlichen Weiten weg von dem Rest meines Körpers oder zu Jemandem, der die Narben unter der Oberfläche sieht und es ganz nah bei sich hält? Wem gehört unser Herz, wenn wir es von uns selbst befreien würden? (Die Manipulation der Engel, Kapitel 4)

Wie die letzten Male auch, landete mein Collegeblock auf dem Schreibtisch, ebenso der Kugelschreiber. Langsam ließ ich mich auf den Boden vor meinem Bett sinken. Ich schloss meine Augen und konzentrierte mich auf meine Hände. Im ersten Moment spürte ich nichts- nur die Kälte meiner Fingerspitzen.

Erst in zweiten Moment, als ich meine Augen zusammenkniff spürte ich die Hitze aufkeimen. Tief aus meinem Herzen heraus zog sich die glühende Hitze durch die Adern zu meinen Fingerspitzen, wieder zurück und hoch bis zu meinem Kinn und weiter. Die Kratzer von dem Vogel brannten noch mehr, wie spitze Steine. Es breitete sich aus. Erst an meiner Wange blieb es und ich drehte meine Handinnenfläche nach oben.

Vielleicht würde mich die Hitze eines Tages vollkommen einnehmen. Eine Flamme sprieß aus meiner Hand und ich beobachtete sie stumm. Das rot der Flamme erinnerte mich an Luzifers Auge. ,,Merry Christmas for me.", murmelte ich und verzog meinen Mund zu einem schiefen Lächeln. ,,Und Merry Christmas für jeden da draußen, dem es nicht anders geht." Ich schloss meine Hand und die Flamme erstickte wie mein sehnlicher Wunsch nach einer kleinen, glücklichen Familie.

In dem Moment in dem sich die Stille im Zimmer wie eine Flut ausbreitete, wurde sie auch gleich wieder unterbrochen. Etwas traf gegen das Fenster über meinem Bett. Es hätte genauso ein Tannenzapfen sein könne, weshalb ich dem Geschehen erst Beachtung schenkte, als es nicht aufhörte und sich wieder und wieder wiederholte.

Seufzend stand ich auf. Wenn das Seraphina war, würde ich sie eigenhändig zurück zu ihrer Familie schleifen. Und wie ich das würde. Doch im Dunkeln erkannte ich nicht die schwarzen schulterlangen Haare Seraphinas', die in dem Mondlicht glänzten, sondern wellige, haselnussbraune Haare, unter denen ein silbernes Auge und ein glutrotes Auge hervorblitzten. Ich öffnete das Fenster.

Er hielt Kieselsteine in der Hand, die er von der Auffahrt haben musste. Ich stützte mich auf dem Fensterrahmen ab und sah Luzifer unbeeindruckt an. Woher wusste er, wo ich wohnte? ,,Dürfte ich erfahren, woher du weißt, wo ich wohne?", fragte ich ihn und konnte mir gerade so ein Schmunzeln verkneifen. Wieso war er hier?

,,Es war jetzt an mir, auch etwas herauszufinden. Dein Name ist Nyx Cunningham, nicht wahr?" Es war zwar eine Frage, dennoch hörte es sich mehr wie eine Aussage an. Seine Stimme war tief und leicht rau, wie eine Melodie der Nacht. Und ich fragte mich, wie er das herausbekommen hatte. ,,Möglich.", antwortete ich. Luzifer legte seinen Kopf schief und sah zu mir hoch, was mich nun doch dazu brachte zu lächeln.

,,Lust auf einen abendlichen Spaziergang an Weihnachten?" Die Direktheit mit der er sprach, war ungewohnt, aber interessant, noch dazu von ihm. ,,Sehr gerne. Ich bin sofort unten." Ein Grinsen war die Antwort und ich schloss das Fenster. Ich zog mir meine Schuhe an, meinen Mantel und nahm mir meinen Schlüssel von der Kommode, bevor ich die Tür öffnete.

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