|Chapter 25|

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Jedes Wort kann wie eine liebliche Melodie in den Ohren klingen, wenngleich man den Dolch in der eigenen Brust sieht und das Blut rauschen spürt. Die letzten Wochen bin ich auf nichts anderes gestoßen, als auf Dinge, die mich verwirrt haben. Der Moment, in dem die Erzengel das Dorf betreten haben war auch der Moment, in dem sich mein Leben ändern sollte. Ich hatte keine Sekunde teil an dieser Entscheidung. Ich war nichts anderes als eine Spielfigur, die dabei war, das Feld zu verlassen. Ihre Aufgabe war es, das zu verhindern.

Eine Welle von Erinnerungen stürzte über mir ein. Tausende Bilder flogen durch meinen Kopf und hinterließen einen Schmerz, den ich nicht beschreiben konnte. Ein lauter Schrei erklang und ich verstand erst, dass er von mir kam, als Raphaels silberne Augen bis in meine Seele zu dringen schienen, während er einfach dort stehen blieb. Weitere Wellen stürzten über mir ein und rissen mich in eine tiefe Dunkelheit.

,,Ich liebe dich. Verstehst du?" Raphaels Stimme war weich wie Honig. Seine Hände auf den Schultern eines bildschönen Mädchens, welches ihn den Tränen nahe anlächelte. Seine Flügel strahlten so hell wie die Sonne, die auf die beiden schien. ,,Ich weiß. Ich liebe dich auch." Ich konnte die Verzweiflung spüren, die Angst und die Ungewissheit. Und über diesen Gefühlen ragte bedingungslose Liebe.

Schmerzlich wurde mir bewusst, wer das Mädchen war und wo wir uns befanden, denn sie hatte keine Flügel. Garten Eden in seiner vollsten Blüte, das Mädchen war Eva. Raphael wischte eine Träne von ihrer Wange und lächelte traurig.

Ich vernahm eine Bewegung, die die Beiden nicht zu bemerken schienen und entdeckte eine Person an einem riesigen hölzernen Tor. Um sie zu erkennen, musste ich zweimal hinsehen. Es war Luzifer- und er sah alles andere als überrascht, dafür umso enttäuschter aus. Seine silbernen, strahlenden Augen waren betrübt.

Alles verschwamm und als die Kulisse wieder klar wurde, stand ich neben Raphael, gegenüber von Luzifer. Hier oben, auf einer Klippe. Die Anspannung konnte ich ebenso wie die Verzweiflung spüren. ,,Du lässt mir keine andere Wahl!", rief Luzifer aus. Seine Flügel ausgebreitet in einer drohenden und verzweifelten Geste.

Raphael schwankte zurück, als hätte Luzifer ihn geschlagen. Schneeweiß wie seine Flügel, so wechselte auch seine Gesichtsfarbe zu einem bleichen Ton. ,,Das kannst du nicht tun!" Wieder verschwamm die Kulisse und wechselte sich mit einer mir nun Bekannten.

Garten Eden. Luzifer stand neben mir, sein Blick von Ausdruckslosigkeit gezeichnet, doch dahinter konnte ich den Unwillen selbst sehen. Er überreichte Eva den Apfel und mit einem einzigen Satz drehte er sich um und ging. ,,Lieber ich, als er." Eva sah mit verweinten Augen auf den Apfel und nickte. Ihr Blick glitt gen Himmel über ihr. ,,Oh, Raphael. Jeden Tag wünsche ich mir so sehr, ein Engel zu sein um an deiner Seite zu sein."

Alles verschwamm erneut. Diesmal flogen lediglich Fetzen durch meinen Kopf, die so schnell kamen, wie sie wieder verschwanden. Luzifers Verbannung, ein Kampf mit Raphael an der Front. Luzifer, der Raphael von zwei Engeln befreit und Raphael, der Luzifer sein Schwert in den Bauch rammt. Schreie, das Klirren von Schwertern und donnernde Wolken.

Den Aufprall von Luzifer spürte ich wie an meinem eigenen Leib, als etwas Seltsames geschah. Alles distanzierte sich plötzlich von Luzifer. Die Gefühle und der Schmerz, die dabei durch meinen Körper strömen, scheinen mich zerreißen zu wollen.

Mit aller Kraft riss ich meine Augen auf und atmete stoßweise ein und aus. Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wo ich mich befand oder wie spät es war. Das einzige, was ich mit Sicherheit wusste, war, dass Raphael etwas damit zu tun haben musste. Das missfiel mir zum jetzigen Zeitpunkt mehr, als ich jemals gedacht hatte. Nur langsam wurde meine Atmung ruhiger und gleichmäßiger, zur selben Zeit gewöhnten sich meine Augen an die Dunkelheit.

Mein Kopf pochte und ich wollte mit den Händen meine Schläfen berühren, als ich merkte, dass ich das nicht konnte. Und dann begann mein Verstand zu realisieren, dass er mich hier gefangen hielt. Es war nicht Luzifer, der der Böse war. Luzifer hatte versucht, Raphael zu schützen! Die Engel durften keinen Kontakt zu den ersten Menschen haben und doch hat sich Raphael in Eva verliebt.

Metallschnallen umschlossen fest meine Handgelenke, die mit Ketten an der Wand oder Decke befestigt sein mussten. Meine Fingerspitzen fühlten sich taub an, was mich nicht überraschte. ,,Ich hätte auf sie hören sollen.", murmelte ich. Seraphina hatte recht gehabt. Und ich Dummkopf wollte es nicht einsehen. Verdammt, sie hat mich gewarnt! Luzifer auch.

Mein Blick glitt entschlossen durch den Raum. Keine Zeit zum Trübsal blasen, ich musste hier raus. Doch die Entschlossenheit verwandelte sich schnell in unsinnige Hoffnung, denn außer kahlem, kalten Beton und mir war nichts in dem kleinen Raum.

Ich versuchte, Feuer in meinen Händen aufflammen zu lassen, doch nichts geschah. Ich versuchte all meine Wut auf Raphael zu lenken, doch nichts. Nicht eine einzige Reaktion meines Körpers. Die Ketten rasselten, als ich frustriert an ihnen zog, jedoch nichts erreichte, als mich etwas hochzustemmen. Ich wollte die Ketten am liebsten zersprengen, wenn das möglich wäre, war es aber nicht. Nicht für mich.

Also blieb mir nichts anderes, als zu warten und meinem eigenen Herzschlag zu horchen. Ein spöttisches Lächeln schlich sich auf mein Gesicht, als ich daran dachte, wo ich eigentlich hätte sein sollen. Prickelnden Champagner trinken und in einem wunderschönen Kleid den Gästen beim reden zuhören schien mir meilenweit entfernt- so, wie es vermutlich auch war.

Ich atmete aus, ballte meine nun tauben Hände zu Fäusten, schloss meine Augen und wartete.

Devilish SaintsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt