Chapter 23

1.4K 38 7
                                    

When we have each other 
we habe everything
...

Christina

Seit diesem verdammten Abend am Fluss kreisen meine Gedanken ununterbrochen um Luca. Vor zwei Tagen hat er mir eine Nachricht geschickt und gesagt es täte ihm leid. Ich hab nicht geantwortet. Ich wusste nicht was. Ich weiß ja nicht einmal, was diese dämliche Nachricht zu bedeuten hat. Was tut ihm leid? Dass er mich geküsst hat? Dass wir nicht darüber geredet haben? Oder dass er uns als Freunde bezeichnet hat? Argh, wieso muss das auch immer alles so kompliziert sein! Ich bin so in meinen Gedanken versunken, dass ich gar nicht mitbekomme wie sich die Terrassentür leise öffnet und wieder schließt. 
"Ich will dich ja nicht stören, aber du weißt dass du den Salat zupfen und nicht schreddern sollst, oder?", ertönt auf einmal die belustigte Stimme meiner Mutter neben mir. Verdutzt blicke ich auf den Salat in meinen Händen, den ich eigentlich für das Abendessen fertig machen sollte. Tatsächlich war ich so in Gedanken, dass ich die grünen Blätter in kleinste Teile geschnipselt habe, die man bestenfalls noch mit einem Löffel essen kann. Seufzend lasse ich die überlebenden Salatblätter in die Schüssel fallen und reibe mir mit den Händen über das Gesicht. Meine Mutter legt mir sanft die Hand auf den Rücken. "Was ist los, Mäuschen?", fragt sie leise. "Liebeskummer?" Erstaunt hebe ich den Kopf. "Wie kommst du denn darauf?" Ein mildes Lächeln breitet sich auf ihrem Gesicht aus. "Ich kenn doch meine Tochter." Sie lässt sich neben mir am Tisch nieder und blickt mich mitfühlend an. Meine Mutter kennt mich einfach viel zu gut. Ich schließe kurz die Augen, dann bringe ich den Satz hervor, vor dem ich mich die ganze Zeit fürchte. 
"Ich vermisse ihn." 
"Aber das ist doch nicht der Grund, wieso du aussiehst wie drei Tage Regenwetter." 
"Doch! Ich meine...nicht nur. Ich...ich mag ihn Mum. Ich mag ihn wirklich." Schon wieder spüre ich wie mir die Tränen in die Augen steigen. Schnell wische ich mir mit dem Handrücken über die Augen und schniefe leise. "Aber das ist doch nichts schlimmes, mein Schatz. Er ist eben ein netter Kerl, da ist doch gar nichts dabei wenn du dich in ihn verguckst." 
"Woher willst du das denn wissen? Du kennst ihn doch gar nicht." 
"Ich seh doch wie du strahlst, seit du bei Lets Dance angefangen hast. Er kann also gar kein schlechter Mensch sein, wenn er meine Kleine so glücklich macht", lächelt sie und ich schnaube bitter. "Klar, ich seh im Moment ja auch so glücklich aus", entgegne ich sarkastisch. Trotzdem weiß ich, dass meine Mutter Recht hat. Ich habe mich schon lange nicht mehr so wohl gefühlt wie mit Luca. Bis zu diesem blöden Spiel war ja auch alles gut. Bei dem Gedanken an den Abend rollt eine einsame Träne über meine Wange und tropft auf den Tisch. 
„Hast du ihm mal von deinen Gefühlen erzählt?", fragt meine Mutter vorsichtig und ich reiße die Augen auf. „Bist du wahnsinnig? Für ihn ist das doch alles nur Show. Für ihn bin ich nur eine gute Freundin, das hat er mir unmissverständlich klar gemacht. Außerdem bin ich immer noch seine Trainerin, ich muss zumindest versuchen mich professionell zu verhalten." Meine Mutter lacht leise auf.  "Ach Schatz, der Zug ist schon lange abgefahren." 
„Bin ich so offensichtlich?", frage ich sie stirnrunzelnd. Ein belustigtes Grinsen breitet sich auf dem Gesicht meiner Mutter aus. "Wie ich schon gesagt habe: Eine Mutter kennt ihre Tochter. Aber davon abgesehen solltet ihr vielleicht wirklich beim Tanzen bleiben, Schauspieler werden aus euch nämlich keine mehr." 
"Aus uns?" 
„Ja, aus euch. Luca steht dir in Sachen Unauffälligkeit nämlich in nichts nach." Schnell schüttle ich den Kopf. "Ich glaub du missverstehst da was. Ich hab doch grade gesagt, dass er mich nur als gute Freundin sieht." 
"Das hast du gesagt." Fragend ziehe ich die Augenbrauen hoch. "Aber?" 
"Nichts aber." Sie erhebt sich von ihrem Stuhl und legt mir sanft eine Hand auf die Schulter. "Solange ihr das was da zwischen euch ist nicht geklärt habt, kann ich dir keinen besseren Rat geben als mit ihm zu reden. Ihr müsst miteinander tanzen und es macht weder dich noch ihn glücklich, wenn du ihn ignorierst." Bei ihren Worten stöhne ich leise auf. Am liebsten hätte ich meinen Kopf auf die Tischplatte geschlagen. Der Besuch bei meinen Eltern war eigentlich dafür gedacht gewesen meinen Kopf frei zu kriegen und Luca zumindest für eine Woche aus meinen Gedanken zu streichen. Dass meine Mutter mir jetzt rät, mich mit Luca auseinanderzusetzen macht diesen Plan natürlich zunichte. Und das schlimmste ist, dass sie absolut Recht hat. Trotzdem hatte ich auf eine andere Antwort gehofft. 
„Ruh dich ein bisschen aus, Schatz und dann red mit ihm. Dein Vater hat unten am Wasser die Hängematte aufgehängt, die du immer so geliebt hast, vielleicht willst du runtergehen und ein bisschen lesen?", schlägt sie vor, wobei es mehr wie eine liebevolle Anweisung als eine Frage klingt. Müde nicke ich. „Dann geh, ich ruf dich wenn das Essen fertig ist." Sie lächelt mich nochmal an und schiebt mich dann sanft aber bestimmt in Richtung Garten. Vielleicht ist es wirklich keine schlechte Idee, erstmal den Kopf frei zu kriegen. Vor der Terrasse kicke ich meine Schuhe von den Füßen und laufe barfuß über die Wiese in Richtung Seeufer. Das Haus meiner Eltern liegt abgelegen vom Campingplatz, verfügt aber über einen direkten Zugang zum See, was einer der Gründe ist, wieso ich im Sommer so gerne hier bin. Tatsächlich entdecke ich schon von weitem die Hängematte, die mein Vater zwischen zwei Bäumen direkt am Ufer gespannt hat. Seufzend setze ich mich hinein und lasse meinen Blick über die Gegend gleiten. Schon seit ich ein kleines Kind bin ist das hier mit Abstand mein Lieblingsort auf dem Campingplatz. Dank der Corona-Krise ist es hier so still wie noch nie und ich habe einen wunderschönen Ausblick auf das Wasser, auf dessen Oberfläche sich das Licht der untergehenden Sonne spiegelt. Die Beine gemütlich angezogen, fische ich mein Handy aus der Hosentasche meiner Hotpants und versuche den Bildschirm zu entsperren. Das erweist sich allerdings als schwieriger als gedacht, vor allem deswegen, weil die Helligkeit so weit runtergedreht ist, dass ich absolut nichts erkennen kann. Als ich es dann endlich geschafft habe, den Code einzugeben, wäre ich beinahe wieder aus der Hängematte gefallen. Mein Herz setzt einen Schlag aus, als ich den Namen lese, den mir mein Handy anzeigt. Da steht in großen schwarzen Lettern „Luca" auf meinem Bildschirm und die Mitteilung, dass er mir vor ein paar Minuten eine Nachricht geschickt hat. Zögernd tippe ich auf das grüne Logo der App und öffne den Chat.

Luca
Ich hab es zwar schon mal gesagt aber es tut mir leid, wenn ich dir zu nahe getreten bin. 

Keine zwei Sekunden später taucht die nächste Nachricht auf. 

Luca
Komm schon Christina, ich weiß dass du meine Nachrichten liest. 

Luca
Ich vermisse dich. 

Mit großen Augen starre ich die Buchstaben an. Er vermisst mich. Ich will die Nachricht nochmal lesen, doch da zuckt der Bildschirm und die Schrift wird durch eine andere ersetzt. 

Diese Nachricht wurde gelöscht. 

Fieberhaft überlege ich, was ich antworten soll. Ich zögere einen Moment, dann fange ich an zu tippen.

Ich
Vielleicht habe ich einfach gerade keine Lust dir zu antworten.

Kaum habe ich die Nachricht abgeschickt, bereue ich es auch schon wieder. Himmel, ich klinge wie ein eingeschnapptes Kleinkind. Oder ein pubertärer Teenager. So oder so ist es irgendwie peinlich. Also schicke ich schnell eine zweite Antwort hinterher, bevor Luca die Nachricht lesen kann.

Ich
Tut mir leid, ich hatte einen schlechten Tag. Meine Mutter hat mich zum Kochen gezwungen.

Am unteren Bildschirmrand tauchen drei kleine Punkte auf, die mir zeigen, dass Luca tippt. Gespannt starre ich auf den Bildschirm, bis er fertig ist. 

Luca
Geht es der Küche gut?

Ich versuche nicht zu lächeln. Wirklich. Aber Luca macht es mir echt verdammt schwer. 

Ich
Die Küche ist in Ordnung, vielen Dank auch. Meine Mutter macht jetzt das Essen, damit du mir in Ruhe auf die Nerven gehen kannst. 

Luca
Kann ich doch nichts dafür, dass du nicht hier bist und mir langweilig ist. Außerdem weiß ich doch dass du es vermisst mich anzuschreien. 

Ich 
Hast du nichts zu tun?  

Luca 
Nein. Kannst du nicht früher zurückkommen? 

Ich 
Du weißt, dass ich erst am Sonntag wiederkomme. Mein Dad feiert Geburtstag. 

Luca
Bis dahin sterbe ich an Christina-Entzug. Dann musst du mich wiederbeleben. 

Wieder starre ich auf den Bildschirm. Er flirtet mit mir, ganz klar. Kurz überlege ich, ob ich darauf eingehen soll oder nicht, entscheide mich dann aber für die erste Variante. Was er kann, kann ich schon lange. Mit einem Grinsen setze ich zu einer Antwort an. Dass meine Mutter mich irgendwann zum Abendessen ruft, geht komplett an mir vorbei. An diesem Abend sitze ich bis spät nachts in der Hängematte und schreibe mit Luca, bis mir irgendwann die Augen zufallen und ich einschlafe, das Handy noch in der Hand und ein breites Lächeln auf den Lippen. 

Magnetic HeartsWhere stories live. Discover now