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Mit eisernem Blick stieß ich die schwere Eingangstür zu einem mir durchschnittlich verhassten Ort auf. Einige auf dem Schulflur herumstehende Mittelmaßpubertierende begannen zu tuscheln, als ich an ihnen vorbei schritt. Es war mir egal. Diese Leute suchten doch nur durstend nach neuem Gesprächsstoff. Theoretisch enttarnten sie sich selbst als absolute Langweiler, schließlich passiert wohl in ihrem eigenen Leben nicht genug, sodass sie sich für das anderer interessierten. Armselig, wenn man mich fragt. Aber da sich die einzigen zwei Personen, mit welchen ich Konversation betrieb, als vollkomme Enttäuschungen herausgestellten hatten, fragte mich niemand.

Ich war angestrengt meine Gleichgültigkeit dazu, in meinen Blick und meine Haltung zu legen, denn wenn ich einem der beiden begegnen würde, wollte ich, dass sie sehen, wie wenig sie mich tangieren. Leider bemerkte ich währenddessen, wie wenig eben dies der Wahrheit entsprach.

„Konstantinova, könnten Sie ihre wertvolle Aufmerksamkeit eventuell ausnahmsweise mal meiner Anwesenheit widmen oder passiert dort draußen etwas ebenfalls sehr Bedeutsames, unsere Weltgeschichte betreffend?", spielt sich der schon lange ergraute Geschichtslehrer auf. Augenrollend drehe ich meinen Kopf in seine Richtung. Erwartungsvoll hebt er eine buschige  Augenbraue: „Heute etwa keine besonders humorvolle Entgegnung parat?" Genervt stütze ich meinen Kopf auf meiner Handfläche ab. „Fahren Sie einfach fort, bevor jemand aufwacht.", gebe ich eher müde, als provozierend von mir. Unbeirrt, als hätte dieses Gespräch nie stattgefunden, folgt er meinem Ratschlag.

Nicht weniger unkonzentriert als vor einigen Minuten, träume ich vor mich hin. Ich spüre wie meine Augenlieder sich langsam senken und mich schon fast in den Schlaf reißen wollen, als eine Papierkugel meinen Kopf trifft. Matt hebe ich jenen, um mich umzusehen. Ein wilder Lockenkopf, welchen ich Eliza zuordne, deutet auf den Zettel, welcher auf meinem Tisch liegt. Ich entfalte ihn.

„Können wir bitte reden? Nach der Stunde?"- Steht in geschwungener Schrift, welche man intuitiv und sexistisch, wie man durch die Gesellschaft geprägt wurde, definitiv als die eines Mädchens klassifizieren würde, darauf. Ohne darauf zu reagieren, widme ich mich wieder meiner Regeneration.

Ich hatte mein Ziel die gesamte Stunde äußerst ambitioniert verfolgt und war erfolgreich eingeschlafen. Leider war man nicht gewillt, mich diese Errungenschaft genießen zu lassen. „Val...Val! Valeriaa! Wach schon auf!", drang ein ziemlich nervige Stimme in meinen Gehörsaal. Mit einem Ruck entriss ich mich meiner Traumwelt.

„Nenn mich nie wieder Valeria!", herrschte ich sie harsch an. Mein Blick spiegelte wohlmöglich eine gewisse Mordlust wieder, denn Eliza wich einen Schritt zurück. Die meisten Schüler, also alle abgesehen von uns beiden, hatten die Räumlichkeit bereits verlassen.

„Was willst du? Na los sprich schon, Satan!", fauchte ich nun weniger aggressiv. Das große, eingeschüchterte Mädchen schluckte und schien sich zu sammeln. Sie schloss kurz die Augen und öffnete sie gefasster, mehr sie selbst verkörpernd.

„Ich wollte dich nicht verletzten. Manchmal bin ich eben sehr taktlos. In gewisser Weise ähnelnd wir uns dabei wohl. Schließlich hat man uns nie gezeigt, wie Empathie praktiziert wird. Auch wenn unsere Welten von Grund auf verschieden sind, so hat man uns doch beide nicht auf unseren Pfaden geleitet. Mir ließ mal alles durchgehen, weil man mir meinen Freigeist und alle Wege des Lebens ermöglichen wollte. Und du wurdest auf diese Wege geschubst und niemand sagte dir, wo lang es geht oder nahm dich bei der Hand. Aber nur weil man uns den Weg hat alleine wählen und gehen lassen, können wir aufrecht laufen. Wer mit zu viel Engstirnigkeit auf den eigenen Weg fixiert ist, kickt manchmal anderen Steine auf den ihren. Lass mich den Stein aufheben. Wir könnten nebeneinander laufen und vor Steinen warnen oder gemeinsam drüber stolpern."

ᖴᗩᑌSTSᑕᕼᒪᗩG ᑎᗩᑕᕼ ᒪIEᗷE!Where stories live. Discover now