Realität

16 1 0
                                    

„Es war ein Ausrutscher. Das hätte nie passieren dürfen, hörst du?" schreie ich mittlerweile schon und fahre mir durch die Haare. „Scheisse Harry." ich bin kurz davor die Krise zu kriegen. „Sag doch was." flüstere ich und setze mich auf die Couch.

„Cataleya." flüstert auch Harry und setzt sich zu mir. „Wir können jetzt natürlich beide ausrasten und- oder nein, noch besser, wir setzen uns an den Esstisch und trinken einen Kaffee während wir über die Sache hier reden, oder-." er macht eine kurze Pause und schaut auf seine Hand. „Wir fahren ins Krankenhaus und ein Arzt schaut sich die Scheisse hier an, was sagst du?." fragt er und erst jetzt wird mir klar, wie dumm ich eigentlich bin. Sofort springe ich auf die Beine und nehme seine Autoschlüssel.

„Fahren wir endlich." sage ich und mache die Wohnungstür auf. „Es war eine dumme Idee von mir, den ‚Knife-Game' zu spielen."

„Ich bin selbst schuld." sagt Harry während er versucht die Blutung zu stoppen. „Ich habe dir schließlich meine Hand anvertraut. Ich dachte einfach, dass das okay wäre, denn schließlich bist du meine beste Freundin seitdem ich denken kann." böse schaue ich ihn an und merke wie sich sein Mundwinkel nach oben zieht.

„Mach mal halblang." sage ich genervt. „Ist ja nicht so, dass ich dir die Hand abgeschnitten habe, penner." Harry zwickt mich in den Oberarm und ich schlage seine Hand weg. „Deine Freundin wird mich sicher umbringen, wenn sie davon erfährt." wir steigen in das Auto und ich starte den Motor. „Gut das ich weder den Zeige- noch Mittelfinger erwischt habe, denn die wird sie eher brauchen."

„Cataleya?" fragt Harry leise und ich sehe ihn fragend an. „Meine Freundin war mit uns im selben Raum als das passiert ist." oh. Stimmt. Das hatte ich ganz vergessen.

„Ups, vergessen." sage ich und will losfahren, doch Harry bringt das Auto zum stoppen. Er steigt aus, macht eine halbe Runde ums Auto und öffnet meine Tür.

„Ich fahre. Ich will nicht das du uns betrunken rumfährst." genervt sehe ich ihn an. Ich bin nicht betrunken, verdammt nochmal. Da ich keine Lust auf eine weitere Diskussion habe, setze ich mich rüber. Die Fahrt verläuft ganz ruhig, denn weder Harry noch ich reden viel.

„Wie ist denn das passiert?" fragt der Arzt und mustert Harry's Hand.

„Sie wollte unbedingt ein Spiel spielen." sagt Harry und grinst. „Sie hat etwas im Internet gesehen und wollte es unbedingt ausprobieren. Sie wollte mir ihre sadistische Seite zeigen." er setzt sich aufrecht hin und sieht dem Arzt direkt in die Augen. „Ich selbst war auch neugierig. Wissen Sie, diese 0815 Positionen und dieser Standard Sex wird nach einer Zeit langweilig, also dachten wir uns-"

„Die Wunde muss genäht werden." unterbricht ihn der Arzt.

"Ew." sage ich und verziehe das Gesicht.

„Sei lieber still. Das ist deine Schuld." Harry legt sich hin und der Arzt beginnt seine Wunde zu säubern und zu desinfizieren.

„Darf ich helfen?" frage ich den Arzt und er hebt eine Augenbrauen.

„Studieren Sie Medizin?" fragt er während er Harry eine Spritze gibt.

„Naja, nicht ganz. Aber nähen kann ich. Ich habe damals immer Kleider für meine Puppen genäht und die waren ziemlich gut." er lacht und schüttelt den Kopf.

„Sie haben eine interessante Freundin." Freundin. Wenn er nur wüsste. Harry nickt nur und sieht zu mir.

„Sie hat so einiges drauf." er lächelt mich an und ich wende meinen Blick wieder auf seine Hand. Der Schnitt ist genau zwischen seinem Daumen und Zeigefinger. Das muss echt brennen. Doch Harry verzieht kein einiges mal das Gesicht.

„Es tut mir wirklich leid." sage ich als wir uns ins Auto setzen. Obwohl seine Hand erst genäht wurde, setzt er sich trotzdem ans Steuer. „Lass mich fahren."

Harry legt seine Hand auf meine und drückt sie. „Es ist alles okay. Ich werde daran nicht sterben und außerdem ist es halb so wild." er lächelt mich an und startet den Motor. „Und fahren darfst du auch nicht." Seine Hand liegt immer noch auf meiner. Dann streicht er mit dem Daumen über sie.

„Sei dir nicht so sicher." sage ich leise und schaue aus dem Fenster.

„Was meinst du?" ich sehe wieder zu ihm und versuche ernst zu bleiben.

„Es kann alles passieren. Stell dir vor zwischen deinem Daumen und Zeigefinger bildet sich Eiter. Die Ärzte sagen man muss die Hand amputieren, doch als es soweit ist und die Hand ab ist, kommen sie drauf, dass das Eiter schon im ganzen Körper ist. Dann gibt es kei-„

„Sei still, Cataleya." er nimmt seine Hand von meiner und hält mir den Mund zu. Ich lache und nehme seine Hand von meinem Mund.

„Ich wollte dich nur auf das schlimmste vorbereiten."

Ich spiele mit seiner Hand und merke, wie er ab und zu unsere Hände mustert. Als bei der roten Ampel stehen bleibt, verschränkt er unsere Finger miteinander. Er fährt weiter und streicht wieder mit dem Daumen über meinen Handrücken. Daran könnte ich mich gewöhnen.

Wir steigen aus dem Wagen und wieder hält Harry meine Hand. Gemeinsam gehen wir zu den Fahrstühlen und fahren dann hinauf. Er nimmt seinen Schlüssel heraus und öffnet die Tür. Bevor wir reingehen, lasse ich seine Hand los und sehe auf den Boden. Willkommen zurück in die Realität.

Für immer? Vielleicht!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt