Kapitel 3

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  So bald Rouven die schwere Eichentür seines Zuhauses geöffnet hatte, und noch bevor er wirklich angekommen war, wusste er wieder, warum er mit allen Mitteln darum kämpfen musste, sich nicht zu verlieren. Seine Mutter Aimeé schwankte albern kichernd durch den Flur vor ihm und hatte einen großen Stapel Bücher in den Händen. Sie konnte den Stoß gerade noch so balancieren weil sie ihn unter ihrem Kinn eingeklemmt hatte, aber es sah nicht danach aus, als würde sie heil dort ankommen, wo auch immer sie hin wollte. Und sie wusste es.

     Rouven sollte recht behalten, denn in dem Augenblick, als seine Mutter ihn sah, wandte sie ihren Kopf in seine Richtung. Die Bücher sprangen ihr regelrecht aus dem Arm, doch das schien sie nicht wirklich zu interessieren. Sie strahlte ihn an und ging die wenigen Schritte auf ihn zu. 

Flüchtig bemerkte er, dass es sich bei den Büchern um immer das selbe Exemplar handelte und wusste somit, dass es mal wieder Zeit war.

     Seine Mutter hatte vor ca. 27 einen Bestseller geschrieben und knüpfte fast jährlich an diese Tradition an. Die Anzahl ihrer Anhängerschaft war treu und zahlreich und jedes Jahr kurz vor Veröffentlichung, saß sie Tage lang auf ihrem Hintern und signierte. Sie schrieb ausschließlich Vampirromane, was in der Familie oft für Spötteleinen und interne Witze sorgte. Denn eigentlich schummelte sie, verwendete sie doch nicht selten Ereignisse, die ihr passiert, oder in Mystic Falls geschehen waren. Natürlich so stark verändert, dass niemand ihr auf die Schliche kommen könnte, aber dennoch mogelte sie. Aimeé aber hatte ein dickes Fell – was das anging war sie völlig scherzfrei und schlachtete hemmungslos das Privatleben ihrer Freunde und Familie aus.

     Das Strahlen, mit dem sie ihn jetzt bedachte, war eines der Dinge, die ihn an sich selbst banden. Achtlos stieg sie über den Bücherberg um ihm eine Hand auf die Schulter zu legen. Mit der anderen strich sie ihm die schwarzen Strähnen aus seiner Stirn, wie sie es immer gemacht hatte seit er ein Kind war. Voller Liebe sah sie zu ihm auf.

     „Hi mein Großer, schön dass du wieder da bist. Ich hab dich vermisst. Wie geht’s deiner Nichte?“

     „Ylvie geht’s gut, du kennst sie ja. Und es ist ja nicht so, als wäre Skyler erst gestern mit ihr hier gewesen Mum.“ Er beugte sich nach unten und küsste die Wange seiner Mutter flüchtig.

     „Ja schon, aber du kennst mich. Als ich erstmal Familie hatte, konnte ich nicht genug von ihr bekommen. Und das wird sich nicht ändern, junger Mann. Also, komm her und umarme deine alte Mutter mal richtig!“

     Das war einmal mehr eine Tatsache, die ihn immer wieder zum Schmunzeln brachte. Seine Mutter war wohl wirklich seine Mutter mit all der dazugehörigen…naja…Autorität war wohl das falsche Wort… 

     Aber er und auch seine Schwester hatten mit Aimeé die wahrscheinlich fabelhafteste Mutter der Welt, obwohl sie nach wie vor aussah, als wäre sie maximal neunzehn. 

     Meistens verhielt sie sich auch so, doch wenn er Hilfe gebraucht hatte, Rat und Trost, dann war sie immer da gewesen. Der Spruch „Man sieht nur mit dem Herzen gut“ war für seine Mutter erfunden worden, und so packte er sie um ihre winzige Taille, hob sie hoch und drückte sie fest an sich. Ihr Lachen war so glücklich und echt, dass er sich für einen winzigen Moment ganz öffnete und es in sich strömen ließ, bevor er sie wieder absetzte. „War das so richtig?“, fragte er sie immer noch lächelnd und kannte die Antwort bereits.

     „Ja, genau so haben dein Vater und ich dir das beigebracht!“ Sie stupste seine Nase mit dem Finger und hielt dann seine Hände.

     „Und du Mum, schwer beschäftigt wie ich sehe? Wie viele hast du denn noch vor dir?“ Es tat so gut etwas Zeit übrig zu haben, in der er sich nicht mit sich selbst beschäftigen musste. Und seine Mutter war genau die richtige, wenn man jemanden suchte, der einen aufheitern konnte. Ob sie es absichtlich tat oder nicht, wusste niemand so genau sagen, aber wie immer fiel es ihr leicht, Rouven zum Lachen zu bringen.

Make me FeelWhere stories live. Discover now