Chapter 33

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Of all the Music Ive ever heard, 
its your voice that calms my soul
.
-K. Lowne Jr.

Christina

Tja, was soll ich sagen. In der Theorie ist es ein super Plan, mit Luca zu sprechen. In der Praxis dagegen...eher weniger. Beziehungsweise denke ich das, denn auch eine Woche später bin ich immer noch zu feige endlich auf Luca zuzugehen. Das ist auch der Grund wieso ich kurz vor der Show unglaublich nervös in meiner Garderobe vor dem Spiegel stehe und Massimo den letzten Nerv raube. Statt seiner eigenen Tanzpartnerin Lili Mut zuzusprechen, muss der nämlich bei mir auf der Couch sitzen und verhindern, dass ich einen Nervenzusammenbruch erleide. Wie schon die letzten zehn Minuten starre ich mein Spiegelbild an. Unschlüssig zupfe ich an dem Saum meines Outfits herum. Die Stylistin hat mir ein hellrosa Kleid rausgesucht, das mit lauter bunten Blümchen bestickt ist und an der Taille von drei horizontalen weinroten Bändern zusammengehalten wird. Luca würde Hemd und Hose im passenden Rotton tragen. Obwohl unsere Stylistin eigentlich noch nie danebengegriffen hat, bin ich unsicher mit meinem Aussehen. "Sieht das gut aus? Nicht zu viel?", frage ich Massimo und drehe mich einmal um mich selbst, damit er sich mein Outfit von allen Seiten anschauen kann. "Du siehst toll aus", versichert Massimo mir bestimmt schon zum vierten Mal in der letzten Viertelstunde. Zweifelnd mustere ich ihn durch den Spiegel hindurch. "Seit wann bist du eigentlich so selbstkritisch mit dir? Ich dachte euer Training ist super gelaufen?" 
"Ist es ja auch." 
"Und wieso bist du dann nicht super happy und hüpfst wie ein Flummi durch die Gänge wie sonst?" 
"Vielleicht weil wir unsere Garderoben nur verlassen sollen, wenn es unbedingt sein muss?", weiche ich ihm aus und spiele dabei auf die Corona-Regelungen an. Wenn man es genau nimmt dürfte Massimo gar nicht hier sein, aber solange wir ausreichend Abstand halten geht das hoffentlich klar. Massimo zieht wenig überzeugt eine Augenbraue nach oben. "Du weiß, dass das nicht der Grund ist. Komm schon Bambi, was ist los?" Seufzend drehe ich mich zu ihm herum. Ich kenne diesen Blick. Neben Kathrin und Andrzej ist Massimo der Mensch, der mich wohl am leichtesten durchschaut. Keine Ahnung wie die drei das machen, aber sobald irgendetwas im Busch ist, scheinen sie es sofort zu spüren. Obwohl das Gespräch mit Kathrin mir wirklich geholfen hat, zögere ich Massimo davon zu erzählen. Er mag zwar mein bester Freund sein aber zufällig weiß ich, dass er sich mittlerweile wirklich gut mit Luca versteht - wir erinnern uns an ihre "Männergespräche" - und befürchte, dass er mit ihm reden könnte. Und wenn es etwas ist, was ich noch weniger gebrauchen kann als eine öffentliche Zurückweisung dann ist es ein unfreiwilliges Gefühlsouting vor Luca, weil Massimo sich verplappert. Deswegen verliere ich Massimo gegenüber auch kein Wort über das was mich eigentlich beschäftigt. Stattdessen antworte ich: "Es ist wirklich nichts, ich bin heute eben nur ein bisschen unsicher was mein Aussehen angeht. Ich will neben Luca eben gut aussehen." 
„Ach Christina, du bist doch sowieso die schönste Frau auf diesem Planeten", imitiert er Luca in einem absolut miserablen Schweizer Akzent und fängt lässig das Kissen auf, das ich mit knallrotem Gesicht nach ihm werfe. „Sehr witzig Massimo." 
„Jetzt mal ehrlich Bambi, dir ist echt nicht mehr zu helfen. Der Junge ist so in dich verschossen, da könntest du einen Kartoffelsack tragen und er würde dich trotzdem noch mit Herzchen in den Augen anschauen." 
"Darum geht es doch gar nicht! Ich will mich bloß nicht vor einem Millionenpublikum blamieren, weil ich aussehe wie ein explodierter Blumenstrauß." 
"Oh, achso. Klar." Natürlich glaubt Massimo mir kein Wort, aber mir bleibt auch keine Zeit mehr etwas dazu zu sagen, denn in dem Moment ertönt ein leises Klopfen an der Tür. "Mann, was ist denn jetzt schon wieder...", murmle ich genervt. Ist es denn so schwer zu verstehen, dass ich zur Abwechslung vor der Show einfach meine Ruhe haben will? Ich will gerade ein "Verschwinde" durch die Tür schreien, als die sich einen Spalt weit öffnet und Luca den Kopf ins Zimmer streckt. Sofort wird mein Gesichtsausdruck weicher und eine seltsame Ruhe breitet sich in mir aus. "Kann ich reinkommen?", fragt er fast ein wenig schüchtern und blickt unsicher zwischen Massimo und mir hin und her. "Klar, wir haben nur gerade über unser Outfit geredet", erkläre ich und stelle erleichtert fest, dass meine Stimme nicht so zittrig klingt wie ich dachte. Massimo, der mittlerweile aufgestanden ist, kommt zu uns herüber und macht sich auf den Weg zur Tür. "Ich lass euch mal alleine", zwinkert er mir im Vorbeigehen zu, woraufhin ich ihm nur den Mittelfinger zeige, was Luca zum Glück nicht mitbekommt. "Das Kostümdepartment hat diese Woche wirklich super Arbeit geleistet. Du müsstest mal das Outfit von Kathrin sehen", meint der gerade. Er macht ein paar Schritte in den Raum und dreht sich dann wieder zu mir herum. "Du siehst übrigens toll aus", fügt er mit einem Blick auf mein Kleid hinzu. Sofort beginnen meine Wangen wieder zu glühen. "Danke", flüstere ich und blicke verlegen zu Boden. Wenn Luca mir Komplimente macht fühle ich mich jedes mal wie ein Schulmädchen, das zum ersten Mal verliebt ist. Schrecklich. "Also, weswegen ich eigentlich hier bin... Ich dachte ich könnte dir vielleicht noch ein bisschen was auf der Gitarre vorspielen." Erst jetzt entdecke ich die Gitarre, die er in der Hand hält. "Vielleicht bringt es uns Glück und bringt uns in die richtige Stimmung für den Tanz", erklärt er und beinahe denke ich, eine Spur Verunsicherung in seinen Augen zu erkennen. Denkt er wirklich ich würde mir eine Privatsession von ihm entgehen lassen? Nie im Leben. "Das ist eine super Idee. Wird auch mal Zeit, dass du mir mal was vorsingst", ziehe ich ihn auf und sofort sieht er viel entspannter aus. "Na dann komm. Setz dich." Mit einem breiten Lächeln auf den Lippen lasse ich mich ihm gegenüber auf der Couch nieder, während Luca seine Gitarre auf dem Knie abstützt und leise ein paar Töne anschlägt. 

Luca spielt mir ein paar Lieder vor und ich singe lautstark mit, inklusive einer Menge schiefen Tönen und einigen sehr kreativen Textimprovisationen. Aber obwohl ich es normalerweise hasse vor anderen Leuten zu singen, habe ich bei Luca komischerweise überhaupt kein Problem mich zum Affen zu machen. Ich glaube so viel wie in dieser Viertelstunde habe ich seit unserer improvisierten Fußgängerzonen-Salsa nicht mehr gelacht. 

Obwohl ich das nie gedacht hätte, scheint Lucas Idee mit dem Lied tatsächlich funktioniert zu haben, denn unser Tanz ist einfach nur super gelaufen. Selbst die Figur am Anfang, bei der er sich im Training beinahe das Bein verdreht hätte, hat reibungslos geklappt. Jetzt stehen wir oben bei Victoria auf der Empore und warten aufgeregt auf das Urteil der Jury. Als Victoria Luca auf seine momentane Wohnsituation anspricht, breitet sich sofort ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. "Ich war jetzt in der letzten Woche sehr froh, weil ich hab von jemandem vom Team ne Gitarre und so ein kleines Mini-Piano bekommen, das heißt ich kann jetzt endlich wieder ein bisschen Musik machen", erzählt er freudestrahlend. Bei seiner Begeisterung kann ich nicht anders als zu grinsen. Luca scheint das Musik machen wirklich vermisst zu haben und ich bin froh, dass ich eine der Personen sein darf, die seine kleinen Privatauftritte zu hören bekommt. "So, wir schauen jetzt mal wie der Jury euer Quickstep gefallen hat", bringt mich Victoria in die Realität zurück und wir beobachten überglücklich, wie Jorge und Motsi uns die zehn Punkt geben. Und als Herr Llambi dann tatsächlich die Kelle mit der 9 in die Luft streckt, kann ich nicht anders als laut aufzuquietschen. In einem Moment der absoluten Freude falle ich Luca so stürmisch um den Hals, dass er erst einmal einen Schritt zurück macht, um sein Gleichgewicht zu behalten. Einen kurzen Augenblick lang habe ich fast ein bisschen Angst ihn überrumpelt zu haben, doch dann schlingt Luca seine Arme um meinen immer noch zitternden Körper. Plötzlich verschwindet der Boden unter meinen Füßen, als Luca mich mühelos hochhebt und mich einmal im Kreis herumwirbelt. Als er mich wieder am Boden absetzt und einen kleinen Freudentanz aufführt, schlägt mir mein Herz immer noch bis zum Hals, diesmal allerdings aus einem ganz anderen Grund.


Magnetic HeartsWhere stories live. Discover now