pov. Elisabeth:

Courfeyrac bemerkte, wie ich bei der Erwähnung Enjolras' zusammenzuckte. Darum fragt er neugierig: "Du und Enjolras... was ist das zwischen euch eigentlich?" "Was sollte da schon sein? Vielleicht hast du es nicht bemerkt, aber er kann mich nicht sonderlich leiden", erwidere ich. Er sieht mich mit hochgezogener Augenbraue an. "Nein", sagt er, "ich habe allerdings bemerkt, dass du irgendwas in ihm ausgelöst hast... so etwas wie Gefühle, glaube ich. Vorher hatte er die nämlich nicht. Das erste Mal hat er Gefühle gezeigt nachdem er wegen dir seine Rede nicht mehr finden konnte. Ab da war er manchmal ein komplett anderer. Ich würde sagen, dass du ihn ziemlich verwirrst."

"Ich soll ihn verwirren? Das ist doch ganz offensichtlich anders herum. An einem Tag ist er nett zu mir, am anderen hasst er mich, dann küsst er mich und danach ignoriert er mich. Als wäre das nicht genug, hat er mich gestern zum Abschied umarmt und gesagt, dass ich ihm wichtig bin!", rutscht es mir heraus. "Das ist doch toll", meint Courfeyrac begeistert. Ich sehe ihn verständnislos an.

"Selbst wenn ich meine Gefühle für ihn, die ich nicht habe, zulasse und er diese, warum auch immer, erwidern würde... Was würde das ändern? Wir beide, Courf, du und ich werden heiraten und dann kommen die Barrikaden. Dort werdet ihr wahrscheinlich alle sterben und was dann?", frage ich.

"Vielleicht... könnt ihr trotzdem zusammen glücklich werden... und du weißt doch gar nicht, ob wir sterben werden. Vielleicht schaffen wir es zu überleben und etwas in diesem Land zu verändern! Dann hätten du und Enjolras eine Chance auf eine gemeinsame Zukunft", sagt er, scheinbar von seinen Worten selbst überzeugt. Er und die Studenten glauben wirklich, dass sie einen Aufstand anzetteln und vielleicht sogar überleben können. Ich bin jedoch nicht so optimistisch.

"Trotzdem sind wir jetzt verlobt", entgegne ich. "Wir müssen heiraten! Was sollen wir unseren Familien erzählen? Mein Großvater würde es ganz und gar nicht gutheißen, wenn ich mich dazu entscheiden würde nicht dich sondern Enjolras zu heiraten. Außerdem weißt du nicht, was unser werter Anführer in rot dazu sagen wird."

Er nickt verstehend und wechselt das Thema. "Was willst du morgen machen? Wie dein Großvater es dir befohlen hat? Dich von Marius und den Les Amis de l'ABC verabschieden und uns dann nie wieder sehen", fragt er. Ich überlege kurz, dann sage ich schulterzuckend: "Was bleibt mir schon anderes übrig? Ich darf das Haus nur mit dir oder Großvater verlassen..."

Er sieht mich grinsend an. Es dauert eine Weile bis ich verstehe worauf er hinaus will. "Nein", sage ich, "ganz bestimmt nicht! Wir können nicht jeden Tag heimlich ins Café gehen. Das wäre viel zu riskant. Auch wenn es eine Möglichkeit wäre..." Courfeyrac hebt die Hände und erwidert: "Es muss ja nicht jeden Tag sein, aber jeden zweiten vielleicht? Außerdem sollen wir uns doch besser kennenlernen. Wir spielen einfach die Verliebten!"

Langsam fange ich an seinen Plan zu mögen. Ich könnte weiterhin meine Freunde treffen, ohne dass irgendwer davon erfährt. "Was hättest du davon?", möchte ich wissen. Es muss doch einen Haken an dieser Sache geben! Doch Courf zuckt mit den Schultern. "Wir alle haben uns an deine Anwesenheit gewöhnt und jeder würden dich vermissen... So können sie mir nicht Ohren vollheulen, weil nur ich dich sehen darf", meint er belustigt.

Ausnahmsweise lasse ich das kommentarlos stehen und umarme ihn einfach nur. Dann nuschele ich ein 'Danke' in sein Ohr. Wir bleiben noch eine Weile sitzen und reden über Belanglosigkeiten. Ich traue mich nämlich nicht weiter über die Revolution zu reden. Denn, wer weiß schon, wer uns vielleicht belauscht? Es wäre einfach zu riskant.

Als der kühle Abendwind zu wehen anfängt, gehen wir wieder zu unseren Familien in den Ballsaal. "Wie schön zu sehen, dass ihr euch so gut versteht", sagt Courfeyracs Mutter lächelnd als sie uns sieht. Ich habe das Gefühl, dass sie sich wirklich aufrichtig für ihren Sohn freut. Mir läuft eine Träne die Wange hinunter. Würde meine Mutter sich genauso für mich freuen, wie Courfs Mutter sich für ihn?

"Habe ich etwas falsches gesagt?", fragt sie mich besorgt. Ich schüttle lächelnd den Kopf und antworte: "Nein, ich musste soeben an meine Mutter denken. Sie ging viel zu früh von uns... Ich habe mich gefragt, was sie jetzt sagen würde." Sie lächelt mich mitfühlend an und meine Tante wirft schroff in den Raum, dass sie aber nicht hier sei. Als ob ich das nicht selbst wüsste. Jedoch versuche ich mich an ihre Regeln zu erinnern und wechsle das Thema.

"Wird es eine Verlobungsfeier geben?", frage ich. Mein Großvater fängt an zu lachen und sagt: "Das hier ist eure Verlobungsfeier!" "Oh", ist alles was ich herausbekomme. "Und gibt es schon einen Termin für die Hochzeit?", fragt nun Courfeyrac. Diesmal ist es sein Vater, der antwortet. "Wir haben gedacht, dass ein Tag im Juni geeignet wäre. Das genaue Datum steht noch nicht fest", erklärt er. Juni schon... in nur einer Woche könnte ich schon mit Courfeyrac verheiratet sein. "Warum so früh schon?", möchte ich daher wissen. Ich bekomme einen vernichtenden Blick meiner Tante als sie sagt: "Je schneller desto besser."

Natürlich. Je schneller wir verheiratet sind, desto schneller ist unsere Ehre wiederhergestellt. Hat diese Frau auch nur einmal an mich gedacht in den letzten Jahren? Früher oder später hätte ich sowieso heiraten müssen, aber mir den Kontakt zu Marius verbieten, nur weil er ihrer Ansicht nach einen falschen Weg gewählt hat? Das geht mir zu weit, doch ich muss mich beherrschen. Wenigstens kenne ich meinen Verlobten gut genug, um zu wissen, dass er kein grausamer Rüpel ist. Amias de Courfeyrac. Ich kann es immer noch nicht glauben. Um die Ehre meiner Familie, die durch meinen Revolutionärsbruder, beschmutzt wurde wiederherzustellen, soll ich einen Revolutionär heiraten. Nicht zu vergessen, dass er der beste Freund meines Bruders ist. Welch Ironie!

Als der Abend sich dem Ende neigt, verabschieden wir uns von den Courfeyracs. Doch Courf zieht mich noch einmal zur Seite und flüstert mir etwas ins Ohr. "Morgen um 10 bei Marius' Wohnung. Wir treffen uns ganz zufällig dort und machen dann einen Spaziergang. Wo es hingeht, muss ja niemand erfahren." Dann sagt er laut, sodass auch unsere Familien uns hören können: "Es war mir eine Freude heute mit Ihnen tanzen zu dürfen, Mademoiselle Elisabeth."

Nachdem alle Gäste gegangen sind, sagt Großvater abschätzig: "Dieser Amias... der ist mir nicht geheuer. Wie er dich angesehen hat!" "Ich weiß wirklich nicht, was du an ihm auszusetzen hast", sage ich. "Wir haben uns prächtig amüsiert." Meine Tante schnaubt verächtlich. "Ein Mann mit guten Manieren hat keine Geheimnisse und er hat welche", meint sie. Sie weiß bescheid, denke ich, aber dann fügt sie hinzu, dass das Tuscheln unhöflich war. "Er hat mir nur gesagt, dass er sich auf ein Wiedersehen freut", lüge ich. "Warum", fragt sie, "Hat er das dann nicht laut gesagt?" Ich zucke mit den Schultern und verabschiede mich, um endlich in mein gemütliches Bett fallen zu können.

Ich höre noch, wie mein Großvater sich darüber beschwert, dass Courf, beziehungsweise Amias, nach unserem Tanz einfach mit mir in den Garten gegangen ist. Ich kann nur belustigt die Augen verdrehen. Wie soll man sich denn sonst kennenlernen? Tanzen und Schweigen für die Ewigkeit? Draußen hatten wir wenigstens unsere Ruhe.

In meinem Zimmer angekommen, ziehe ich mein Ballkleid aus und öffne meine Haare, die mir jetzt wieder in roten Locken über die Schultern fallen. Dann gehe ich ins Bett und falle direkt in einen ruhigen Schlaf. Das erste Mal seit Tagen, dass ich sofort einschlafe. Sonst hatte ich immer so viele Probleme und Ängste, die mich beschäftigten. Doch mit diesem Abend und Courfeyrac sind diese um einiges geschrumpft.

 Jetzt bin ich bereit für den nächsten Morgen, da ich weiß, dass sich alles bessern wird. Zumindest für den Moment. Bis zu den Aufständen vielleicht. Was mit den Barrikaden kommt, weiß ich nicht. Woher auch? Keiner weiß, was dann passiert. Vielleicht können wir mit dem Funken, der von uns ausgeht, ein Feuer entfachen und endlich in einem besseren und gerechteren Frankreich leben. Dass das nur Wunschdenken ist, weiß ich, aber es würde zu sehr schmerzen, wenn das Gegenteil passieren würde; keine Überlebenden. Alle Revolutionäre tot.

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Ich weiß, es ist nicht überarbeitet und heute ist Freitag und nicht Donnerstag... Also... iwie hat mir die Zeit gefehlt das Kapi zu überarbeiten, deswegen entschuldige ich mich für Rechtschreib-, Grammatik- und andere Fehler. Außerdem wollte Wattpad gestern nichts hochladen 🤷

Egal. Jetzt ist es da und ihr könnt es lesen.

LG Lina.

Elisabeth Helóise Pontmercy (Les Mis FF)Where stories live. Discover now