Kapitel 27

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Gerade als ich weiter fragen wollte, kam Mateo in die Küche und Gabriela schaute mich nur mit einem viel sagenden Blick an. Jetzt war mir klar, dass sie nicht darüber reden durfte. Aber das führte nur zu noch mehr Neugier. Was verheimlichte Mateo und wovor soll ich Angst haben?

"Ich bin in einer halben Stunde wieder zurück.", informierte er uns bloß und drehte sich gleich wieder um. Gabriela verwunderte es genau so sehr wie mich, dass er so kalt und emotionslos war. Habe ich es vorhin etwa übertrieben? Das mit dem Vertrauen war doch gar nicht so gemeint. Ich vertraute ihm, selbst wenn er nicht bereit ist mir seine Geheimnisse zu erzählen.

"Was war denn mit ihm los?", wandte sich Gabriela an mich und stellte Waffeln vor mich hin, die bis eben noch auf dem Waffeleisen waren. "Wir hatten eine Diskussion.", erzählte ich ihr und fing an mein Frühstück zu essen. "Danke, die schmecken wirklich gut.", fügte ich meinem Satz hinzu, nachdem ich ein Stück probiert habe. Die Haushälterin lächelte daraufhin. Mateo bedankte sich wahrscheinlich nicht mehr bei ihr, weil er es schon gewohnt war bedient zu werden.

"Über was habt ihr denn geredet, wenn ich fragen darf.", sie setzte sich gegenüber von mir hin und trank ihren wohlverdienten Tee. Zuerst überlegte ich, ob ich es ihr erzählen soll. Aber dann fing ich einfach mit dem reden an.
"Er verheimlicht mir offensichtlich etwas und er kann es mir nicht sagen. Behauptet er zumindest.", erzählte ich und genoss jeden Bissen der Waffeln. Ich habe noch nie so gute Waffeln gegessen.

"Er wird dir davon erzählen, sobald alles geregelt ist.", sprach sie mit ruhiger Stimme und lächelte mich mitfühlend an. Sie wusste also ganz genau, was da vor sich geht.
"Bis was geregelt ist? Hat er eine Frau und lässt sich scheiden oder was?", vermutete ich.

"Nein, um Gottes Willen. Mateo hat mir bis jetzt nur eine einzige Frau vorgestellt und die bist du, Emilia. Die anderen waren nur bedeutungslose Beziehungen.", redete Gabriela und schüttelte ihren Kopf. Ich bedeutete ihm also etwas.

"Aber warum verschließt er sich dann immer, sobald es um seine Familie geht?", hakte ich nach und verstand die Welt nicht mehr.
"Das wirst du noch davon erfahren. Er braucht noch ein bisschen Zeit. Momentan ist es schwierig irgendetwas zu erzählen.", gab sie zu und presste ihre Lippen aufeinander. Wie lang wird es noch dauern? Ich wusste es nicht. Und ich wusste auch nicht, wie lange ich es noch aushalten würde im Dunkeln zu tappen.

"Manchmal frage ich mich, ob das mit Mateo und mir überhaupt Sinn macht.", ich senkte meinen Blick und legte meine Stirn in Falten.
"Warum denkst du denn sowas?", wollte Gabriela wissen und klang etwas enttäuscht.
"Vor ein paar Tagen habe ich ihm gesagt, dass ich ihn liebe und er hat es nicht erwidert oder überhaupt darüber gesprochen.", mein Blick war immer noch gesenkt und es fiel mir schwer mich zusammenzureißen. Normalerweise war ich nicht nah am Wasser gebaut, aber Mateo zeigte mir neue Seiten an meinem Körper.

"Er liebt dich doch auch.", behauptete sie und strich über meine Hand. Ich hob meinen Kopf und schaute in ihre braunen Augen. Der Funken Hoffnung fing langsam wieder an zu brennen. "Hat er das zu dir gesagt?", fragte ich erleichtert und hob meine Augenbrauen. "Nein, Mateo sagt diese Worte nicht. Zu niemandem.", gab die Haushälterin zu und zuckte mit ihren Schultern. "Warum nicht?", ich atmete tief durch und schluckte die Enttäuschung einfach herunter.

"Ich werde dir jetzt etwas sagen, was ich eigentlich nicht erzählen soll. Versprich mir, dass du nicht weiter nachhakst.", Gabriela schaute mich erwartungsvoll an, bis ich ihr mein Versprechen gab. Wollte ich es überhaupt wissen? Natürlich wollte ich das.

"Okay, versprochen.", sagte ich nach ein paar Sekunden und machte mich auf ihre Worte gefasst. "Na gut. Mateo hat eine sehr schwierige Kindheit hinter sich und kennt das Gefühl zu lieben oder geliebt zu werden nicht. Bis jetzt zumindest. Seitdem du in sein Leben getreten bist, verhält er sich ganz anders. Er hat einen Menschen, der ihn liebt. Und ich bitte dich, Emilia, halte an ihm fest. Zieh ihn aus dem tiefen Loch und zeig ihm eine Welt voller Liebe und Mitgefühl.", legte sie mir ans Herz und hob ihren Mundwinkel.

Ich war vollkommen baff von der Offenheit und bereute meine Worte, die ich zu Mateo gesagt habe. Mir ist schon aufgefallen, dass er anders ist. Aber mit diesen Informationen habe ich ganz sicher nicht gerechnet, auch wenn das nicht mal die Hälfte seiner Geschichte war.

Während ich über Mateo nachdachte, kam er auch schon wieder nach Hause. Ich runzelte meine Stirn, als er aus dem Aufzug stieg. Wie schnell war diese halbe Stunde denn vergangen?

Bei näher Betrachtung merkte ich erst wie wütend Mateo aussah. Seine Augen waren dunkel und voller Hass, während er seinen Kiefer anspannte und seine Hände zu Fäusten geformt hat. Was war in den letzten Minuten passiert? Warum war er so aufgebracht?

"Mateo, ich-", mein Gewissen zwang mich dazu, dass ich mich bei ihm entschuldige. Aber er schnitt mir die Worte ab und ging an mir vorbei. "Jetzt nicht.", maulte er bloß und trat die Treppen nach oben. "Aber-", diesmal unterbrach mich Gabriela, indem sie ihre Hand auf meine Schulter legte.

"Er braucht jetzt Zeit für sich. Er beruhigt sich schon wieder.", hatte er etwa öfter solche Momente? Was war bloß los mit dem scheinbar perfekten Geschäftsmann. Da wurde mir mal wieder klar, dass jeder seine Leichen im Keller hatte.

"Du hast mir gerade noch gesagt, dass ich ihm aus dem tiefen Loch helfen soll. Also werde ich jetzt zu ihm gehen.", widersprach ich der Frau und folgte Mateo über die Marmortreppen nach oben. Da er ein bisschen Vorsprung hatte, sah ich nur wie er in die Bibliothek ging und die Tür hinter sich schloss.

Ein mulmiges Gefühl folgte mir, während ich mich der Tür näherte und daran klopfte. Mateo antwortete nicht, weshalb ich sie einfach öffnete und den Raum betrat. Hier war niemand, also musste er auf der Dachterrasse sein. Ich ging rüber zu der Glastür, die offen stand und trat auf die Terrasse.

Mit meinen Augen wanderte ich nach rechts und dann nach links, wo er auf der Lounge saß. Er hat sich nach vorn gebeugt, die Ellbogen auf den Knien und die Hände an der Stirn. So verzweifelt habe ich Mateo González noch nie gesehen. Er tat mir leid und ich wollte sofort, dass er wieder lächelt.

"Mateo.", meine Stimme war sanft, als ich auf ihn zuging. Sein Kopf schnellte in die Luft und er sah mich grimmig an. "Ich habe gesagt jetzt nicht. Geh wieder nach unten, Emilia.", brummte er und wandte seinen Blick wieder von mir ab. So herrisch wie er war, dachte er sicher, dass ich seinem Befehl folgen werde. Aber das machte ich nicht. Ich ging noch näher an ihn heran und konnte seine Wut schon fast greifen.

"Nein.", widersprach ich und bekam dafür einen weiteren wütenden Gesichtsausdruck von ihm, "Ich gehe nirgendwo hin." Mateo schaute mich einfach nur an und biss sich auf die Zähne.

"Emilia, du verstehst es nicht.", begann er zu sprechen, aber ich ließ keine weiteren Worte zu. "Ich verstehe, dass du jetzt eine Person brauchst, die bei dir ist. Und diese Person bin ich.", redete ich und stand nun direkt vor ihm.
"Ich brauche niemanden!", schrie er und erhob sich. Mit einem Mal musste ich meinen Kopf in den Nacken legen, um ihm weiterhin in die Augen schauen zu können. Sein lauter Ton brachte mich überraschenderweise nicht aus der Fassung. Ich blieb unbeeindruckt vor ihm stehen und betrachtete die lodernde Wut in seinen Augen.

"Ich brauche aber dich.", gab ich von mir und ging noch einen Schritt auf Mateo zu. Zwischen uns war kaum mehr Platz für ein Blatt Papier. Aber für mich was das immer noch zu fiel. Also legte ich meine Arme um ihn und drückte mich an seinen Körper. Ich spürte wie er seine Muskeln anspannte und sonst regungslos herumstand. Er erwiderte die Umarmung nicht und blieb stur.

"Ich habe keine Angst vor dir.", machte ich ihm klar und kuschelte meinen Kopf an seine muskulöse Brust. Ich hörte seinen schnellen Herzschlag und wusste deshalb genau wie aufgeregt er war. Zögernd hob Mateo seine Arme an und schlang sie um meinen kleinen Körper. Er drückte mich noch näher an sich und küsste meinen Scheitel.

"Womit habe ich dich nur verdient.", murmelte er und so langsam entspannte er sich auch komplett. Sein Herz schlug nicht mehr so schnell und seine Atmung wurde ruhiger. Ich habe es tatsächlich geschafft ihn zu beruhigen.

One Night StandOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz