Kapitel 52 | Veränderung

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Wenige Tage später war alles wieder beim Alten. Tante Dawn war abgereist und wir einigten uns darauf, sie am Ende der Ferien zu besuchen. Ich verbrachte viel Zeit mit meinem Bruder und freute mich darüber, wie viel Neues er in den letzten Monaten gelernt hat. 

Aber als ich eines Morgens aufwachte, fühlte ich mich total unwohl in meiner Haut, als wäre alles einfach nur falsch. Eigentlich war ich mit Savannah verabredet, sie plante fleißig ihren Geburtstag, wobei ich ihr helfen wollte und doch hatte ich ein mulmiges Gefühl in meinem Bauch, das ich mir nicht erklären konnte. 

Nach dem Aufstehen schlurfte ich ins Bad und betrachtete mein Spiegelbild. In diesem Augenblick gefiel mir absolut gar nichts an meinem Aussehen. Meine Nase war irgendwie schief, meine Lippen zu dünn, meine Stirn zu hoch und meine Augenbrauen zu buschig. Ich fummelte eine halbe Ewigkeit an meinem Gesicht herum und fragte mich, was auf einmal los war, bis ich meine Löwenmähne zu bändigen versuchte und nun wusste, was genau mich störte. Es war nicht mein Gesicht, sondern meine Haare, die ich nicht mehr sehen konnte. 

Meine langen, welligen Haare, die ach so unverkennbar waren und angeblich selbst nach dem Aufstehen schön aussahen. Mein Magen zog sich zusammen, als bestimmte Worte durch meinen Kopf schallten, die mir einst so viel bedeutet hatten. „Du bist wunderschön. Deine welligen Haare fliegen sachte im Wind, das kühle, aber doch heimelige Licht des Mondes spiegelt sich in deinen braunen Augen wider und lassen sie strahlen. Es ist fast so, als würde der Mond nur dich anstrahlen." 

Nein! Das war das Letzte, woran ich denken wollte und es gab nur eine Möglichkeit, diese Gedanken ein für alle Mal zu verbannen. Flüchtig zog ich mich an, ließ meine Haare so, wie sie waren, und machte mich auf den Weg zu meiner besten Freundin. Jedoch plante ich vorher, einen kleinen Abstecher zu machen und so schlenderte ich ein wenig verloren durch die Straßen, bis ich nach einer halben Stunde fand, wonach ich suchte. 

Ich hätte nicht damit gerechnet, jemals vor einem Friseursalon zu stehen. Mama war immer diejenige gewesen, die mir die Haare geschnitten hat und selbst dann waren es nur die Spitzen, damit sie weiterhin schön lang wuchsen. Niemals wollte ich, dass jemand anderes Hand an meine Haare anlegt, aber ich überwand meine Angst und öffnete entschlossen die Tür, die beim Betreten ein Glöckchen klingen ließ. 

Sofort fielen die Blicke der anwesenden Friseurinnen auf mich und eine breit grinsende Frau mit frechem Bob und gewagten grünen Strähnchen beeilte sich, zu mir zu kommen. „Willkommen! Was kann ich Gutes für dich tun?" 

Noch konnte ich mich umdrehen. Noch konnte ich meine Entscheidung überdenken und alles beim Alten lassen. Aber ich wusste genau, dass ich sehnlichst eine Veränderung brauchte und diese hier bekommen würde. Also nahm ich tief Luft und antwortete: „Ich würde gerne meine Haare schneiden lassen. Haben Sie jetzt gerade etwas Zeit?" 

„Aber sicher! Nimm gerne Platz, ich bin sofort bei dir." Lächelnd brachte die Friseurin mich zu einem Stuhl und holte die benötigten Utensilien. Kurze Zeit später stand sie hinter mir, betrachtete mich im Spiegel und strich über meine langen Haare. „Also, was kann ich heute für dich tun? Die Spitzen ein wenig schneiden? Deine Haare sehen wirklich sehr gesund aus, du scheinst sie gut zu pflegen." 

„Ja, das tue ich auch", erwiderte ich und musste schlucken, bevor ich den nächsten Satz über meine Lippen brachte. „Aber Spitzen schneiden reicht nicht mehr. Ich möchte meine Haare abschneiden." 

„Abschneiden? Diese wundervolle Mähne?" Ich nickte und sah ihr dabei zu, wie sie mit ihrer Hand an eine bestimmte Stelle deutete. „Diese Länge ungefähr?" 

Ich verneinte und sie rutschte ein Stück nach oben, aber selbst das war nicht genug. „Nein. Ich habe eher... an diese Länge gedacht." 

Ohne noch eine Sekunde darüber nachzudenken, zeigte ich auf meine Schulter und begegnete meinem entschlossenen Blick im Spiegelbild. Niemals ich gedacht, dass ich mich das trauen würde, aber ich war nicht mehr dieselbe Person, die ich noch vor paar Monaten war. 

Lumina ✈ Destination: EuropaWhere stories live. Discover now