Fiasko

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Helena, Friedemann, Annie und die zwei Lausbuben haben sich in einen Fahrstuhl gezwängt. Es hätte natürlich ausgereicht, würde nur einer der Erwachsenen den Jungen im Fahrstuhl auf dem Weg nach unten begleiten. Allerdings war Friedemann nicht sonderlich wohl dabei, die Frauen mit den kleinen Halunken allein zu lassen, auch wenn die Waffe angeblich nur zum Bluffen nützt. Gleichzeitig wollte Annie weder Helena noch Friedemann und schon gar nicht sich selbst mit den Jungen allein lassen und Helena war eigentlich jede Option einerlei.

Inzwischen hat sie in ihrem Umgang mit den Möchtegern-Bankräubern einen völlig anderen Tonfall angeschlagen. Wo sie vorhin noch darauf aus war, ihnen die Ohren lang zu ziehen, so macht sie jetzt auf lockere Konversation.

"Wie heißt ihr zwei Schurken eigentlich?" fragt sie über das leise Surren des Fahrstuhls hinweg.

"Tobias." sagt der Junge mit dem rostroten Haar.
"Enis." sagt der andere Junge, der eindeutig sein bestes gibt, den Blickkontakt mit den Erwachsenen zu vermeiden.
"Und wie kommt ihr auf die Idee mit dem Banküberfall?" fragt Annie und hat die Arme vor der Brust verschränkt.
"Das würde ich auch gerne wissen." kommt es von Friedemann.

Enis schaut betreten auf seine Hände, deshalb übernimmt Tobias das Wort. Zum ersten Mal in dieser Nacht, legt er seinen zornigen Tonfall ab.
"Darf ich Ihnen gegenüber ganz ehrlich sein?" fragt er höflich und Helena bestätigt, amüsiert von seiner Ausdrucksweise, dass er das dürfe.
"Also, es ist so." beginnt Tobias konzentriert. "Wir leben in demselben Mehrfamilienhaus am Stadtrand und das im Prinzip schon seit Anbeginn der Zeit. Unsere Alten dachten, es wär klug die Verwaltung der Wohnungen in die Hände von nem Typen zu legen, der auf ner Bank arbeitet."

"Da sollte man denken, so einer weiß wie man mit Kohle umgeht." murmelt Enis verächtlich.
"Ist ja auch verständlich, dass man da ein gewisses Vertrauen an den Tag legt." erwidert Tobias. "Nur wies sich das als Täuschung heraus."
"Bestohlen hat er uns! Gelinkt!" flucht Enis erzürnt.
"Wir haben von unseren Eltern gehört, dass sich der Typ an den Konten der Wohnungseigentümerschaften bedient hat und dann hat er bis zu neuntausend Euro einkassiert." übersetzt Tobias den Ausbruch seines Freundes.
"Der Vertrag ist inzwischen gekündigt, aber die Kohle ist halt trotzdem weg."

Betretenes Schweigen macht sich bei den Erwachsenen breit. Das ist schon wahnsinnig viel Geld.
Annie wirft Friedemann einen argwöhnischen Blick zu. "Wusstest du davon?"
Friedemann hebt empört die Hände. "Was ich? Wie denn? Ich hab keine Ahnung, was diese Finanzberater so treiben, das geht mich nichts an."

"Genzig heißt er mit Nachnamen. Glaube ich." meldet sich Tobias wieder zu Wort und Helena ist, als habe sie in dieser Sekunde ein krasser Geistesblitz ereilt, doch beim weiteren Nachdenken war es dann doch nur das hochstimmige Ding! des Fahrstuhls, der inzwischen unten angekommen ist und seine Türen öffnet. Trotzdem ist Helena etwas klar geworden.
"Ich weiß, wer das ist." sagt sie und merkt erst dann, dass sie das laut gesagt hat.
Bei dem gefragten Finanzberater handelt es sich um Justin Genzig.
Er war einer der Männer, die an der Mauer zur Realschule gestanden und Johanna jegliches Gefühl von Sicherheit beraubt hatten. Er hat sie an dem Abend fast erkannt.
Er und Pascal haben sich gehasst bis auf den Tod. Wortwörtlich.

"Der war schon in der Schule ein Dreckskerl." meint Annie verärgert. "Ich glaub's euch gleich."
"Das könnte einen riesen Skandal geben, wenn das ans Licht kommt." überlegt Friedemann.

Als sie endlich nach draußen gelangen, stürmt ihnen schon Annika entgegen. Sie wirft sich Friedemann mit Schwung um den Hals und bringt sie damit beide ins Taumeln und Helena befürchtet schon, sie würden als Zugabe beide gleichzeitig in Ohnmacht fallen.
"Ach, dir geht's gut! Ich bin so froh, dass es dir gut geht!" nuschelt Annika überglücklich in Friedemanns Schulter hinein und sie stolpert fast über ihre eigenen Worte. "Ich hatte so Angst um dich, aber Gott sei Dank, dir geht's gut!"
Friedemann sagt nichts und wirft Helena einen überforderten Blick zu. Seine Lippen formen den Satz: Was macht sie denn hier?

Dass ihr mir bloß nichts versprecht [Roman]Where stories live. Discover now