17. Die Geisterstadt

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Ich schreckte von Newts Brust hoch, als ich jemanden schreien hörte und war sofort in Alarmbereitschaft. Dann stellte ich fest, dass es nur Thomas gewesen war, der eine Krähe verscheuchte, die sich an einem unserer Rucksäcke zu schaffen gemacht hatte.
Ich sah mich um und wurde von der gleißenden Sonne geblendet, die mir in die Augen schien. Kurz wusste ich nicht, wo ich war, bis mir alles wieder einfiel. Wir waren vor einer Horde Cranks geflüchtet, Jack war tot und Winston schwer verletzt.
Thomas war aufgestanden und sah sich suchend um.
„Sind sie weg?", fragte Newt und richtete sich jetzt auch auf.
„Ja. Ich glaub wir sind jetzt in Sicherheit. Los, verschwinden wir hier. Packen wir zusammen."
Ich sah zu den Anderen herüber und erkannte, dass Teresa sich verwirrt den Kopf hielt. Wieder fragte ich mich, was mit ihr los war. WICKED musste irgendetwas mit ihr gemacht haben, als sie von uns getrennt gewesen war, aber ich konnte mir noch nicht ausrechnen, was es gewesen war.
„Aris, komm! Pan, Winston, los geht's!"
Thomas suchte seine Sachen zusammen und die Anderen kamen jetzt auch langsam richtig zu sich.
Newt reichte mir eine Hand und half mir auf die Beine. Ich kontrollierte meinen Rucksack und setzte ihn mir dann auf den Rücken. Neben mir erklang ein schmerzverzerrtes Stöhnen und ich drehte mich um. Winston versuchte aufzustehen, schaffte es aber nicht. Fry Pan und ich halfen ihm und reichten ihm jeder eine Hand.
„Hey, Mann. Alles okay?", fragte Fry Pan ihn.
Er nickte schwach und wir machten uns auf den Weg, Thomas hinterher. Wir kletterten den Berg aus Schutt wieder hoch und liefen dann auf das Ende des Gebäudes zu, auf dem wir uns noch immer befanden. Hin und wieder mussten wir Winston helfen – Fry Pan lief hinter ihm und ich vor ihm –, aber die meiste Zeit schaffte er es alleine.
Als wir den Rand des Einkaufszentrums oder was es einmal gewesen war erreichten, blieben wir an der Kante stehen und betrachteten ehrfürchtig, was vor uns lag. Eine Stadt, voll mit Hochhäusern, völlig zerfallen und vom Sand aufgefressen. In der Straße – zumindest glaubte ich, dass es eine gewesen sein musste –, die durch die Häuserreihen führte, konnte man die Wracks von Autos und anderen Fortbewegungsmitteln erkennen, ebenfalls fast komplett vom Sand verdeckt.
„Kommt, lasst uns weiter gehen. Wir müssen diese Berge finden."
Thomas war schon ein gutes Stück voraus gelaufen und wir folgten ihm jetzt etwas schneller.
So durchquerten wir schweigend die Stadt, kletterten über Autos und überquerten Brücken, die keine mehr waren.
„Was ist hier verflucht noch mal passiert?", fragte Fry Pan nach einer Weile.
„Keine Ahnung. Sieht ganz so aus, als wäre hier schon lange niemand mehr gewesen", stellte Newt fest.
„Ich hoffe, dass nicht die ganze Welt so aussieht", sagte Aris und sah sich besorgt um.
Ich schüttelte entrüstet den Kopf.
„All diese Menschen – einfach weg."
„Na ja, weg würde ich nicht unbedingt sagen", warf Fry Pan ein.
„Dann halt tot."
Minho drehte sich einmal um sich selbst, wie um alles in sich aufzusaugen.
„Oder krank", sagte ich und folgte ihnen, wobei ich Winston eine Hand reichte, weil wir von einer kleinen Anhöhe springen mussten.
„Ich fand, diese Dinger sahen nicht aus, als wären sie krank. Eher wie Zombies. Zumindest hab ich mir Zombies früher immer so vorgestellt", stellte Fry Pan fest.
„Du hast Recht, Pan. Hier sieht es aus wie nach einer Zombieapokalypse. So wie in den Geschichten, die die Baumeister manchmal erzählt haben."
Ich ließ Winston wieder los und er ging weiterhin gebückt.
„Nur dass das hier die Realität ist", stellte Newt trocken fest.
Plötzlich blieb Thomas stehen. Ich drehte mich zu ihm um und sah ihn fragend an.
„Was ist los, Tommy?"
Aber da hörte ich es auch. Ein Geräusch, das schnell näher kam. Wie...
Rotorengeräusche.
„Woah, woah, wartet stopp!"
Thomas hielt eine Hand hoch, damit auch die Anderen stehen blieben.
„Hört ihr das?"
„Das klingt wie ein Helikopter oder so!", stieß ich jetzt hervor.
„In Deckung!", rief Thomas, aber die Anderen sahen ihn nur verwirrt an.
„Los, versteckt euch! Versteckt euch!"
Jetzt hatten sie verstanden und drehten sich aufgeregt im Kreis, auf der Suche nach einem Versteck.
„Kommt hier runter!"
Fry Pan hatte eine Betonplatte entdeckt, die von einem Pfeiler gestützt wurde, sodass wir uns darunter verstecken konnten.
„Los, los, da lang!"
„Macht schon, Leute!", rief ich und huschte zusammen mit Thomas als Letzte in das Versteck.
Keine Sekunde zu früh. Jetzt waren die Geräusche so nah, dass ich sicher war, Recht gehabt zu haben. Und dann sahen wir sie, wie sie über uns hinweg flogen – zwei Helikopter und ein Berg.
„Scheiße", stieß Newt hervor.
Die drei Flugobjekte entfernten sich wieder und flogen weiter, wohl um den Rest der Stadt abzusuchen.
„Die werden nie aufhören, nach uns zu suchen. Niemals", stellte Minho fest.
Schweigend und geschockt verließen wir unser Versteck wieder und machten uns auf den weiteren Weg durch die Stadt, jetzt wachsamer. Irgendwann erreichten wir einen weiteren Schuttberg und Thomas begann, ihn hinauf zu klettern. Wir folgten ihm und dieses Mal war ich die einzige, die bei Winston blieb, weil Fry Pan genug damit beschäftigt war, selber zu klettern.
„Alles okay?", rief Thomas, der schon fast oben angekommen war.
„Ja...", stöhnte Winston und drohte umzukippen. Sofort legte ich meine Hand auf seinen Rücken und stützte ihn.
„Hey, alles gut. Ich bin da. Mach ganz langsam."
Er nickte dankbar und ging weiter.
Das hält er nicht mehr lange durch. Am Ende kippt er mir noch hier runter.
„Thomas!", rief ich. „Wir müssen mal 'ne Pause machen. Winston muss sich kurz ausruhen!"
Also hielten wir an und tranken etwas. Ich half Winston, sich auf einen Stein zu setzen und er lächelte mich dankbar an.
„Okay, weiter, Leute! Wir dürfen keine Zeit verlieren. Wenn die noch mal hier rüber fliegen, haben wir keine Chance uns zu verstecken!"
Thomas stand wieder auf, winkte uns von der Spitze des Schuttberges aus zu und alle machten sich auf, den Berg weiter hochzuklettern.
Nachdem wir den Schutt hinter uns gelassen hatten, dauerte es nicht mehr lange und wir erreichten den Stadtrand – oder was davon übrig war. Hier hatte der Sand sich noch mehr ausgebreitet als in der übrigen Stadt und man konnte an vielen Stellen kaum noch erkennen, dass dort einmal Häuser gestanden hatten.
„Geht es, Winston?", fragte ich besorgt, als wir uns daran machten, eine hohe Düne zu erklimmen.
Er nickte, aber ich konnte sehen, dass er mich anlog. Zwar war ich kein Sanitäter, aber auch ich erkannte, dass er nicht mehr lange durchhalten würde. Fry Pan musterte Winston ebenfalls und als unsere Blicke sich trafen, schüttelte er fast unmerklich mit dem Kopf.
Ich senkte den Blick und sah auf meine Füße, die tief im Sand einsanken. Wenn es für mich schon eine so große Anstrengung war, die Düne herauf zu klettern, wie musste es dann erst für ihn sein, der sowieso schon durch die Wunde geschwächt war?
Besorgt, dass er so wie auf dem Schuttberg beinahe auch dieses Mal herunter kippen könnte, versuchte ich, immer ein wenig hinter ihm zu laufen, damit ich ihn ihm Notfall auffangen konnte, auch wenn ich eigentlich wusste, dass ich wahrscheinlich nicht stark genug war, um ihn wirklich zu halten.

Through The WICKED Scorch | A Maze Runner StoryWhere stories live. Discover now