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Taehyung

Unangenehm. Einfach unangenehm.
Ich sitze hier mit meinen beiden besten Freunden in einem Eiscafé und stochere mit meinem Löffel in der gefrorenen Sahne meines Spagetthieis.
Es ist nicht so, dass mir die Nähe meiner Freunde unangenehm wäre, eher im Gegenteil.

Wir sitzen hier zu dritt um einen Tisch, ein freier Stuhl neben uns und die Sonne wird durch einen großen Schirm davon abgehalten, mir mein Hirn wegzubruzeln.
Wir haben eine angenehme Unterhaltung, selbst Yoongi reist ab und an ein paar Witze und sie müssen sich auch nicht ständig ablecken, wie diese nervigen Pärchen die jedem einen Softporno liefern wollen.

Das einzig unangenehme ist, dass der freie Stuhl eigentlich so gar nicht frei ist.

Da hat sich nämlich niemand geringeres als Seokjin draufgelümmelt und beobachtet unsere Unterhaltung intensiv. Ab und an streckt er auch vorbeigehenden Leuten die Zunge raus oder fährt mit seinem Finger ganz leicht Jungkooks Hals entlang, der sich dann jedes Mal irritiert kratzt.

Und die beiden Trottel mir gegenüber haben keine Ahnung, dass mich dieser scheinbar unsichtbare Vollpfosten neben ihnen die ganze Zeit ablenkt.

„Taehyung? Taehyung?!" Yoongi wedelt mir mit seiner Hand vor dem Gesicht herum.
„Hast du mir zugehört?"
Nein, Jin hat mir gerade provokant zugezwinkert.
„Sorry, aber ich dachte da wäre eine Biene. Du weißt, ich hasse diese Viecher", entschuldige ich mich und er nickt.

„Also, was hälst du davon, wenn wir mal alle einen Ausflug an den See machen? Wir waren da schon voll lange nicht mehr und wenn's dir passt, könnten wir da mal ein Wochenende hin", übernimmt Jungkook und Yoongis Blick dabei sagt mir eindeutig, dass ich tot bin, wenn ich seinem Freund diesen Vorschlag ausrede.

„Ist ne gute Idee", stimme ich zu und auch Jin nickt. „Ja, sehe ich auch so. Dann kann ich Taehyung in Badehose bewundern", er leckt sich über die Lippen und ich werde feuerrot im Gesicht. Verlegen senke ich den Blick und Jungkook fragt besorgt: „Alles okay, TaeTae?"

„J-Ja. Mit ist nur voll warm, die Hitze staut sich ganz schön unter dem Schirm", erfinde ich schnell eine Ausrede und Jin zieht grinsend eine Augenbraue hoch.
„Du bist süß, wenn du lügst, Kleiner."

Yoongi nickt bei meiner Antwort genervt: „Oh ja, diese stickige Hitze fuckt mich voll ab. Wir hätten vielleicht lieber ins Schwimmbad gehen sollen."
„Oder du bestellst dir einen noch einen zweiten Becher Eis", lächelt Jungkook lieb, aber Yoongi schüttelt den Kopf.
„Hab nicht mehr so viel Hunger."

„Dann teilen wir", schmollt Jungkook etwas und natürlich willigt sein Freund ein. „Okay, welchen willst du haben?" Begeistert gibt Jungkook Yoongi ein Küsschen auf die Wange und während die beiden sich über ihren nächsten Eisbecher streiten, sehe ich zu Seokjin der sich jetzt vorgelehnt hat.

„Wir beiden könnten uns auch mal einen Becher teilen", lächelt er und legt eine Hand auf mein Bein. Sofort überkommt mich ein Schauer, als ich seine Wärme spüre - und gleich darauf folgt ein zweiter Schauer, als ich mit Schrecken realisiere, dass ich gerade einen unsichtbaren Mann berühren kann.

„Ich muss mal ganz dringend auf die Toilette, Jungs", platzt es aus mir heraus und während ich fluchtartig aufstehe, sehen mir meine besten Freunde verwirrt hinterher.
Sofort eile ich ins Innere des Cafés und bin vermutlich schneller als Flash auf dem Männer-WC. Aber natürlich lehnt da schon niemand anderes als Jin provokant am Waschbecken.

„Lass mich doch da nicht einfach alleine sitzen", schmollt er und ich ziehe die Augenbrauen zusammen.
„Dann versau du mir nicht mein Treffen mit meinen Freunden! Was machst du überhaupt hier? Wieso bist du mitgekommen? Hast du kein eigenes Leben?", zische ich leise, damit mich niemand hört. Soll ja keiner wissen, dass ich gerade eigentlich mit der Luft rede.

Er zuckt mit den Achseln und grinst etwas: „Hatte heute mal einen freien Tag, du weißt schon, Überstunden einlösen."
Jin stösst sich von dem Waschbecken ab und tritt mir gegenüber.
„A-Als was arbeitest du denn?", frage ich und könnte mich innerlich dafür schlagen, dass ich nicht die Wichtigste Frage zuerst stelle - nämlich was er überhaupt ist.

Kurz ist Jin still, dann zuckt er mit den Achseln.
„Das willst du nicht wissen."
„Oh doch", widerspreche ich und trete näher, bis wir nur noch wenige Zentimeter voreinander stehen. Gott, er ist so hübsch. Und von diesen Lippen durfte ich kosten. Ich fühle mich ein bisschen wie Eva, die von dem verbotenen Apfel genommen hat.

Unruhig leckt Jin sich über die vollen Lippen und es scheint mir fast so, als wäre er nervös geworden.
„Sag Taehyung... hast du Angst vor dem Tod?"

Mein Herz setzt einen Schlag aus.
„W-Was?", murmele ich. „Ich verstehe nicht."
„Ob du Angst vor dem Tod hast", wiederholt sich Jin und ich trete wieder einen Schritt zurück. Wieso will er das plötzlich wissen? Auf einmal fühle ich mich in die Ecke gedrängt, wie ein verschrecktes Reh.

„Der Tod kann schrecklich sein", flüstere ich nur und meine Stimme klingt plötzlich kühl und erschreckend kratzig. Das Bild meiner Mutter taucht vor meinen Augen auf und augenblicklich fühlt sich mein Herz an, als würde es zerdrückt werden.
„Aber vielleicht war er auch eine Erlösung," ergänze ich dann und beiße die Zähne aufeinander.
Sie muss die Qualen nicht mehr ertragen.

„Taehyung?", murmelt Jin und seine Stimme klingt fast schon ein bisschen besorgt.
„Der Tod ist nicht schrecklich", fügt er dann noch hinzu und wirkt dabei irgendwie verletzt. Aber ich achte nicht darauf. Der Tod hat mir das Wichtigste genommen.

„Ich hasse vieles auf dieser Erde. Und auch wenn ich hinter vielem nicht den Sinn sehe, ist der Tod einfach unendlich schmerzhaft. Zumindest für die Hinterbliebenden." Ich starre auf den Boden um die Tränen zurückzuhalten.

„Aber das hat meine Frage noch nicht beantwortet."
Ob ich Angst vor dem Tod habe.
„Ja", antworte ich kratzig. „Ja, Ich habe Angst vor dem Tod. Ob vor meinem eigenen oder dem, der Menschen die ich liebe, spielt dabei keine Rolle. Egal wie viel Verachtung ich in mir trage, das was ich liebe, soll mir nicht genommen werden. Erst recht nicht durch so etwas Schreckliches."

Mit diesen Worten wende ich mich ab und will das Männer-WC verlassen. Meine Augen brennen und ich verstehe nicht, wieso Seokjin mich ausgerechnet jetzt mit so einer Frage aus der Bahn werfen will.
Aber seine weiche Stimme hält mich auf.

„Wenn du mich fragst, solltest du nicht in Panik geraten, wenn es soweit ist. Der Tod kann so viel schöner sein, als vieles, was ich hier bisher gesehen habe."

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