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Zwei Tage später wurde das Interview in dem Magazin gezeigt. Stolz präsentiere ich meinen Eltern beim Frühstück die Doppelseite, auf der ein großes Bild von mir und Charlotte abgebildet ist.

„Beeindruckend" gibt mein Vater von sich, der nur kurz aufblickt und dann den Blick direkt wieder auf sein Handy richtet. Meine Mutter setzt sich mit aufrechter Haltung neben mich und reißt mir das Magazin aus den Händen.
Konzentriert liest sie die beiden Seiten, wobei sie immer wieder Bewertungen wie „Geniale Antwort" oder „Da hättest du dich besser verhalten können" von sich gibt. Letzteres überwiegt in diesem Fall.
„Was sagst du?" frage ich meine Mutter mit großen Augen nach ihrer endgültigen Meinung, nachdem sie fertiggelesen hat. Ich bin sehr zufrieden mit mir und finde, für mein erstes Interview kann ich auf meine Leistungen sehr stolz sein.
„Ich weiß nicht was ich davon halten soll. Ein Interview zu zweit ist doch lächerlich. Und schau dir doch nur deine Haare da an." Sie zeigt abfällig auf das Bild und verzieht ihr Gesicht.

"Was stimmt mit meinen Haaren nicht?"

Meine Mutter rümpft die Nase. "Du hättest sie ruhig schöner stylen können." Damit scheint das Thema für sie abgeschlossen zu sein, denn sie zieht den Laptop zu sich und beginnt zu tippen.

Ich blicke zu Boden, trinke meinen Kaffee aus und laufe schnell in mein Zimmer zurück. Mit meiner Hand streiche ich mir über die Augen, um sicherzugehen, dass keine Tränen kommen. Kann sie nicht einmal zufrieden mit mir sein oder wie eine normale Mutter stolz auf mich?
Und ist es wirklich zu viel verlangt, dass mein Vater etwas mehr Interesse zeigt?

Bevor ich diese Gedankengänge fortsetzen kann, sagt mir ein Blick auf die Uhr, dass ich spät dran bin. Ich mache mich provisorisch fertig, wobei ich auf jegliches Make-Up verzichte und verlasse kurze Zeit später das Haus. So bin ich schon lange nicht mehr rausgegangen, aber es fühlt sich befreiend an, nicht auf sein Outfit zu achten. Ich beschließe, die öffentlichen Verkehrsmittel zu nehmen, weil ich jetzt nicht auf die Hilfe meiner Eltern angewiesen sein möchte. Nicht nachdem Szenario eben in der Küche. Auch wenn ich jetzt schon weiß, dass meine Eltern sehr wütend sein werden, dass ich ihnen von dem Shooting heute nichts mitgeteilt habe.

Ich setze meine Kopfhörer auf, öffne auf Spotify meine Playlist und laufe entspannt durch die Straßen Richtung Bahnhof. Dort angekommen löse ich Tickets, setzt mich in den Zug und fahre zu meinem heutigen Shooting. Nach ein paar kurzen Gehminuten stehe ich endlich vor der Halle, packe meine Kopfhörer wieder ein und blicke noch schnell meine Nachrichten durch, wobei ich die meiner Mutter absichtlich ignoriere.

Ich war noch nie zu spät, egal um was es sich gehandelt hat. Ich hasse nichts mehr als Unpünktlichkeit. 

Etwas nervös betrete ich die Halle, in der Hoffnung, niemand würde an mir meckern. Natürlich schadet es meinem Image, dass ich 20 Minuten zu spät aufkreuze, ebenso wie ich den Plan meines heutigen Arbeitgebers durcheinanderbringe. Eigentlich kann ich mir ziemlich sicher sein, dass er mich nie wieder buchen wird. Aber das ist mir gerade egal. Ich ziehe die Tür auf und stolpere direkt gegen eine Person. Als ich bemerke, dass es Harry ist, weiche ich schnell zurück. Toll, der Tag kann nur ein Reinfall werden, wenn ich schon wieder mit Charlotte shooten muss. Aber diesmal überzeuge ich jeden von meinem können.

Harry mustert mich skeptisch, etwas verwirrt. „Wie siehst du denn aus?" Seine rechte Augenbraue wandert nach oben.

Ich verdrehe die Augen, ich bin ihm keine Erklärung schuldig.

„Eilmeldung: Ashley läuft mit Jogginghose, zerknittertem Shirt und einem chaotischen Zopf herum. Und wenn ich richtig sehe, ist sie nicht mal geschminkt." Witzelt er. Genervt starre ich ihn an, darum bemüht, mein Grinsen zu verbergen.
„Weitere Eilmeldung: Ashley ist tatsächlich sprachlos." Sein grinsen wird größer.

Plötzlich kam er in das Leben eines TopmodelsWhere stories live. Discover now