48.

19 3 3
                                    

pov. Enjolras:

Ich weiß nicht wie lange ich jetzt schon auf unserer Barrikade stehe und Ausschau halte. Vielleicht eine Stunde, eher länger. Mehrmals sind Courfeyrac und Combferre, auch Joly einmal, zu mir gekommen, um mich abzulösen. Gefühlte hundert Mal habe ich sie wieder weggeschickt, weil ich meine Position einfach nicht verlassen kann. Diese Aufgabe scheint mir zu wichtig, als dass ich jemand anderen damit beauftragen könnte. Schließlich hängt all unser Leben daran.

Wenn ich die Soldaten gleich kommen sehe, haben wir etwas mehr Vorbereitungszeit als wenn wir sie zuerst hören und kurz darauf schon attackiert werden. Zumindest hoffe ich dies.

Aus dem Augenwinkel sehe ich jemanden auf mich zukommen. Bestimmt wieder Courf oder 'Ferre... "Ihr braucht mich nicht abzulösen. Ich kann die Stellung halten", sage ich darum. Doch als ich mich umdrehe, steht weder der eine noch der andere vor mir. Es ist einer der jungen Männer vom Platz. Derjenige, der mit diesem François hierher kam.

"Enjolras...", sagt er mit zu hoher Stimme und räuspert sich sofort, um das zu überspielen. Wie bei François auch, habe ich das Gefühl ihn irgendwoher zu kennen. Doch mir will einfach nicht einfallen woher. Was mir jedoch nicht entgeht, ist das seltsame Verhalten der beiden. Als würden sie etwas verbergen...

"Kennen wir uns?", frage ich ruhig und werfe ab und zu ein Auge auf die Straße vor mir. Für den Fall, dass doch etwas oder jemand dort auftauchen sollte. Der Mann räuspert sich abermals und entgegnet: "Ja... Wir kennen uns. Doch wundern tut es mich nicht, dass du mich nicht erkennst. Schließlich... sehe ich etwas anders aus als sonst..." Jetzt richte ich doch meine ganze Aufmerksamkeit auf die Person vor mir und mustere ihn eingehend. Ja, ich kenne ihn, da bin ich mir sicher. Er beißt sich auf die Lippe, als wäre er nicht sicher, ob er mir sagen soll wer er ist.

Dann fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Dieses merkwürdige Verhalten, die hohe Stimmlage, die Anstrengung, um nicht aufzufallen und die Kleidung, die merkwürdig an der kleinen, dünnen Statur scheint. Es steht kein junger Mann vor mir, sondern eine junge Frau und... Nein, sie kann es nicht sein. Darf es einfach nicht sein. Sie sollte Zuhause sein, eine Tasse Tee trinken oder Klavier spielen, statt sich an diesem schrecklichen Ort zu befinden. Doch sie ist es, das weiß ich.

"Elisabeth...", hauche ich verwirrt und reiße mich schnell wieder zusammen, da ich keine Schwäche zeigen sollte. Was mir jedoch eher schlecht als recht gelingen will. "Was machst du hier?" Tränen sammeln sich in ihren wunderschönen grünen Augen und sie presst die Lippen aufeinander, bevor sie zu einer Erklärung ansetzt. "Ich weiß, dass ich nicht hier sein sollte", sagt sie, "aber ich konnte nicht bei Großvater bleiben. Meine Sorge um dich... und die anderen war einfach zu groß! Also beschlossen Éponine und ich uns zu verkleiden und uns euch anzuschließen." Bei François lag ich scheinbar auch richtig. Ich kenne ihn, jedoch unter einem anderen Namen und Auftreten. "Ich..." Sie schluchzt auf. "Ich kann euch nicht alleine kämpfen lassen. Ihr seid meine Familie. Und du... Wir sind verlobt, Enjolras! Dachtest du wirklich ich könnte dich... meinen Verlobten... einfach zum Sterben hierher schicken?" Ihre Stimme bricht und sie hält sich die Hand vor den Mund, schluchzend.

Sie will noch etwas sagen, doch ich komme ihr zuvor. "Nein", flüstere ich, "es war mir fast schon bewusst, dass du nicht auf mich hören würdest. Und... ich verstehe es." Ich nehme ihre Hand vom Gesicht, um ihr die Tränen weg zu wischen. Ich kann sie einfach nicht leiden sehen. Dann nehme ich sie in den Arm und ein wohliges Kribbeln breitet sich in mir aus. "Ich bin froh dich hier zu haben. Bei mir", fahre ich fort. "Denn... ich habe mir auch Sorgen um dich gemacht." "Wirklich?", fragt 'Lis leicht lächelnd und löst sich ein Stück von mir, sodass sie mir ins Gesicht sehen kann. "Wirklich", erwidere ich und küsse sie.

Wie gern ich in diesem Moment verharren würde. Mit ihr in meinen Armen. Ihren Lippen auf meinen. Scheinbar sorglos. Doch es geht nicht. Wir sind mitten in einem Aufstand und jederzeit könnte etwas schreckliches passieren, was unser Leben schneller beenden könnte, als uns lieb ist. Also löse ich mich widerwillig von Elisabeth und sehe wieder auf die Straße. Ein alter Mann kommt auf uns zu.

Ich nehme mein Gewehr in die Hand, richte es auf ihn und schlage Alarm. Sofort kommen Joly und Elisabeth zu mir und sehen ebenfalls auf die Straße. Dann erkenne ich die Korkade an seiner Brust, in den Farben der französischen Republik - rot, weiß, blau. "Hört zu, meine Freunde", ruft er uns zu, "Ich habe getan, was ich versprach. Ich war in ihren Reihen, habe jeden Mann gezählt. Ich werde erzählen, was ich kann!" Erst jetzt lasse ich das Gewehr sinken und höre ihm interessiert zu. Seine Auskunft könnte uns zum Sieg verhelfen!

"Nehmt euch in Acht, sie haben Armeen zu entbehren und die Gefahr ist groß. Wir werden all unsere List brauchen, um sie zu besiegen", fährt er fort. Ich verlasse meine Deckung, indem ich aufstehe und ihn zu uns winke. "Hab Vertrauen", sage ich. "Wenn du weißt, was ihre Bewegungen sind, werden wir ihr Spiel verderben. Es gibt Wege wie ein Volk kämpfen kann. Wir werden ihre Macht überwinden." Ich lege all das Vertrauen in meine Worte, was ich aufbringen kann - was nicht gerade schwer ist. Schließlich kann dieser Mann unsere Chancen deutlich erhöhen.

Unser Spion, dessen Namen wir noch immer nicht kennen, steht jetzt in unserer Mitte und fährt seinen Bericht fort: "Ich habe ihre Pläne belauscht. Heute Nacht wird es keinen Angriff geben. Sie beabsichtigen, euch auszuhungern, bevor sie einen richtigen Kampf beginnen und schlagen uns, wenn es hell ist." Meine Hoffnung, die ich zu Beginn seines Auftretens verspürt habe, ebbt langsam ab als ich seine Wort höre. Heute werden sie uns vielleicht nicht attackieren, aber dann, wenn wir am schwächsten sind. Keine guten Aussichten.

Gerade, als er mit seinem Bericht endet, ertönt Gavroches Stimme. "Lügner", ruft er aus. "Guten Abend, lieber Inspektor. Schönen Abend, mein Lieber. Ich kenne diesen Mann, meine Freunde! Sein Name ist Inspektor Javert. Also glaubt kein Wort, das er sagt, denn nichts ist wahr. Dies zeigt nur, was kleine Leute können!" So wäre die Namensfrage geklärt. Ein Inspektor ist er also und somit alles andere als vertrauenswürdig. Und diese Information haben wir dem cleveren Gavroche zu verdanken. "Bravo, kleiner Gavroche. Du bist der Klassenbeste", sagt Courfeyrac und scheint somit dasselbe gedacht zu haben.

Die Les Amis de l'abc richten alle ihre Gewehre auf den Inspektor und Jean fragt verächtlich, was wir jetzt mit ihm machen sollen. Ich brauche gar nicht lange über eine Antwort nachzudenken, da es meiner Meinung nach nur eine richtige Lösung für unser Problem gibt. "Nimmt diesen Mann und werft ihn in die Taverne dort", meine ich und zeige auf ein Gebäude rechts gegenüber des Musains. "Das Volk wird über Ihr Schicksal entscheiden, Inspektor Javert."

"Erschieß mich jetzt oder erschieß mich später", sagt er wütend als Courfeyrac und Grantaire ihn packen. "Jeder Schuljunge zu seinem Spaß. Tod für jeden von euch und jeden Verräter! Ich verzichte auf deinen Volksgerichtshof!" "Wir werden weiterhin nach vorne blicken", ruft Marius ihm spöttisch hinterher als er fort geschliffen wird. Javert wehrt sich und schafft es, sich von den beiden Männern loszureißen, um mich im Gesicht zu schlagen und dann nach einer Art Schlagstock zu greifen. Mit diesem geht er auf uns los und ein kleines Geringe entsteht, bestehend aus Jean, Courfeyrac, Combferre und mir - Grantaire wurde vom guten Inspektor leider kampfunfähig gemacht. Wir schaffen es, ihn wieder an den Armen zu packen und meine Faust trifft so hart sein Gesicht, dass er umfällt und ohnmächtig wird.

Weitere Zeit, um uns mit ihm zu beschäftigen, bleibt nicht, da Schritte zu hören sind. Sie schallen gleichmäßig zu uns, als würde eine Armee marschieren. Und wahrscheinlich ist es auch so. Denn es ist mehr als wahrscheinlich, dass Inspektor Javert unseren Standort und unsere Lage verraten hat und somit eine Armee zum Angriff hierher geschickt wurde.

Das ist also unser erster Angriff. Und ich konnte niemanden vorwarnen, da ich meine Stellung nicht halten konnte. Jetzt können wir nur hoffen, dass dies nicht unser letzter Kampf sein wird.

~-~-~-~-~-~ 1376 Wörter ~-~-~-~-~-~

Ahhhh... wir wissen, was jetzt passiert. Aber die Geschichte ist noch lange nicht vorbei! Schade eigentlich, dann könnte ich mir das Leiden beim Schreiben sparen....

Egal, ich hoffe das Kapi hat euch gefallen, auch wenn es etwas kürzer war. Denkt daran zu voten und zu kommentieren!

LG Lina ^^

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 22, 2021 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Elisabeth Helóise Pontmercy (Les Mis FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt