Chapter 25

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Liam POV

Verschlafen öffne ich meine Augen und brauche erstmal ein paar Sekunden, bis ich verstanden habe, dass ich immernoch im Auto liege, oder sitze und darauf warte, dass etwas passiert. Langsam steige ich aus dem Auto aus und strecke mich. Mir tut alles weh. Nicht nur mein schmerzender Rücken, sondern auch innerlich schmerzt alles. Ich kann doch nicht einfach hier rumstehen und warten, während da drinnen wer weiß was mit Niall passiert. Leider gibt es wirklich keinen Weg, ihn zu retten. Mit der Polizei vielleicht, aber ich habe immer noch keinen Empfang und ich würde es niemals wagen wieder so weit aus dem Wald rauszufahren, bis ich wieder telefonieren kann. Meine Füße tragen mich ein paar Meter abseits von meinem Auto in den Wald, denn so langsam muss ich mich wirklich erleichtern.

Plötzlich heult hinter mir ein Motor auf. Ich drehe meinen Kopf herum, sodass ich das Geschehen mitverfolgen kann. Dort sehe ich, wie etwas in ein Auto gestopft wird und dann die Tür von einem kräftigen Mann zugeschlagen wird. Es war sicher eine menschliche Gestalt. Niall.Ein Anderer sitzt auf dem Fahrersitz und lässt nun die Reifen quietschen, als er circa dreißig Meter an mir vorbeirauscht. So schnell ich kann, sprinte ich meine Hose festhaltend zum Auto. Ich werfe mich auf meinen leider immer noch runtergklappten Sitz und versuche ihn irgendwie in Rekordzeit wieder in Sitzposition zu bringen. Nachdem das erledigt ist, schmeiße ich den Motor an und mache mich auf die nächste Verfolgungsjagd. Ich folge dem schwarzen Auto aus dem Wald hinaus und über viele Landstraßen.

Nach circa einer halben Stunde Fahrt hält das Auto vor mir auf einmal an. Wir sind mitten zwischen zwei Feldern und keine Menschenseele lässt sich blicken. Der andere Fahrer muss mich schon lange bemerkt haben, doch er hat nichts gegen mich unternommen.

Auf einmal schwingt die Beifahrertür auf  und jemand wird herausgeschubst.

Es ist Niall.

Blitzschnell schnalle ich mich ab und steige aus, während das andere Auto mit quietschenden Reifen vollgas gibt und davon rauscht. Ich renne auf Niall zu, der einfach nur da steht und sich umschaut. Heiße Trännen rinnen meine Wangen herunter und ich bin einfach nur heilfroh, dass ich ihn wieder habe. Vollkommen erleichtert drücke ich ihn in einer festen Umarmung so nah an mich, wie möglich. Ich bemerke ein paar Wunden an Nacken und Kopf. Wahrscheinlich hat er noch mehr davon am ganzen Körper.

Ich möchte ihn nie wieder verlieren. Eigentlich müsste er sich jetzt in meinen Armen entspannen und mich zurück umarmen, doch das tut er nicht.

"Niall? Was ist los? Lass uns nach Hause fahren und deine Wunden sauber machen. Richtig nach Hause. Ich halte es hier in Irland nicht mehr aus.", flüstere ich in sein Katzenohr.

"Wer bist du?"

Die Frage hallt in meinem Kopf wieder, während ich ihn erschrocken mit weit aufgerissenen Augen anstarre.

"Kennst du mich nicht? Ich bin Liam. Dein Freund. Ich liebe dich und du mich eigentlich auch."

Jetzt weiten sich auch seine Augen und erschrocken fängt er an seinen Kopf zu schütteln.

"Willst du mir grade sagen, dass ich schwul bin? Ich kenne dich noch nicht mal. Wieso sollten wir zusammen sein? Wieso sollten wir überhaupt etwas miteinander zu tun haben?"

Er kennt mich nicht? Was ist mit unseren gemeinsamen Stunden, die wir verbracht haben? Erinnert er sich nicht? Wurde seine Erinnerung schon wieder gelöscht? Müssen wir wieder bei Null anfangen? Das muss ein schlimmer Albtraum sein. Auf jeden Fall fühlt es sich so an.

"Niall, an was kannst du dich erinnern?"

"Wie meinst du das? Und wieso sollte ich einem Fremden erzählen, was ich weiß?"

"Ich bin kein Fremder. Woher sollte ich wissen, dass du einen Katzenschwanz und Katzenohren hast, Niall Horan heißt, einen besten Freund namens Harry hast und 18 Jahre alt bist, wenn ich ein Fremder wäre?"

"Das weiß ich auch noch nicht. Allerdings habe ich keinen besten Freund namens Harry."

"Wie heißt er dann?"

"Wer?"

"Dein bester Freund?"

"Hab ich nicht."

Okay, dass ist jetzt mehr als komisch. Vielleicht sollte ich ihm Harry zeigen? Vielleicht erinnert er sich dann wieder, so wie beim letzten mal?

"Weißt du wie deine Mutter und dein Vater hießen?"

"Ich habe keine Eltern und ich hatte nie welche."

"Wie willst du dann geboren worden sein, wenn du niemals Eltern hattest? Man kann Eltern haben, die nicht für einen da sind, aber biologisch hat doch jeder Eltern."

"Stimmt schon, aber ich weiß nichts von meinen Eltern. Keine Erinnerungen."

"Okay. Aber sonst weißt du alles oder? Du weißt, was ein Topf, Geschäfte, oder die Liebe ist, oder?"

"Natürlich weiß ich das. Ich bin nicht blöd, nur weil ich nicht weiß, wer meine Eltern sind."

Langsam wird mir bewusst, dass wir wieder ganz von vorne anfangen müssen. Er kennt mich nicht. Wir haben keine Beziehung mehr. Ich will ihn wieder haben. Nur dieses Mal ist er nicht von mir abhängig. Er könnte eigentlich einfach gehen. Ich muss ihn dazu bringen, dass er wieder mit mir wohnt und selbst dann wird nichts so sein, wie früher. Er wird nicht in meinem Bett schlafen. Er wird wahrscheinlich keine Angst vor der bösen Dusche haben, vor der ich ihn dann beschützen muss. Vielleicht wird er sogar angeekelt von mir sein, weil ich schwul bin und auf ihn stehe? Vielleicht ist er Homophob? Was für ein Albtraum. Ich hoffe nur, dass er immer noch derselbe Niall ist.

"Möchtest du vielleicht mit mir fahren, damit du deine Wunden verarzten kannst?", frage ich vorsichtig nach und habe schon beim Aussprechen der Frage Angst vor der Antwort.

"So schlimm ist es nicht. Danke trotzdem. War schön dich kennengelernt zu haben, Liam.", sagt er relativ selbstbewusst und mit dieser formellen Höflichkeit in der Stimme, die man nur bei fremden Leuten anwendet und die mir Tränen in die Augen treibt. Schnell dreht er sich um und fängt an loszulaufen. Besser gesagt er versucht es. Er steht sehr schief da und bei seinem ersten Schritt schreit er auf. Danach schlägt er sich die Hand auf den Mund, doch das ändert auch nichts mehr an seinem spitzen Schrei.

Schnell mache ich einen Schritt auf ihn zu: "Ich fahre dich jetzt nach Hause. Egal, was du sagst. Du musst dich ausruhen und der Marsch zur nächsten Stadt wäre zu lang für dich. Steig ins Auto, wir fahren."

Ich warte auf eine Reaktion seinerseits, die auch nicht lange auf sich warten lässt. Er dreht sich um und schaut mir direkt in die Augen. Seine sind etwas wässrig und genau das zeigt mir, dass der alte Niall und sein süßer, verletzlicher Charakter noch in ihm stecken. Es muss sich einfach lohnen, um ihn zu kämpfen. Ich liebe ihn zu sehr, um ihn kampflos gehen zu lassen.

"Tut mir leid, wenn meine Worte zu hart waren. Soll ich dich zum Auto tragen?"

Etwas schüchtern guckt er zu Boden und nickt dann leicht. Ganz vorsichtig nehme ich ihn hoch und trage ihn zu meinem Auto, wo ich ihn auf den Beifahrersitz setze. Mit ihm neben mir fahre ich glücklich mit kleinem Zwischenstopp am Hotel, um unsere Sachen mitzunehmen, nach Hause.

Reset My MindOù les histoires vivent. Découvrez maintenant