pov. Elisabeth:

„Willst du ihn öffnen? Du musst nicht. Ich kann dir auch sagen, was darin steht", sagt Lola ruhig. „Nein, ich möchte ihn lesen. Doch bevor ich das tue, musst du mir eine Frage beantworten"; meine ich leicht lächelnd. „Was läuft zwischen euch beiden?" Lola errötet leicht im Gesicht und Jean kratzt sich verlegen am Hinterkopf. „Ich wusste doch, dass da etwas zwischen euch ist", sage ich erfreut und Lolas Gesicht nimmt nun einen dunkleren Rotton an.

Ich hatte mitbekommen, wie sie sich gegenseitig Briefe schrieben und bei ihrer ersten Begegnung... Sagen wir einfach, dass ihre Blicke alles gesagt haben. Deswegen war ich mir sicher, dass zwischen den Beiden etwas laufen würde.

Jean gibt mir wortlos zu verstehen, dass zwischen den Beiden nichts als Freundschaft ist. "Schade. Ihr wärt ein schönes Paar. Dann also zum Brief zurück", meine ich nun etwas ernster und sehe den Briefumschlag in meiner Hand an.

Dann öffne ich ihn mit zitternden Fingern und sehe in blauer Tinte die geschnörkelte Handschrift meiner Tante. Ich beginne zu lesen:

„Liebe Elisabeth,

Dein Großvater hat mir erzählt, dass er dich neulich bei Lamarques Haus mit diesem Enjolras bei einer revolutionären Versammlung gesehen hat. Wir dachten du wärst bei Jean Prouvaire und hättest nichts mit der 'Revolution' zu tun. Anscheinend haben wir uns geirrt, aber keine Sorge. Du darfst zunächst bei Marius oder Monsieur Prouvaire bleiben. Jedoch gibt es eine Voraussetzung;

In zwei Tagen wird ein Ball stattfinden. Wir schicken dir morgen Nachmittag eine Kutsche zu Marius' Wohnung. Du wirst in diese einsteigen und zurück zu uns nach Hause fahren. Dann werden wir uns ein schönes Kleid für dich aussuchen. Schließlich musst du gut aussehen für das kommende Ereignis!

Am Samstag gehst du dann zu dem Ball. All unsere Freunde und Verwandten werden kommen. Denn es wird ein besonderer Tag für dich. Dein Großvater hat mit meiner Hilfe den perfekten Ehemann für dich gefunden."

Ich höre auf zu lesen und starre Lola entsetzt an. „Sie wollen, dass ich heirate? Jetzt schon? Ich kann doch nicht...und woher wissen sie, wo Marius und ich wohnen?", meine ich verzweifelt. Sie sagt schuldbewusst: „Ich glaube sie haben ihre Augen fast überall..." „Sie spionieren uns aus?", unterbreche ich sie schrill. Lola zuckt mit den Schultern und sagt: „Das ist nur eine Vermutung, aber du wirst wohl heiraten müssen. Auch wenn es dir nicht gefällt."

Tränen kommen aus meinen Augen und Jean nimmt mich in die Arme, um mich zu beruhigen. „Du bist die mutigste und stärkste Person, die ich kenne. Wenn jemand einen Fremden heiraten kann, dann du. Außerdem kannst du ihm immer noch das Leben zur Hölle machen", sagt er zuversichtlich. Wir lösen uns voneinander und ich gehe wieder zur Tür des Hinterzimmers. Wenigstens war der letzte Satz etwas tröstend. Trotzdem bin ich so in Gedanken, dass ich weder mitbekomme, dass Jean mir nicht folgt noch, dass ich oben von den Les Amis ausgefragt werde.

Ich setze mich einfach stumm auf die Fensterbank und sehe den Brief an. Marius kommt zu mir und fragt mich etwas. Da ich nicht mitbekommen habe, was er mich gefragt hat, gebe ich ihm einfach den Brief. Er liest ihn durch und als er endet, sieht er mich besorgt an. „Du musst das nicht tun, Elisabeth", sagt er. Ich schüttle meinen Kopf und erwidere: „Doch, es ist meine Pflicht." „Das ist egal. Wir können von hier fliehen und...", beginnt er. „Was würde das bringen?", unterbreche ich ihn. „Ich kann nicht vor meinem Leben fliehen. Ich muss es akzeptieren. Genau wie du."

Marius gibt mir den Brief zurück und geht dann zu dem Rest der Gruppe.

Jetzt wissen meine Freunde, dass ich übermorgen meinen zukünftigen Ehemann kennenlernen werde. Sie sehen mich entsetzt an und ich meine einen Augenblick in Enjolras Augen so etwas wie Schmerz zu sehen. Jedoch ist dieser Augenblick so schnell verflogen, dass ich mir nicht einmal sicher bin, ob das nur Einbildung war oder nicht. Jetzt sieht er mich gleichgültig an. Nur Einbildung rede ich mir ein. Warum sollte es ihn auch kümmern wen ich heirate?

„Hoffentlich sind wir zu deiner Hochzeit eingeladen", witzelt Grantaire. Ich muss lächeln. Es wäre schön, wenn ich die Les Amis de l'abc einladen könnte. „Ich werde sehen, was ich machen kann. Sie können mir schließlich nicht verbieten meine Freunde einzuladen", erwidere ich. Jedoch weiß ich, dass sie mir sehr wohl verbieten können die Studentengruppe einzuladen. Wenn mein Verlobter es nicht tut, wird es mein Großvater mit Sicherheit.

„Wir haben Besseres zu tun, als zu einer Hochzeit zu gehen", sagt Enjolras genervt. „Du musst ja nicht kommen", antworte ich bissig. „Wahrscheinlich hätte ich dich sowieso nicht eingeladen." Er sieht mich mit zusammengekniffenen Augen an und erwidert: „Schön, es interessiert mich auch nicht auf deine Hochzeit zu gehen."
„Dann komm nicht."
„Hatte ich nicht vor."
„Dann ist ja gut. Du würdest nur die Stimmung in den Keller ziehen."

Wir werfen uns vernichtende Blicke zu und die angespannte Stimmung im Raum wird von Courfeyrac unterbrochen, der gerade die Treppe hochkommt und fragt: „Was ist denn hier los?" Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass er die ganze Zeit gefehlt hatte. Den Anderen geht es anscheinend genauso, denn alle sehen ihn verwundert an. Sogar unser Anführer in rot.

„Wo warst du?", fragt Joly statt ihm zu antworten. Besagter sieht ihn verständnislos an und erwidert: „Ich musste heute noch etwas wichtiges erledigen. Ich dachte, dass ich das erwähnt hatte. Könnte mir jetzt bitte jemand sagen, was hier passiert ist?" Jetzt wenden sich alle Blicke erwartungsvoll zu mir. „Ich werde morgen nach Hause zu meinem Großvater und meiner Tante gehen, um am Samstag einen Ball zu besuchen, wo ich meinen zukünftigen Ehemann kennenlerne", erkläre ich schnell. Courfeyrac sieht mich geschockt an.

„Das tut mir sehr leid", sagt er. Ich schüttle mit dem Kopf und sage traurig: „Es musste so kommen. Es war nur eine Frage der Zeit bis mein Großvater mir einen Ehemann gefunden hat." Mit den Worten wende ich mich ab und gehe zurück zu 'meiner' Fensterbank und setze mich.

An diesem Abend sprach keiner mehr von dem Brief, dem kommenden Ereignis im Haus meines Großvaters oder dem Mann, der über meine Zukunft entscheiden würde. Es ging einzig allein um einen Aufstand, der hoffentlich noch weit in der Zukunft lag. Ich war sehr dankbar dafür, dass keiner den Brief erwähnte. Denn in meinem Kopf schwirren jetzt mehr als eine Sorge herum, um die ich mir Gedanken mache. Zu viele Probleme für die ich eine Lösung brauche.

Doch bei einer Sache bin ich mir sicher. Ich will diesen Mann nicht heiraten. Egal wie nett er auch sein mag. Er ist nicht er. Er ist nicht Enjolras. Was das angeht bin ich mir jetzt mehr als nur sicher. Ich hatte mich in den Anführer der Les Amis verliebt.
Trotzdem bleibt mir nichts anderes übrig, als diesen fremden Mann zu heiraten. Wahrscheinlich ist das auch besser so.

Enjolras empfindet sehr wahrscheinlich nichts für mich und würde mir das Herz mit diesem Geständnis brechen. Falls das Gegenteil der Fall war- woran ich nicht zu hoffen wagte- dann würde unsere gemeinsame Zukunft ebenfalls in Trauer ändern. Es sei denn... Nein, er würde seine Pläne für die Revolution nicht fallen lassen. Nicht für mich zumindest. Außerdem weiß ich nicht einmal, ob er etwas anderes als Marius' kleine nervige Schwester in mir sieht.

Ich müsste, was das angeht, auf jeden Fall noch einmal mit ihm reden. Doch nicht jetzt. Nach dem Ball vielleicht oder doch besser nie. Wenn Éponine wüsste, was ich gerade denke, würde sie mich auf den Arm schlagen und mich dazu zwingen mit ihm zu reden. Damit ich glücklich werde oder zumindest mit der Sache abschließen kann.

Ob ich will oder nicht. Die imaginäre 'Ponine in meinem Kopf hat recht. Früher oder später wird er es sowieso erfahren. Warum dann nicht gleich? Doch ich werde trotzdem bis nach dem Ball warten.

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ir immer würde ich mich sehr  über euer Feedback freuen. Und Fragen!!!!!

LG und bleibt gesund 😉
Lina

Elisabeth Helóise Pontmercy (Les Mis FF)Unde poveștirile trăiesc. Descoperă acum