8. Leblose Körper

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Wir krabbelten im Eiltempo durch die Lüftungsschächte und erreichten die Klappe, durch die wir in der vergangenen Nacht beobachtet hatten, was in dem Gang unter uns passiert war. Thomas vergewisserte sich kurz, ob die Luft rein war, dann nickte er Aris zu und dieser öffnete die Klappe.
Als erstes ließ sich Thomas herunter, dann Aris und zuletzt ich, wobei Thomas mich auffing.
„Danke, Tommy", flüsterte ich, als er mich wieder losließ.
Wir sahen uns kurz noch einmal in dem Gang um, aber niemand war zu sehen oder zu hören und so schloss Aris die Klappe, damit niemand Verdacht schöpfte und folgte uns dann zu der Tür. Thomas zog die Schlüsselkarte durch das Terminal und es leuchtete grün, woraufhin die Tür aufging. Wir betraten eine Art Schleuse, in der Kittel hingen und sahen uns um. Durch ein großes Fenster auf der rechten Seite konnte man mehrere Kapseln sehen, in denen große Dinger schwammen, die aussahen wie entstellte, viel zu groß geratene Embryonen. Thomas und ich wechselten einen entsetzten Blick.
Was sind das für Dinger? Was machen diese Leute hier?
Jetzt öffnete Thomas die zweite Tür und vor uns erstreckte sich ein großer Raum, in dem in zahlreichen Reihen menschliche Körper aufgehängt waren, an Schläuche angeschlossen und irgendwie nicht lebendig und auch nicht tot.
„Was zur Hölle...?", flüsterte Thomas und ich schlug mir eine Hand vor den Mund.
Wir liefen durch die mittlere Reihe aus Menschen und ich stellte fest, dass es alles Jugendliche waren. Ich erkannte ein Mädchen, das am Abend zuvor aufgerufen worden war, ihr Name war Evelyn gewesen. Mich überkam ein Übelkeitsgefühl und mein Herz schlug doppelt so schnell.
Wir müssen die Anderen hier heraus bringen. Sofort.
Aber Thomas dachte an etwas ganz anderes, denn als ich gerade eine Ampulle betrachtete, in die etwas bläuliches tropfte, das dem Mädchen abgezapft wurde, hörte ich, wie er nach Luft schnappte.
„Teresa?!"
Ich schreckte hoch und folgte ihm sofort. War sie es?
Bitte, bitte lass es nicht Teresa sein.
Und sie war es nicht. Erleichtert stieß ich die Luft aus und wechselte einen Blick mit Thomas, der noch immer beunruhigt aussah. Zu Recht.
Aris war ebenfalls neben uns getreten.
„Das ist Rachel. Sie war schon am ersten Abend dran. Ich hab ihr gesagt, alles wird gut..."
Ich konnte in seinen Augen Trauer erkennen. Aber das war es nicht, was mich so durcheinander brachte. Der Name, den er soeben genannt hatte, er brachte mich völlig aus der Fassung. Jetzt, da ich das Mädchen genauer betrachtete, fiel es mir wie Schuppen von den Augen.
„Ich kannte sie", stieß ich hervor. „Sie war meine Freundin."
Aris sah mich mit großen Augen an. „Du erinnerst dich an früher?"
Ich nickte. „Nicht an alles, aber an manches. Immer wieder an ein bisschen."
Er musterte mich neugierig und ehrfürchtig zugleich, aber bevor einer von uns noch etwas sagen konnte, ertönte das Geräusch der äußeren Tür. Im nächsten Moment öffnete sich die innere Tür und Janson kam herein. Zu unserem Glück sah er nicht auf und entdeckte uns nicht.
„Scheiße!", stieß ich hervor und zog Thomas in letzter Sekunde hinter eine Säule. Aris huschte davon und ich sah nicht genau, wo er sich versteckte.
Als Janson an uns vorbei lief, drückten wir uns an die Säule und gingen so herum, dass er uns nicht sehen konnte. Ohne es zu bemerken hatte ich Thomas' Arm gegriffen und klammerte mich daran fest. Erst jetzt erkannte ich, dass er nicht alleine war, sondern noch jemanden bei sich hatte, denn er sprach mit diesem anderen Menschen.
„Kann das wirklich nicht warten?", fragte er und klang genervt.
„Sie war sehr bestimmend, Sir. Sie wollte unbedingt mit ihnen persönlich sprechen."
Wen meinte er mit 'sie'?
„Als ob ich nicht schon genug zu tun hätte."
Stille. Dann begann der andere Mann wieder zu reden.
„Ähm, einen Moment Geduld bitte. Es gibt ein paar Differenzen wegen des Unwetters."
Ich sah mich zwischen den von der Decke hängenden Menschen um und entdeckte jetzt Aris, der sich hinter einer Sauerstoffflasche versteckte. Erneut gingen wir ein Stück um die Säule herum und ich richtete meinen Blick wieder auf die beiden Männer. Noch immer hielt ich Thomas' Arm und er legte seine andere Hand auf meinen Arm, als wollte er mich beruhigen.
„Das ist gut genug, stellen sie die Verbindung her", sagte Janson ungeduldig und jetzt drückte der Mann etwas auf seinem Tablett und ein Hologramm entstand mitten zwischen den bewusstlosen Jugendlichen. Es erschreckte mich, wie normal es für die beiden zu sein schien, hier zwischen so unzähligen Körpern zu stehen und sich nicht einmal nach ihnen umzusehen.
Das Hologramm zeigte eine Frau in weißem Kittel, die an einem Schreibtisch saß. Mir stockte der Atem. Ich kannte diese Frau. Sie war es, die uns auf dem Video in dem Labor beim Labyrinth erzählt hatte, wer wir und warum wir angeblich so wichtig für WICKED waren.
Aber sie hat sich doch erschossen. Wir haben ihre Leiche gesehen.
War das alles nur eine Täuschung gewesen? Was hatte sie mit den Menschen hier zu tun? Es konnte doch nicht sein, dass wir WICKED noch immer nicht entkommen waren und man uns das nur weiß machen wollte - oder?
„Guten Abend, Dr. Paige. Reizend, Sie wieder zu sehen. Obwohl ich zugeben muss, ich hatte nicht erwartet, schon so bald von Ihnen zu hören." Jansons Stimme klang aufgesetzt freundlich.
Auch Thomas hatte die Frau jetzt erkannt, das konnte ich an seinem entsetzten und verständnislosen Gesichtsausdruck erkennen. Er ging in die Hocke, wohl um noch besser sehen zu können, und mir blieb nichts anderes übrig, als ebenfalls in die Knie zu gehen, weil wir uns noch immer gegenseitig festhielten.
„Planänderung, Janson. Ich werde etwas früher eintreffen als erwartet – gleich morgen früh."
„Oh, wir freuen uns darauf, Sie hier empfangen zu dürfen. Sie werden über die Fortschritte, die wir gemacht haben, erfreut sein."
Er machte eine Handbewegung und der andere Mann drückte wieder etwas, sodass Aufzeichnung vor der Frau zu erscheinen schienen.
„Wie Sie sehen können, sind die ersten Resultate äußerst vielversprechend. Was auch immer es ist, was sie mit ihnen machen – es funktioniert."
Sie betrachtete das, was das Hologramm ihr zeigte kurz und schüttelte dann den Kopf.
„Nicht gut genug. Der Vorstand hat soeben seine Genehmigung erteilt. Ich wünsche, dass alle verbliebenen Probanden bei meiner Ankunft betäubt und für die Entnahme vorbereitet sind."
„Dr. Paige, wir arbeiten so schnell, wie wir können. Wir führen noch Untersuchungen durch..."
„Versuchen sie etwas Schnelleres. Bis ich für Ihre Sicherheit garantieren kann, ist das die beste Vorgehensweise."
„Ma'am, Sicherheit ist mein Job. Wir haben hier alles rund um die Uhr verriegelt. Ich versichere Ihnen, die Auserwählten sind unter Kontrolle."
„Haben sie den Rechten Arm gefunden?"
Diese Bezeichnung kenne ich!
Ich assoziierte sie sofort mit Thomas und sah ihn aufmerksam an, aber es schien ihm nicht so zu gehen wie mir.
„Nein, noch nicht."
„Hm", machte Paige, als hätte sie es gewusst.
„Ihre Spur führt in die Berge..."
„Also sind sie immer noch da draußen und haben bereits zwei unserer Einrichtungen angegriffen." Thomas, Aris und ich wechselten einen Blick. Was bedeutete das?
„Die wollen diese Kids genauso wie wir. Und ich kann keinen, ich kann keinen weiteren Verlust hinnehmen. Nicht jetzt, so kurz vor der Fertigstellung des Heilmittels. – Wenn Sie dieser Aufgabe nicht gewachsen sind, werde ich jemanden finden, der es ist."
Mit diesen Worten drehte sie sich um und ging zurück zu ihrem Schreibtisch.
„Das wird nicht notwendig sein. Dürfte ich vorschlagen, dass wir mit den Neuankömmlingen beginnen?"
Das sind wir. Oh Gott, das sind wir.
„Erledigen Sie es einfach."
Janson drehte sich um und wollte gehen, als Paige ihn aufhielt.
„Janson, ich möchte nicht, dass sie Schmerzen empfinden."
„Sie werden gar nichts spüren."
Mit diesen Worten drehte er sich abermals um und sein Begleiter folgte ihm, wobei er das Hologramm abschaltete.

Through The WICKED Scorch | A Maze Runner StoryWo Geschichten leben. Entdecke jetzt