Kapitel 54 | Wie der Mond

162 12 12
                                    

Wir rückten in der Schlange immer weiter nach vorne und mein Herz pochte wie wild, während sich in meinem Kopf tausend verschiedene Szenarien abspielten, was in den nächsten Stunden passieren könnte.

Savannah nahm meine Hand in ihre und ich war mir nicht sicher, ob sie es tat, um mich zu beruhigen, oder mich davon abzuhalten, doch noch in letzter Sekunde abzuhauen. Wahrscheinlich war es beides. Aber zum Weglaufen war ich nun nicht mehr imstande, so verwandelten sich meine Beine immer weiter zu Wackelpudding, umso näher wir zum Eingang der Konzerthalle kamen.

Es dauerte auch nicht mehr lange, da drückte meine beste Freundin mir das Ticket in die Hand und ich hielt es dem Typen an der Eingangskontrolle hin, damit er es abscannen konnte. Wie gelähmt schritt ich in die Halle und sah den hauptsächlich weiblichen Fans dabei zu, wie sie an mir vorbeirannten, um den bestmöglichen Platz in Bühnennähe zu ergattern. Aber dazu gab es kaum noch Chancen, denn es war bereits rappelvoll. Die Halle zählte definitiv zu den kleineren in Los Angeles, aber wie eben schon gesehen, war sie komplett ausverkauft und das machte sich bemerkbar.

Bei jedem anderen Konzert liebte ich es, diese unglaubliche Atmosphäre in mir aufzusaugen, mir die Halle und die Bühne genaustens anzusehen und schon zur Musik, die noch vor dem eigentlichen Konzert vor sich hindudelte, zu tanzen. Aber nicht heute. Wie konnte ich denn auch so entspannt sein, um dies zu tun? Ich würde in circa einer Stunde meinen Exfreund wiedersehen, unwissend, wie ich nach der verstrichenen Zeit darauf reagieren würde. Ich konnte gar nicht anders, als die Menschen um mich herum auszublenden, denn meine verrücktspielenden Gedanken nahmen schon all meine Kraft in Anspruch.

„Wir bleiben hier stehen. Okay?" Savannah legte ihre Hand auf meine Schulter und sah mich besorgt an. Wir haben nur zwei Schritte in die Halle gesetzt und standen unmittelbar neben der Tür, durch die wir hereingekommen sind.

Vor uns war noch ein wenig freie Fläche, die sich aber langsam mit den restlichen Nachzüglern füllte. Ich nickte und schlang meine Arme um den Körper, da ich von Minute zu Minute mehr zu zittern begann. Ich traute mich gar nicht mehr auf die Uhr zu blicken, denn jedes Mal wenn der Sekundenzeiger sich bewegte, sprang mein Herz mit. Ich fühlte mich so, als würde ich jeden Moment durchdrehen und atmete schwer.

„Beruhige dich, Lumi. Alles wird gut. Ich bin hier."

Dankbar lächelte ich meine beste Freundin an, dann wurde es mit einem Mal stockdunkel um uns herum und lautes Geschrei erfüllte unsere Ohren. Oh Gott, es ging los. Ich wusste nichts mehr mit mir anzufangen und war einfach nur froh, dass Savannah wieder fest nach meiner Hand griff und mich somit stärkte.

Ich kniff meine Augen zu und merkte trotz meiner geschlossenen Lider, dass es wieder heller wurde. Gleichzeitig wurde es auch um einiges lauter, was wohl bedeutete, dass die Jungs die Bühne betreten haben müssen. Weiterhin weigerte ich mich, die Augen zu öffnen und stand wieder kurz davor, mich einfach umzudrehen und hinauszulaufen, ohne etwas gesehen zu haben. Aber im nächsten Moment begann ohne jegliche Vorwarnung die Musik zu spielen und ich erschrak so heftig, dass ich zusammenzuckte und wider Willen meine Augen öffnete.

Schnell gewöhnte ich mich an das grelle Licht und sah vor mir erst einmal nur eine Menge Arme, die in die Luft geworfen wurden. Dann wanderte mein Blick zur Bühne, wo ein Lichtkegel auf den Leadsänger der Band fiel, der klar im Vordergrund stand, während die anderen drei ein wenig wie Schatten in der Dunkelheit verschwanden - zu meinem Glück.

Links saß der Schlagzeuger an seinem Instrument, rechts einer am Keyboard. Und schließlich... der Vierte im Bunde, Carter. Etwas versetzt hinter dem Sänger stand er da mit seiner blauen Bassgitarre und wirkte sogar von meiner Position aus gesehen fokussiert, so hatte er nicht einmal die Augen auf die Menge gerichtet. Ihn zu sehen fühlte sich in diesem Moment gar nicht so schlimm an, wie ich befürchtet hatte. Denn auch wenn wir uns im selben Raum befanden, war er doch so weit entfernt und es gab mir eine gewisse Sicherheit, dass er mich hier niemals sehen würde.

Lumina ✈ Destination: EuropaWhere stories live. Discover now