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Bethany war innerhalb von Minuten so sehr in eine Erzählung ihrer Jugend abgedriftet, dass sie gar nicht merkte, wie verkrampft ich neben ihr saß. Meine Kopfschmerzen waren zwar nicht mehr da, stattdessen aber quälte mich nun Übelkeit. Da die Frau neben mir in eine andere Welt, in welcher keine der heutigen Lachfalten ihr Gesicht verunstaltet hatten, vertieft war, registrierte sie auch nicht, wie ich ihr unverschlüsseltes Handy nahm. Ich googelte, was man bei einer leichten Überdosis Kopfschmerztabletten tat. Man solle versuchen das Venenum mit Wasser heraus zu spülen.

„Jedenfalls wurden Chrisi und ich mit der Zeit beste Freundinnen. Und Christinas Mann George ist schon seit der Schulzeit Scotts guter Kumpel. Deshalb habe ich die beiden auch eingeladen heute Abend mit uns zusammen Pizza essen zu gehen.", erörterte mir Beth im Anschluss ihrer Story, welche ich überhaupt nicht mitgekriegt hatte.

Ich überlegte kurz, ob ich meinen Pflegeeltern nicht einfach ihren Abend versauen solle, indem ich die kranke Prinzessin spielte und sie durch Empathie zum Zuhause-bleiben zwingen würde.

Allerdings kam mir die bessere Idee, ihre komischen Freunde, Christa und Gerhard oder wie die hießen, gegen mich aufzubringen. Würden ihre besten Freunde mich überhaupt nicht leiden können, so würden Scott und Bethany mich schon noch loswerden wollen.

„Ich freue mich schon die beiden kennenzulernen.", sprach ich fies grinsend, bevor ich aufstand und mich zu meinem einzigen Verbündeten auf dieser Welt schleppte, zu meinem Bett. Beth sah mir erstaunt über meinen Ausspruch hinterher.

Während ich gerade damit beschäftigt war, den Vorgang des Übergebens herbeizuführen, rief Scott meinen Namen aus dem Erdgeschoss. Also nahm ich meinen Finger aus meinem Hals und wusch mir die Hände. Ich hatte gehofft, die Tabletten auf diese Art los zu werden, allerdings konnte man in diesem Haushalt offensichtlich nicht mal in Ruhe kotzen.

Insofern Bethany ein rotes Sommerkleid trug und Scott ein kurzärmeliges Hemd mit Jeans, ruinierte ich das harmonische Familienbild mit Jogginghose und T-Shirt. Tja Pech. Ich war kein Vorzeigemodel oder sonst was, außerdem war es mein Plan, einen schlechten Eindruck zu hinterlassen.

Die komplette Fahrt, welche eigentlich eine Viertelstunde andauerte, zog sich durch Beths aufdringliches Gelabber wie Kaugummi in die Ewigkeit. Zwischendurch schenkte mir Scott immer mal wieder einen besorgten Blick, da ich anscheinend etwas bleich aussah. Jedoch erwiderte ich seine Blicke nur mit Augenverdrehern, sodass er mich zu Frieden ließ.

Kaum waren wir angekommen, überfiel uns auch schon eine mindestens genauso hysterische Frau, wie Bethany es ist. „Betty, da seid ihr ja endlich! Ich konnte es ja kaum abwarten, eure Tochter kennenzulernen.", kreischte die Blondine. Nachdem sie meine Pflegemutter halb zerquetscht hatte, reichte sie mir ihre Hand: „ Hallo, ich bin Christina, aber nenn mich doch bitte Chrisi. Ich freue mich ja so dich kennenzulernen." Ich mochte sie nicht.

Sie kannte mich überhaupt nicht und behauptete einfach Scott und Beth seien meine Eltern. Mit einem vernichtenden Antlitz sah ich zu ihrer Hand, welche ich definitiv nicht berühren würde. Nach einigen unangenehmen Sekunden nahm sie ihre Hand wieder runter, lächelte mich jedoch weiterhin an. Nervensäge.

Nun nickte ihre Begleitung mir zu, ohne irgendwelche Anstalten zu machen mich anzufassen. „Ich bin George, darf ich dich Valea nennen?" Nachdem ich ihm ein dezentes Nicken gab, drehte er sich mit einem triumphierenden Grinsen zu seiner Frau. Mit seinem Gesichtsausdruck schien er sagen zu wollen: Sie mag mich mehr als dich. Kopfschüttelnd lachten seine Frau und meine Pflegeeltern. Wie kindisch.

ᖴᗩᑌSTSᑕᕼᒪᗩG ᑎᗩᑕᕼ ᒪIEᗷE!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt