Kapitel 42

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Meine Augen lagen auf Mateo, der wortlos vor mir stand und mich musterte. Er wusste nicht, wie ich auf seine Worte reagieren würde und wartete ab.

"Lass es mich erklären.", ohne ein Stück Reue schaute er mich mit seinen grünen Augen an. "Ich will hier weg.", sagte ich und senkte meinen Blick. "Wo willst du hin?", hakte er nach und runzelte seine Stirn. "Ich will einfach nur hier weg!", wurde ich lauter und versuchte meine Atmung unter Kontrolle zu halten.

"Hol deine Sachen, wir gehen in ein Hotel.", bot er mir an und kam auf mich zu. "Verstehst du denn gar nichts? Ich will weg von dir, Mateo!", klärte ich auf und gestikulierte mit meinen Armen in der Luft umher. Schock breitete sich für eine Millisekunde in seinen Augen aus. Mit einem Wimpernschlag war sie aber wieder weg.

"Ich bin immer noch der selbe. Es hat sich nichts geändert.", entgegnete er meinen Worten und kam mir näher. "Es hat sich nichts geändert? Mateo, du hast mir gerade erzählt, dass du jemanden umgebracht hast. Du hast das Leben eines Menschen beendet.", murmelte ich vor mir her und konnte es nicht fassen, "Warum bin ich nur mit dir hier hin geflogen?"

"Ich musste es tun! Verdammt nochmal. Ich musste!", brüllte er los und fuhr sich aggressiv durch seine Haare. Ich blickte zu ihm empor und schluckte gegen den Knoten in meinem Hals. "Glaubst du es ist leicht für mich damit zu leben? Nein, das ist es nicht.", erklärte er und schnaufte laut aus.

"Man hat immer eine Wahl, Mateo! Und es gab bestimmt eine andere Lösung als ihn umzubringen.", diskutierte ich weiter. "Mein Vater hat mich zu Dingen gezwungen, die du nicht mal zu träumen wagst.", knurrte er und schlug mit der Faust gegen die Wand.

Ich zuckte zusammen und konnte kaum noch meine Tränen zurückhalten. Mateo so zu sehen versetzte mich in Angst. Er war ein vollkommen anderer Mensch als im Urlaub auf Kuba. Dort war er der liebevollste Mann der Welt und jetzt schrie er mich an und erzählt mir von einem Mord.

"Natürlich weiß ich nicht, was du als Kind erlebt hast. Wie denn auch? Meine Familie ist keine Mafia!", schrie ich unter Tränen und bereute meine Worte sofort. "Tut mir leid. So habe ich das nicht gemeint.", stellte ich sofort klar und wischte meine Tränen weg.

"Emilia, es ist schwer für dich und das weiß ich. Aber bitte sei dir im Klaren darüber wie viel du mir bedeutest. Ich erzähle dir alles was du willst. Bitte geh jetzt nicht.", antwortete er und öffnete seine Arme für mich.

Unsicher stand ich vor dem Mann, den ich so sehr liebte, dass ich sogar einen Mord verzeihen würde. In diesem Moment war ich so verwirrt wie noch nie in meinem Leben. Einerseits wollte ich so weit weg von Mateo wie nur möglich. Andererseits wollte ich ihm nahe sein.

Meine Liebe überwog und ich ließ mich in seine Arme sinken. Er umschloss mich ganz fest und drückte mich an seinen Körper. Mein Kopf ruhte an seiner Brust, durch die ich seinen Herzschlag hören konnte. Wassertropfen seiner nassen Haare fielen in mein Gesicht.

Wir blieben einige Minuten so stehen und ich genoss das Gefühl seiner Finger, die über meinen Rücken fuhren. Es beruhigte mich und ließ meine Tränen trocknen. Mateo schaffte es einfach immer wieder meine Emotionen voll und ganz zu steuern.

"Gehen wir schlafen. Morgen werde ich dir erklären warum ich ... wie es ... naja was an diesem Tag passiert ist.", brach er das Schweigen und löste uns voneinander. "Ja.", stimmte ich ihm nickend zu und folgte ihm ins Schlafzimmer.

Mateo holte ein Hemd aus seinem Koffer und hielt es mir hin. "Hier. Nimm das.", forderte er mich auf. Ich nahm es dankend an und verabschiedete mich bis auf die Unterwäsche von meinen Klamotten. Dann ließ ich auch meinen BH zu Boden fallen und zog das Hemd an. Ich knöpfte es zu, während Mateo die Dekokissen vom Bett nahm und sie in der Kiste am Fuß des Bettes verstaute.

Anschließend legte ich mich hin und deckte mich zu, obwohl es hier ziemlich warm war. Aber ich konnte einfach nicht ohne Decke schlafen, egal wie heiß es war. Mateo legte sich dicht neben mich und ich spürte wie die Matratze unter ihm nachgab. Er drehte sich zur Seite, sodass er mich anschauen konnte.

Ich tat es ihm gleich und ließ meine Hand unter dem Kissen verschwinden und legte meinen Kopf darauf. Wir schauten uns durch die Dunkelheit an und sagten nichts. Es gab zwar einiges zu erzählen, aber wir schwiegen. "Gute Nacht.", flüsterte er und streckte sich zu mir rüber, um mir einen Kuss auf die Stirn zu legen. Ich schloss meine Augen und versuchte mir diese sanfte Geste ins Gehirn zu brennen. "Gute Nacht.", erwiderte ich seine Worte und schloss meine Augen.

🔹🔹🔹

Die mexikanische Sonne strahlte durch die Vorhänge und ließ das Schlafzimmer erstrahlen. Ich streckte mich und schaute zu Mateo rüber, der noch friedlich schlief. Seine Haare hingen in seiner Stirn und er war nur von der Hüfte abwärts von der weißen Decke bedeckt. Ich betrachtete seinen tätowierten und muskulösen Körper.

Plötzlich klingelte es an der Tür und Mateo öffnete sofort seine Augen. "Bleib hier. Ich gehe zur Tür.", mit kratziger Stimme gab er mir diesen Befehl und stand auf. Er schnappte sich eine Hose aus dem Koffer und zog sie an. Dann verschwand er aus dem Schlafzimmer.

Ich saß völlig verwirrt im Bett und konnte nicht einfach hier bleiben. Wer klingelt hier so früh? Vor allem, weil hier seit langer Zeit keine mehr war. Entschlossen stieg ich aus dem Bett und hörte Mateo bereits auf spanisch reden. Er schien sich mit jemandem zu streiten.

Langsam öffnete ich die Schlafzimmertür und guckte durch den kleinen Spalt. Genau in dieser Sekunde hörte ich lauten Knall. Das Blut in meinen Adern fror ein, als ich das Blut sah, das vor Mateo auf den Boden tropfte. Der Mann gegenüber von ihm schrie noch etwas und drehte sich dann um. Ich konnte sein Gesicht aus diesem Winkel nicht sehen, aber ich wusste dass ich diesen Mann bis zu meinem letzten Lebenstag hassen werde.

Ich stürmte zu Mateo, der auf sich herunter schaute und seine Hand auf seine Brust presste. Alles war voller Blut. Seine ganze Hand und seine Brust. Wie Wasser floss es seinen Körper herunter. Ich wollte schreien, aber ich konnte nicht. Es kam kein Ton aus meinem Mund. Was passierte hier gerade?

Mateo konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten und knickte ein. Er fiel auf seine Knie und atmete schwer. Ich war panisch und hörte meinen eigenen Herzschlag. Alles um mich herum brach ein. Ich versuchte ihn aufrecht zu halten mit all meiner Kraft, aber sein Körper fiel nach vorne. Mateo lag in der Pfütze seines Blutes und ich weinte. Ich weinte und weinte. Meine Luft blieb mir weg und ich schnappte nach Sauerstoff.

"Mateo!", schrie ich und schaute auf meine Hände herunter, die mit seinem Blut verschmiert waren. Ich rüttelte an seiner Schulter und konnte nicht glauben was gerade vor meinen Augen passiert ist. "Mateo! Steh auf!", schluchzte ich, bis alles um mich herum schwarz wurde.

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