42. Wie ein Stich ins Herz

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Plötzlich ertönte ein Hupen und wir wirbelten alle herum. Ein Auto kam hinter einem der Hügel her und mit Vollgas angefahren.
Wer ist das denn jetzt?
„Was zum...?", stieß Fry Pan hervor und sah uns verwirrt an.
Ohne zu bremsen raste der Wagen auf eine Gruppe der SWAT-Einheit zu und wurde auch nicht langsamer, als sie begannen, zu schießen. Ganz im Gegenteil, der Fahrer gab noch mehr Gas und die Männer mussten zur Seite springen, um nicht überfahren zu werden.
Als nächstes erreichte das Auto den Hubschrauber, mit dem Janson gekommen war, und rammte ihn, weshalb er umkippte und in unsere Richtung rutschte. Erschrocken sprangen wir zu Boden und hielten uns schützend die Hände über den Kopf, doch zu unserem Glück kam das Ding ein Stück vor uns zum Stillstand.
Jetzt brach allgemeine Panik aus. Einige Menschen rannten weg, andere begannen, mit den Leuten von WICKED zu kämpfen. Ich sah erschrocken zu Newt herüber, der neben mir auf dem Boden lag. Was sollten wir als nächstes tun? Wie es aussah hatten wir gerade doch noch eine Chance bekommen, das Ganze zu überleben.
Newt sprang auf die Füße und zog mich hoch. Auch unsere drei Freunde waren jetzt wieder auf den Beinen und wir sammelten uns.
„Okay, alles gut?", fragte Thomas und drehte sich einmal im Kreis, nur um im nächsten Moment in die Mündung eines Gewehrs zu gucken.
Einer der SWAT-Mitglieder zielte mit seinem Elektroschocker-Gewehr auf ihn.
„Thomas, pass auf!", rief jemand hinter mir und als ich mich umdrehte, erkannte ich das Mädchen.
„Stehen bleiben! Fallen lassen, Kleiner! Weg da, Miss Francesca!", rief der Mann.
Das war also der Name des Mädchens.
Erst jetzt fiel mir wieder ein, dass Thomas noch immer die Bombe in der Hand hielt. Wir hatten Glück gehabt, dass er den Zünder bei dem Sturz nicht ausversehen gedrückt hatte.
„Los, wirf sie!", rief ich und Thomas verstand sofort.
Er sah kurz auf die Bombe in seiner Hand, dann zu unseren Gegnern und im nächsten Moment warf er sie nach ihnen.
„Schnell, in Deckung!", brüllte er und wir warfen uns alle ein weiteres Mal auf den Boden.
Nur Sekunden später, lange, bevor die Männer hatten reagieren können, ertönte ein ohrenbetäubender Knall und der Boden vibriete, als die Bombe explodierte.
Ich sah auf und erkannte, dass alle, die in der Nähe gestanden hatten, tot waren.
„Shit!", keuchte Minho neben mir.
Da tastete plötzlich jemand nach meiner rechten Hand und ich drehte den Kopf. Neben mir lag das Mädchen und sah mich durchdringend an.
„Nimm das! Schnell, steck ihn ein! Mach schon!"
Verdutzt ließ ich mir von ihr einen Zettel in die Hand drücken. Ich sah sie mit großen Augen an, aber sie sprang auf die Füße und trat ein paar Schritte von mir zurück, als wolle sie nicht, dass jemand sah, dass sie mit mir sprach.
„Jetzt steck ihn ein!"
Wir standen auf, klopften uns unsere Sachen ab und ich schob den Zettel in meine Hosentasche, als aus dem Rauch, den die Explosion verursacht hatte, plötzlich Janson auftauchte. Entsetzt machte ich einen Schritt zurück. Sein Gesicht verhieß nichts Gutes. Er sah aus, als würde er uns jetzt schlussendlich doch alle umbringen.
Thomas, der gerade hatte aufstehen wollen, nachdem er mehr von der Wucht der Explosion abbekommen hatte, als wir, wurde von ihm überrascht und bekam einen Schlag im Gesicht ab, weshalb er wieder zu Boden ging.
„Tommy, nein!", schrie ich, als der Mann seine Pistole zog und auf den wehrlosen Thomas zielte, den er jetzt mit einem Fuß auf dem Boden fixierte.
Ich wollte loslaufen und ihm helfen, aber Newt packte mich, indem er seine Arme um meinen Oberkörper schlang und mich an sich drückte. Kein Zappeln und Schreien half. Wahrscheinlich war das auch gut so, denn wenn Janson Thomas umbringen wollte, würde er mich garantiert ebenfalls erschießen, bevor ich auf drei Meter an ihn herankommen konnte. Aber über so etwas dachte ich in diesem Moment nicht nach, stattdessen brüllte ich Newt an, er solle mich loslassen. Ich wehrte mich so sehr gegen seinen Griff, dass er Minho anschrie, er solle ihm helfen. Und gegen die beiden zusammen hatte ich keine Chance mehr. Ich konnte nur hilflos zusehen, wie Janson seine Waffe auf Thomas' Kopf richtete.
„Was für eine Verschwendung", stellte er fest und klang dabei fast traurig.
„Mr. Janson, hören Sie auf! Sie haben gehört, was Miss Paige über ihn und das Mädchen gesagt hat!", versuchte das Mädchen namens Francesca ihm zu helfen.
„Sei still! Du solltest längst bei ihr im Berg sein. Geh!", wies Janson sie an.
Unschlüssig blieb sie stehen, sah von ihm zu uns und verschwand dann doch im Rauch der Explosion.
Jetzt galt meine Aufmerksamkeit wieder Janson, der noch immer im Begriff war, Thomas zu erschießen.
Plötzlich ertönte ein Schuss und traf den Mann in die Schulter. Sofort kippte er vor Schmerz schreiend zur Seite. Thomas war wieder frei.
Verwirrt und erleichtert sah ich mich nach dem Schützen um. Und da sah ich sie – Brenda saß hinter einem Felsen und grinste uns breit an. Mein Herz machte einen Hüpfer und ich rannte zu Thomas, nachdem Newt und Minho mich endlich wieder losgelassen hatten.
Doch ich wurde sofort wieder aus meiner Euphorie gerissen, als eine Kugel direkt neben meinem Kopf hersurrte. Instinktiv duckte ich mich und sah mich nach dem Schützen um. Janson saß auf dem Boden und versuchte, mich mit seiner Pistole zu erfassen, als Brenda ein weiteres Mal auf ihn schoss und er die Flucht ergriff.
„Anna, Thomas, kommt, weg hier!", rief Newt und winkte uns zu sich.
Wir rannten los, jetzt dicht gefolgt von einem weiteren Kerl von WICKED, der mit seinem Elektroschocker auf uns zielte und uns mehrmals nur knapp verfehlte. Wieder rettete Brenda uns, indem sie ihn anschoss.
„Kommt, weg hier!", rief Minho uns zu, als wir die Anderen erreichten.
Er winkte uns hinter sich und schoss jetzt selber auf zwei Männer, die hinter uns her waren. Wie es aussah hatte er das Gewehr irgendwem abgenommen.
„Minho, na los!", schrie Thomas ihn an und blieb kurz stehen, bevor er mir zu Newt und Fry Pan in die Deckung einiger Fässer folgte.
„Verschwinde, los!", wies Minho ihn an und schoss wieder auf unsere Verfolger.
Einen von ihnen erwischte er, aber mehrere kamen nach und dann war seine Munition leer. Er musste nachladen und diese Zeit nutzten die Männer, um auf ihn zu schießen. Einer von ihnen traf sein Ziel und wir mussten hilflos zusehen, wie Minho zuckend zu Boden ging.
„Nein, Minho!", schrie ich.
„Minho!", brüllte auch Thomas aus vollem Hals.
Aber es war zu spät. Er kippte über eine Proviantkiste, die neben ihm stand und sah uns entsetzt an. Im nächsten Moment waren die Männer bei ihm und packten ihn unter den Axeln.
„Minho, nein! Minho!", schrie ich wieder und wieder und unsere Blicke trafen sich, als sie ihn mit sich zogen.
Ich sprang hinter den Fässern hervor und rannte los, ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken. Sie waren gerade dabei Minho mitzunehmen.
Minho!
Da hätten sie mir auch gleich meine Beine amputieren können. Ich hatte die gesamten letzten drei Jahre mit ihm verbracht, war jeden Tag mit ihm im Labyrinth gewesen. Lieber wollte ich sterben als ihn WICKED zu überlassen.
„Anna, Thomas, kommt zurück!", hörte ich Newt hinter mir rufen und mir wurde klar, dass Thomas mir folgte.
Ich wollte mich umdrehen und ihn anschreien, er solle weg bleiben, sich in Sicherheit bringen, aber meine Beine trugen mich immer weiter, rannten meinem Hüter hinterher, der immer weiter von mir weggetragen wurde.
„Minho!"
Immer wieder brüllte ich seinen Namen.
Ich stürzte an Jorge vorbei, der versuchte, mich festzuhalten, aber ich schaffte es, ihm auszuweichen. Thomas gelang dies nicht, denn ich konnte hören, wie er sich lautstark beschwerte, als er festgehalten wurde, aber noch immer drehte ich mich nicht um.
Ich hatte sie beinahe erreicht, als ich plötzlich von den Füßen gerissen wurde und mit einem dumpfen Aufprall auf dem Boden aufkam. Entsetzt keuchte ich, als mir die Luft aus den Lungen gedrückt wurde, weil jemand direkt auf mir landete. Ich sah auf und erkannte Vince, der mich jetzt packte und mir dabei auf die Beine half, mich aber nicht los ließ.
„Nein, nein! Minho!", schrie ich und begann zu weinen. „Nicht er, ihr Strünke! Nicht er!"
Mit all meiner Kraft versuchte ich mich, gegen Vince' Griff zu wehren.
„Lass mich los! Lass mich! Minho, nein!"
Meine Schreie übertönten das Chaos um uns herum und alle, die noch am Leben und bei Bewusstsein waren, sahen jetzt uns an.
„Anna! Hör auf, du kannst ihm nicht helfen!"
Am liebsten hätte ich ihn gebissen, geschlagen, aber meine Kraft verließ mich. Schluchzend brach ich in seinen Armen zusammen und schlug mir die Hände vors Gesicht.
„Minho, nein Minho...", schluchzte ich und merkte, wie die Luft mir wegblieb, so sehr schüttelten die Schluchzer mich jetzt.
Ich ließ die Hände wieder sinken und sah ihm nach, wie er in das Berg geschleppt wurde, immer noch bewusstlos. Janson stürzte ebenfalls hinein und die letzten seiner Männer folgten ihm, als die Klappe begann, sich zu schließen.
Paige, Janson und Teresa sahen uns stumm an, Aris und Sonya blickten verzweifelt zu uns herunter, das Mädchen – Francesca – starrte mich mit großen Augen an und hatte wieder diesen entschuldigenden Gesichtsausdruck drauf, aber ich konnte meinen Blick nicht von meinem Freund wenden, der reglos in den Armen der zwei Männer hing, die ihn weggebracht hatten.
Ich konnte es einfach nicht fassen. Sie nahmen ihn wirklich mit. Und ich konnte nichts tun, als hier zu stehen und zuzusehen, wie das Berg jetzt abhob.
Als es hinter den Bergen verschwand und Minho mit sich nahm, sackte ich in Vince' Armen zusammen. Ich spürte, wie mein Bewusstsein mir entglitt und versuchte nicht einmal, mich dagegen zu wehren.
Es war egal. Es war vorbei.
Schritte kamen näher und jemand rief meinen Namen. Newt.
„Was hat sie?"
„Wurde sie getroffen?" Das war Fry Pan.
„Nein, ich glaube sie ist einfach nur bewusstlos..."
„Aber warum?"
Ich spürte, wie Newt mir eine Hand auf die Stirn legte.
„Los, wir legen sie hin."
„Hat jemand was für ihren Kopf?"
„Hier, meine Jacke!"
Vince legte mich vorsichtig auf dem Boden ab und jemand schob mir eine Jacke unter den Kopf, die nach Newt roch.
„Was hat sie denn nun? Warum wacht sie nicht auf? Anna, komm schon...", sagte er verzweifelt.
„Sie ist ohnmächtig. So etwas nennt man ein gebrochenes Herz." Das war Brendas Stimme.
Sie legte mir eine kühle Hand auf die Stirn.
„Sie wird wieder, keine Sorge. Lasst sie sich ausruhen."
„Okay, wir müssen alles retten, was zu retten ist!", sagte Vince.
„Ich bleibe bei ihr."
Newt setzte sich neben mich und nahm meine Hand.
„Ich auch", sagte Brenda und ich war froh, als sie meine andere Hand mit ihren kühlen Fingern umschloss.
Dann entglitt mir mein Bewusstsein vollständig.
Ich hatte seit über drei Jahren – abgesehen von manchen Nächten – nicht mehr als eine Stunde ohne Minho verbracht. Wir waren jeden Tag zusammen in das Labyrinth gelaufen und er hatte mir so oft das Leben gerettet. Ich konnte mir ein Leben ohne ihn nicht vorstellen und allein der Gedanke daran war dunkel und trüb.
Aber desto mehr ich in die Ohnmacht glitt, desto klarer wurde die Tatsache, die WICKED eben besiegelt hatte.
Minho war fort.

Through The WICKED Scorch | A Maze Runner StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt