Kapitel 44 | Später, am Abend

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Die Tätowiererin warf Carter einen letzten fragenden Blick zu und er nickte bestätigend, als hätten sie sich gerade per Gedankenübertragung unterhalten. 

„Wie besprochen", fügte er hinzu und jetzt wusste ich überhaupt nicht mehr, was hier vorging. Wann hat er etwas mit ihr abgesprochen? Was war das für eine Geheimnistuerei, von der ich nichts wusste? 

Ich starrte mit runzelnder Stirn auf die Tattoonadel, die sich nun in Carters Handgelenk bohrte und wartete gebannt darauf, bis sich ein Motiv herauskristallisierte. Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus, als dies kurz danach der Fall war. Das war das wahrhaftig perfekte Gegenstück zu meinem Tattoo – Ein Halbmond! Wenige Sekunden später hatte Carter die Schmerzen hinter sich gebracht, auch wenn er die ganze Zeit über keine einzige Miene verzogen hat. 

„Himmel, ist der schön", seufzte ich verträumt und konnte meinen Blick von dem Mond nicht mehr abwenden. „Und inwiefern war das jetzt abgesprochen?" 

„Darüber reden wir später. Es gibt da nämlich so einige Dinge, die ich loswerden will." 

Carter zwinkerte mir zu und ließ mich abermals im Dunkeln tappen. Zum gefühlt zigsten Mal an diesem Tag erwartete mich das Ungewisse; ich fühlte mich wie ein kleines Kind an Weihnachten, das im Minutentakt Geschenke auspacken durfte. 

Wir bedankten uns bei der überaus netten und lässigen Tätowiererin, Carter bezahlte für uns beide und dann traten wir hinaus an die frische Luft, zum ersten Mal mit einem Tattoo. Die Stelle hinter meinem Ohr brannte immer noch ein wenig, aber dafür hat die Frau uns extra eine Salbe mitgegeben, die wir regelmäßig auftragen sollten. 

„Und? Bereust du es, dir den Stern gestochen zu haben?", fühlte Carter mir auf den Zahn und ich schüttelte ohne zu zögern den Kopf. 

„Auf keinen Fall. Im Gegenteil, ich freue mich total darüber und bin auch sehr stolz auf mich, dass ich es durchgezogen habe." 

„Aber auch nur durch meine Hilfe." 

„Selbstverständlich nur durch deine Hilfe." Lachend verdrehte ich meine Augen, wurde aber schnell wieder ernst. „Nein, wirklich. Ohne dich hätte ich mich niemals getraut. Es fühlt sich jetzt schon so an, als wäre der Stern seit Jahren ein Teil von mir." 

„Die Sterne waren schon immer ein Teil von dir", erwiderte Carter, legte seinen Arm um meine Schulter und zog mich näher zu sich. 

„Du bist süß. Ich bin echt glücklich darüber, dass wir das gemacht haben." 

„Ich bin froh, dass du das so siehst, denn das finde ich auch." 

Eine Weile lang spazierten wir weiter den Fluss entlang, bis uns der Hunger überwältigte und wir ins erstbeste Restaurant hineinstolperten, um uns ein ausgiebiges Mittagessen zu gönnen. 

„Okay, sagst du mir jetzt endlich, wann du die Sache mit dem Tattoo abgesprochen hast?", drängte ich Carter zwischen zwei Bissen meines Ratatouilles. 

„Ich habe doch gesagt, später." 

Die Neugier brachte mich um und ich hätte fast über den Tisch hinweg nach seinem Hemd gegriffen und so lange an ihm gerüttelt, bis er es mir endlich verriet. Stattdessen beschwerte ich mich leise, aber ausdrucksstark: „Aber jetzt ist doch später! Warst... warst du etwa schon mal da? Oder hast du das telefonisch geklärt? Aber die Blicke, die ihr ausgetauscht habt... Da war irgendwas, ich habe es gesehen!" 

„Was hast du gesehen?" Carter betrachtete mich amüsiert. „Das hört sich so an, als würdest du vermuten, dass da mehr zwischen uns lief." 

„Ach, du bist doch doof. Du weißt ganz genau, was ich meine. Du verheimlichst mir irgendwas und ich werde schon noch dahinter kommen." Ich kniff meine Augen zusammen und versuchte, so grimmig zu gucken, wie es mir möglich war. 

Lumina ✈ Destination: EuropaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt