Als wäre ein Magnetismus freigesetzt worden, bricht das Band von Yarrows Kette und der Mondstein schießt, wie der Hammer Thors, direkt auf Aenon zu. Stein prallt auf Stein und die beiden Teile verbinden sich zu einer Einheit, die Aenon ein übertriebenes Lächeln ins Gesicht zaubert.

Es ist unnötig, Chantara und Yarrow zu erklären, was dies zu bedeuten hat. Jeder Schwarm ist im Besitz von genau einem einzigen Mondstein. Dieser wertvolle Schatz wird seit Anbeginn der Zeit, von Anführer zu Anführer, innerhalb eines Schwarms gewissenhaft weitergereicht. Nie zuvor, hat es jemand gewagt, dieser Regelung den Kampf anzusagen.

Bis heute.

Aenon hat mit der Errungenschaft des schwarmfremden Steins nicht nur den Ehrenkodex, der unter den Allianzen seit jeher herrscht, gebrochen, sondern er hat damit zusätzlich seine Kraft verdoppelt. Er bricht in ohrenbetäubendes Gelächter aus. „Wer sich mit mir anlegen will, der muss mehr zu bieten haben, als ein paar armselige, leere Worte", feiert er seinen Sieg und schwimmt davon, schneller und kraftvoller, als es jemals einem Meermann möglich gewesen ist.

Schock und Entsetzen stehen in den Gesichtern von Chantara und Yarrow geschrieben. Aenons Handeln lässt sie sprachlos zurück. Sie benötigen einen Moment, bis ihnen die Tragweite dessen bewusst wird, was eben geschehen ist. Nicht nur, dass sie behilflich dabei gewesen sind, ein Monster zu erschaffen, zudem haben sie eine Lawine gravierender Folgen losgetreten, die ihnen erst nach und nach ins Bewusstsein rücken.

„Ohne den Mondstein wirst du deinen Weg in den Norden nicht in Angriff nehmen können", bricht Chantara als Erste das belastende Schweigen. Bewusst blendet sie die schwerlastenderen Punkte aus. Sie ist nicht bereit, diese an die Oberfläche dringen zu lassen.

Yarrow hat weniger Probleme damit, die Dinge unverhüllt auszusprechen. „Ohne den Mondstein werden wir bald überhaupt nichts mehr in Angriff nehmen. Wenn wir uns nicht zurückverwandeln können, dann werden wir an Land qualvoll verenden. Wir brauchen die Kraft des Wassers, um uns am Leben zu halten."

Chantara wäre es lieber gewesen, dass er seine deutlichen Worte für sich behalten hätte. Durch das Aussprechen ist es zu etwas Realem geworden, etwas, das sie nicht länger verdrängen kann. „Ohne den Mondstein wird es mir auch nicht gelingen, Owen sein Gedächtnis zurückzugeben", haucht sie schmerzlich. Bitter wird ihr bewusst, dass es für alle Beteiligten besser gewesen wäre, wenn ihr Yarrow nicht zur Hilfe gekommen wäre, sondern sie dem Sog überlassen hätte.

•••

„Wo bist du so lange gewesen?", empfängt Ida ihren Freund Myles mit einem Vorwurf. „Ich habe dich neun Mal angerufen!"

„Warum sitzt du hier draußen?", antwortet Myles mit einer Gegenfrage. Ihm erschließt sich nicht, warum sie vor Owens Haustür sitzt, anstatt ihn nicht aus den Augen zu lassen, wie es abgemacht war.

„Wenn du an dein bescheuertes Handy gegangen wärst, dann wüsstest du, dass Owen mich rausgeworfen hat", klärt Ida auf.

„Was genau hast du getan, dass er sich dazu veranlasst fühlte?", will Myles mit einem verschmitzten Lächeln wissen.

„Du schiebst mir den schwarzen Peter zu?", fragt Ida fassungslos.

„Nun, du bist es, die hier sitzt", antwortet er kaltschnäuzig.

„Und du bist ein riesengroßer Idiot!", lässt sie ihren Emotionen freien Lauf. „Owen ist der Annahme, dass ich eine verrückte Stalkerin bin, die es auf ihn abgesehen hat. Ida, seine beste Freundin, ist nun ebenfalls komplett aus seiner Erinnerung verschwunden."

„Ach, du Scheiße!", ist alles, was Myles dazu einfällt.

„Ganz genau!", bestätigt Ida.

„Er hat dich nicht erkannt?", kann er es einfach nicht fassen.

drOWNingWhere stories live. Discover now