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Taehyung

Diese Stimme. Um Himmels Willen. Wie kann sie so verflucht weich und melodisch sein?
Ich hätte mit einem dunklen Barriton gerechnet, aber wie bei mir scheint auch sein Äußeres total zu täuschen und lässt keine sicheren Rückschlüsse zu. Sie ist ziemlich hell und klar, fast schon zu klangvoll. Ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass dieser Kerl auch verdammt laut werden kann. Aber genauso sicher bin ich mir, dass diese Stimme rau werden kann, besonders wenn -

„Also? Ich brauche auch nicht viel Platz auf dem Tisch."
Verdattert starre ich den schönen Mann an, der mich jetzt belustigt ansieht. Oh Gott, wie peinlich.
„Ich... äh, ja klar. Warte ich räume meinen Kram eben weg. Habe nicht mit anderen gerechnet. Sorry, tut mir leid", haspele ich schnell und greife hastig und mit klopfendem Herzen nach meinen Sachen, die ich umständlich in meine Tasche zurückstopfe.

Mit fast schon panischem Entsetzen fällt mir dabei auf, dass mein verfluchter Block inmitten auf dem Tisch liegt und Mr. Unknown nur einmal seinen Blick von mir nehmen müsste, um all die Zeichnungen von ihm zu sehen. Wie peinlich, ich habe seine verdammten Lippen auf das Blatt gekritzelt!

Mit sicherlich puterroten Wangen greife ich schnell danach, aber der Kerl vor mir hat schon hingesehen.
„Oh, du zeichnest? Darf ich mal sehen?"
Ein Glück, scheinbar hat er nicht erkannt, was ich gemalt habe.
„Äh... das sind nur so K-Kritzelleien, nichts besonderes. Also besser nicht", murmele ich um stopfe auch den Block zu meinen Sachen. Einzig und alleine mein Laptop ist noch auf dem Tisch, aber da wird er mir ja nichts gegen sagen können.

„Oh, schade. Ich hätte gerne selber abgewägt ob du meine Lippen gut getroffen hast oder nicht."

Stille. Absolute Stille.
Ich halte entsetzt den Atem an und mein Kopf ist gerade einfach nur ein weißes Blatt Papier. Ungeschrieben und ohne jeglichen Konter, den ich hätte antworten können.

Mr. Unknown zieht nur entspannt seinen eigenen Laptop aus seiner Tasche, aber ich sehe ganz genau das schelmische Lächeln auf seinen Lippen. Und zwar auf den echten, nicht auf denen die ich gezeichnet habe.

„Vertrau mal meinen Zeichenkünsten", stottere ich schließlich nur und schlage mich innerlich selbst dafür, wie uncool ich rüber kommen muss. Hastig nehme ich meine Wasserflasche und trinke ein paar Schlucke, damit ich bloß nichts mehr sage.

„Keine Sorge, das tue ich, Taehyung."
Damn.
Mein Herz bleibt stehen.
Die Art wie er meinen Namen sagt.
Ich glaube, ich sterbe innerlich und kriege zeitgleich einen Steifen.

Aber Moment mal Freundchen, woher weißt du meinen Namen?, denke ich mir und kneife etwas misstrauisch meine Augen zusammen, während ich den Schönling dabei beobachte, wie er sich auf seinen Bildschirm konzentriert. Langsam stelle ich meine Wasserflasche wieder ab und ziehe die Augenbrauen zusammen.

Ist er ein Stalker?
Könnte es sein, dass er genauso krankhaft von mir besessen ist, wie ich von ihm?
Nein, das kann nicht sein. Niemand ist so seltsam wie ich.

Und außerdem hat der Typ mich niedergeschlagen! Was krieche ich gedanklich eigentlich so vor ihm im Dreck? Der Typ scheint ein absolutes Arschloch zu sein und es wird mal Zeit, dass ich mein kurzzeitig abhanden gekommenes Selbstbewusstsein wieder zusammenkratze.

„Ich hab dich vermisst im Krankenhaus. Du hättest ja wenigstens einmal vorbeikommen können", meine ich schnippisch und sehe dabei genauso gespielt interessiert auf meinen Bildschirm, wie er auf seinen. Natürlich linse ich gespannt zu ihm rüber, darauf wartend, dass er total erschrocken darüber ist, dass ich weiß das er mich K.O. Geschlagen hat.

Aber Mr. Unknown schnaubt nur belustigt.
„Krankenhäuser sind nicht so mein Gebiet. Ich habe da andere Mittel und Wege, um nach dir zu sehen."
Er sieht nicht einmal auf, während er das mit einem kleinen Lächeln sagt und das ist auch gut so, denn meine Wangen werden wieder heiß. So ein schleimender Bösewicht.

„Du Stalker", murmele ich nur und tippe pseudomässig auf meinem Laptop herum. Hat er sich etwa Sorgen um mich gemacht? Hat er ein schlechtes Gewissen? Und wie zum Henker will er bitte nach mir geschaut haben? Und was will er mit damit sagen, dass Krankenhäuser nicht sein Gebiet sind?

Und warum interessiert mich das alles so?

Es juckt mich in den Fingern ihn zu fragen, was mit ihm nicht stimmt, aber das lasse ich besser. Sonst hält er mich noch für komplett irre.
„Glaub mir, Taehyung, ich bin bestimmt kein Stalker", raunt er nur und sieht mit einem Mal auf.

Mein Herz stolpert wieder ein bisschen als er meinen Namen sagt und ich schlucke trocken, als ich seinen intensiven Blick auffange. Das Dunkle seiner Augen bohrt sich förmlich in meine und ich merke, wie ich etwas schneller zu atmen beginne. Meine Wangen werden noch heißer und ich lecke mir nervös über die Unterlippe.

„W-Was denn dann?", frage ich und meine Stimme klingt total belegt. Auf seine vollen Lippen schleicht sich wieder einmal dieses wissende Grinsen und sofort liegt mein Blick auf seinem Mund.

„Das willst du nicht wissen. Und jetzt solltest du vielleicht mal weiterarbeiten. Ich will dich schließlich nicht ablenken."
Er zwinkert einmal und bricht dann diesen unglaublichen Bann, in dem er einfach wieder auf seinen Bildschirm schaut, so als wäre nichts gewesen. Mein Magen macht einen Satz als sässe ich in einer Achterbahn.

Ich habe das Gefühl wieder vernünftig atmen zu können und nehme schnell zwei Schlücke Wasser, weil sich mein Hals auf einmal viel zu trocken anfühlt. Ein Blick auf mein geöffnetes Dokument zeigt mir, das ich komplett sinnlos Buchstaben aneinandergereiht habe und ich die letzten Sekunden wohl auf dem „W" geblieben bin.

Genervt lösche ich fast zwei Seiten meines Pseudogetippes und versuche dann wirklich, mich zu konzentrieren. Aber es klappt nicht.
Nicht wenn so ein verfluchter ... gottgleicher Mann mir gegenüber sitzt und den Traum meiner bisexuellen Fantasien verkörpert. Viel schöner als jedes männliche oder weibliche Wesen, was ich bisher getroffen habe.

Nach ein paar Minuten der Stille halte ich es schließlich nicht mehr aus.
„Wie heißt du eigentlich?", frage ich schließlich und versuche dabei möglichst desinteressiert zu wirken. Nicht das er noch merkt, wie neugierig ich wirklich auf ihn bin und das ich innerlich für ihn wie ein schwanzwedelnder Hund schwärme.
Und ja. Das war zweideutig gemeint.

„Wieso willst du das wissen?", stellt er mir nur die Gegenfrage und ich höre die kleine Herausforderung in seiner Stimme. Der Idiot hat auch echt nichts besseres zu tun, als mich zu provozieren.

„Fairness. Du kennst meinen, dann darf ich auch deinen kennen", argumentiere ich und er antwortet nicht sofort. Kurz denke ich schon, dass er es mir gar nicht erst sagen wird, aber dann seufzt er schließlich leise.

„Ich heiße Kim Seokjin. Aber nenn' mich ruhig Jin."

Last OneWhere stories live. Discover now