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Kaum hatten wir uns an den Stammtisch von meinen Pflegeeltern und den anderen beiden Irren gesetzt, kam auch schon Diego in unsere Richtung. Als er mich jedoch registrierte, zwinkerte er mir zu und drehte sich wieder um. Ähm okay... seltsamer Typ!

Die anderen Vier waren so in ihre Gespräche vertieft, dass sie ihn gar nicht bemerkt hatten. Erschöpft stütze ich meinen Kopf auf meiner Handfläche ab und schloss meine Augen.

Mir war immer noch übel. Vielleicht könnte ich mich hier auf den Tisch übergeben. Das würde definitiv dafür sorgen, dass weder Chrisi, noch George, noch einer der Morettis mich mögen würden. Allerdings kannte auch ich Grenzen, das wäre ziemlich widerlich.

Eine raue Stimme riss mich aus meinen Gedanken und ließ mich meine Augen öffnen. „Buona serata!" Beinahe unmittelbar neben mir stand Noah. Mit typischer Kellnerschürze, Notizblock und charmantem Lächeln. Ach danke, Diego!

„Noah, meine Güte, bist du schon wieder gewachsen? Jedes Mal, wenn ich dich sehe, bist du noch ein Stück größer und muskulöser geworden.", plappert Christina vor sich hin. Beth steigt kurz darauf in das tantenhafte Geschleime mit ein: „Ein hübscher, junger Mann ist aus dir geworden."

Ich hatte gehofft, es würde Noah peinlich sein, sich so etwas anzuhören und er würde schnell verschwinden, allerdings schien er diesen Egopush zu genießen. Mit den beiden Männern schlug er mit breitem Grinsen ein. Dann fragte er: „Was kann ich euch heute Abend servieren?" Während Scott und George anscheinend immer dieselbe Pizza aßen, dauerte es bei Chrisi und Bethany gefühlte Jahre bis sie endlich Pasta und Salat bestellten.

Noah schrieb irgendwelche Zahlen auf seinen Block, dann sah er in meine Augen. „Da du noch 20 Euro Gutschrift hast, musst du heute wohl etwas Großes bestellen, Cucciolotta." Genervt von seiner Aussage, rollte ich meine Augen. Ich hatte lediglich mein Essen selbst bezahlt, warum konnte er es nicht gut sein lassen?

„Ein großes Wasser.", murmelte ich leise. Ich wollte mich einfach nur ausspülen, Hunger hatte ich sowieso keinen. Tadelnd seufzte der Italiener auf, „Valea, ich weiß doch, dass du deinen Humor gerne in Sarkasmus triefend servierst, allerdings verkaufen wir hier kein Fiji-Wasser, also bestell etwas Essbares."

Anscheinend hatte dieses Theater nun auch Bethanys Aufmerksamkeit erlangt. Besorgt mustert sie mich: „Fühlst du dich krank, Val? Du bist auch schon den ganzen Nachmittag so blass gewesen." Unterstützend nickt Scott. „Höchstens eure Anwesenheit macht mich krank.", meine Stimme klang leider nicht mal annähernd so kraftvoll, wie ich wünschte. Gereizt stand ich auf und verließ das Restaurant, welches sich langsam immer mehr füllte.

Da ich nicht darauf aus war, von irgendwelchen schmierigen Leuten, welche in den dunklen Gassen dieser Stadt herumirrten, belästigt zu werden, setzte ich mich ein paar Hundert Meter neben dem Restaurant auf den Gehweg.

Konzentriert darauf nicht auf die Straße zu kotzen, schloss ich meine Augen. Kurze Zeit später ertönten Schritte hinter mir.  „Va tutto bene, mia principessa?", erklang seine Stimme in die leider nicht so stille Nacht, welche von Verkehr, Musik und lautem Hundegebell beschallt wurde.

„Sie sind nicht sauer auf dich.", erzählte er mir, als hätte ich danach gefragt und setzte sich neben mich, „Aber sie sind besorgt und haben Angst etwas falsch getan zu haben." Verärgert von was auch immer öffnete ich meine Augen und zog meine Augenbrauen zusammen. „Ist mir doch egal." Stur starrte ich auf den Asphalt, welcher nur durch die spärliche Straßenlaterne beleuchtet wurde.

„Ich weiß, dass es dir nicht egal ist.", Noah sprach, als hätte er mich durchschaut, doch er hatte ja keine Ahnung. Ich war so ein komplexes Individuum, ich verstand mich manchmal selbst nicht.

ᖴᗩᑌSTSᑕᕼᒪᗩG ᑎᗩᑕᕼ ᒪIEᗷE!Where stories live. Discover now