Chapter 6

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Ich bewege mich langsam auf das Bett zu, um ihn nicht zu erschrecken und mache die Nachttischlampe an.

Mit einem Ruck sieht er auf. Seine Augen sind rot, total verheult und er scheint mich gar nicht wahrzunehmen. Sein Blick ist leer und es sieht aus, als würde er durch mich hindurch gucken.


Ich setze mich auf die Bettkante und schaue ihn weiter an. Seine Hände zittern. Nein, er zittert am ganzen Körper. Seine blauen Augen fixieren mich, aber auch irgendwie wieder nicht. Er scheint immer noch geradewegs durch mich hindurch zu sehen. Ich lasse meine Hand in seine Richtung über die Bettdecke gleiten. Meine Hand legt sich langsam auf seine. Vielleicht kann ich ihn damit beruhigen. Unter der Berührung zuckt er zusammen, doch scheint sie gar nicht weiter wahr zu nehmen. Er ist wie in Trance. In seiner eigenen Welt.


Ich streiche ihm sanft über seine Hand, doch er zeigt keine Reaktion. Seine Lippen beben, aus seinen Augen kullert eine Träne nach der Anderen und sein Atem geht schnell und flach.


Was soll ich nur tun? Leider bin ich kein Therapeut oder Psychologe, dann wüsste ich bestimmt, was ich tun kann. Irgendwie muss ich diesen Schockzustand auflösen. Alleine scheint er es nicht zu schaffen. Hilft vielleicht reden? Berühren oder ihm etwas zu zeigen bringt wahrscheinlich gar nichts, denn seine Augen sind so leer wie Wasser in einem dunklen See, oder wie bei Menschen, die alles verloren haben, was er ja auch irgendwie hat.

Aber ich will für ihn da sein. Er braucht mich jetzt wahrscheinlich mehr, als sonst irgendjemand.


"Erzähl mir was passiert ist. Egal was es war, es ist jetzt vorbei. Ich bin jetzt da. Ich helfe dir. Keine Angst, ich tue dir nichts.", spreche ich leise auf ihn ein und lasse meine Hand weiter über seine Zittrige streichen.


"B-blut", sagt Niall ganz, ganz leise, sodass es kaum verständlich ist. Äußerlich verändert er sich gar nicht, aber wenigstens hat er mir gezeigt, dass er ansprechbar ist. Das erleichtert mich ein wenig.


"Sch-schmerz", kommt das nächste geflüsterte Wort über seine Lippen.

"D-dunkel, kalt". Die Wörter kommen jetzt immer schneller aus seinem Mund. Seine Augen und Ohren zucken schnell hin und her und er zittert immer stärker. Seine leisen, kleinen Worte sind so voller Emotionen, dass mir ein kalter Schauer über den Rücken läuft. Ich habe mal gehört, dass es hilft, über seine Probleme zu reden, aber bei ihm scheint es das genaue Gegenteil zu bewirken. Was hat er so Schlimmes erlebt, dass er davon in seinen Träumen heimgesucht wird und danach so eine Panik hat?


"B-blut, Schmerz, d-dunkel, kalt", wiederholt er die Wörter. Wie soll ich ihn da bloß rausholen?


"Niall, hör mir zu. Das war nur ein Traum. Beruhig dich. Atme tief. Schau mich an.", sage ich ihm mit ruhiger Stimme, doch die Wörter scheinen ihn immer noch nicht wirklich zu erreichen. Er atmet immer noch genau so schnell und flach wie vorher, die Tränen stehen ihm in den Augen und er blickt panisch hin und her.


Es muss doch einen Weg geben, ihn zu erreichen, ihn zu beruhigen. Ich lege meine Hand vorsichtig unter sein Kinn und drehe seinen Kopf leicht zu mir. Nicht ruckartig, sondern so sanft wie möglich. Doch er schaut mich nicht an. Seine Augen hören nicht auf wild zu jedem Punkt im Zimmer zu zucken, auch zu mir, aber er nimmt mich nicht wahr.

Reset My MindWhere stories live. Discover now