20. Ein Schuss in der Wüste

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Ich wollte gerade sagen, dass ich es merkwürdig fand, dass WICKED gerade sie ausgesucht hatte und keinen von uns und laut überlegen, ob es wohl etwas damit zu tun hatte, dass sie sowieso unplanmäßig und außer der Reihe zu uns auf die Lichtung gekommen war, als Winston sich neben mir regte.
Ich sah zu ihm herüber und war plötzlich hellwach, als ich sah, dass er sich Minhos Waffe aus dem Rucksack genommen hatte und sie sich an den Kopf hielt.
„Winston!", stieß ich entsetzt hervor und hatte sofort die Aufmerksamkeit der Anderen. Geistesgegenwärtig und ohne darüber nachzudenken, dass es für mich gefährlich sein könnte, griff ich nach der Pistole und drehte sie in die Richtung, in der niemand saß, als Winston den Abzug drückte und es einen lauten Knall gab, als sie losging.
„Hey!", rief Fry Pan entsetzt und war sofort auf den Füßen und bei uns.
Ich hörte Aris nach Thomas und Teresa rufen, aber verstand nicht, was genau er rief, denn alle meine Sinne waren auf Winston gerichtet, dem ich jetzt die Pistole aus der schlaffen Hand zog.
„Was machst du denn da, Mann?! Gib die her!"
Fry Pan entriss mir die Waffe und sprang ein paar Schritte zurück, um sie vor Winston in Sicherheit zu bringen.
„Was soll das? Was machst du da?!", fragte Newt entsetzt, während Winston sich jetzt von der Liege rollte und auf die Knie kam, wobei er wieder umzukippen drohte.
Ich hielt ihn fest und sah mich hilfesuchend um, aber Newt, Minho, Fry Pan und Aris hielten entsetzt Abstand zu uns.
„Was ist passiert?", fragte Teresa, als sie und Thomas unseren Unterschlupf erreichten.
„Ich weiß es nicht! Er hat sich einfach die Knarre geschnappt und versucht sich... versucht..." Fry Pan war völlig außer sich, so wie alle.
Jetzt versuchte Winston mich von sich wegzudrücken, aber ich hielt ihn weiter fest.
„Hey, was ist denn los?", fragte ich sanft und strich ihm behutsam über den Rücken.
Jetzt kam Thomas als einziger näher zu uns und legte seine Hände ebenfalls auf Winstons Rücken.
„Winston! Winston, alles okay?", fragte er vorsichtig.
Plötzlich übergab der Junge sich und ein merkwürdiges Zeug kam aus seinem Mund. Es sah aus wie Blut, nur dunkler, fast schwarz.
Entsetzt wechselten Thomas und ich einen Blick und er machte einen Satz zurück, wobei er mich mit sich zog. Wir hatten das gleiche gedacht, so viel war klar.
Winston verwandelte sich.
Ich wendete meinen Blick nicht von ihm ab, als jemand mich auf die Füße zog, den ich für Minho hielt. Jetzt standen wir alle zwei Meter von ihm entfernt und sahen ihn entsetzt an, unfähig, einen klaren Gedanken zu fassen, was wir machen sollten.
Keuchend drehte er sich auf den Rücken und sah gequält zu uns hoch. Wir schienen alle gleichzeitig zu entscheiden, dass er nicht wirklich gefährlich war, denn wir machten einen Schritt auf ihn zu.
Langsam begann er, sein Oberteil hochzuziehen und was wir dann sahen, beförderte um ein Haar fast meinen Mageninhalt nach oben. Entsetzt schlug ich mir eine Hand vor den Mund.
„Es wächst... In mir drin..."
Der Verband, den ich ihm am Abend zuvor umgelegt hatte, war verrutscht und gab den Blick auf seinen Bauch frei, der unbeschreiblich ekelig aussah. Seine Haut war blau, fast violett und überall kam die dunkle Flüssigkeit heraus, die er eben noch ausgebrochen hatte.
Ein entsetztes Raunen ging durch die Gruppe und ich sah zum ersten Mal auf, nur um zu sehen, wie Fry Pan sich mit schmerzlich verzerrtem Gesicht abwandte. Wir schwiegen, niemand wusste, was er sagen sollte, und starrten weiter zu Winston hinunter, der noch immer gequält zu uns hoch blickte.
„Ich werd's nicht schaffen", stellte er flüsternd fest und jetzt wechselten wir betretene Blicke.
„Bitte... Bitte, lasst mich nicht zu einem von diesen Dingern werden..."
Schwach streckte er eine Hand nach der Pistole aus, die Fry Pan noch immer in der Hand hielt, ließ sie aber sofort wieder sinken, weil ihm sogar dazu die Kraft fehlte.
Niemand sagte etwas, wir sahen nur von der Waffe zu Winston und als mir bewusst wurde, was er von uns erbat, wurde mir schwindelig.
Schwindelig, weil es in diesem Moment zu viel für meinen Kopf war, zu erfassen, was gerade passierte. Winston würde zu einem von ihnen werden, er würde zu einem Crank werden, nur weil sie ihn gekratzt hatten. Und jetzt lag er dort vor uns und flehte uns an, ihm zu erlauben, sich das Leben zu nehmen, damit er sich nicht verwandeln musste. Ich hatte ihn eben tatsächlich davon abgehalten, sich zu erschießen. Ein kalter Schauer lief mir den Rücken hinab, als ich mir bewusst wurde, was gewesen wäre, wenn ich es nicht bemerkt hätte. Er hätte sich genau neben mir erschossen.
Und da dachte ich, dass ich es auch nicht wollen würde. Ich würde wahrscheinlich auch von den Anderen erwarten, dass sie mir diese letzte Ehre erwiesen, bevor ich zu einem dieser Dinger wurde und sie umbringen wollte.
Gerade, als ich mich fragte, ob es nicht wirklich das Beste wäre, wenn wir ihm die Waffe überlassen würden, damit er seinen letzten Willen in die Tat umsetzen konnte, trat Newt zu Fry Pan. Er nahm ihm die Waffe aus der Hand und wandte sich damit zu dem hustenden und keuchenden Winston.
„Warte, Newt...", sagte Thomas, doch er ging einfach weiter, die paar Schritte auf den Jungen am Boden zu.
Langsam hockte er sich neben ihn, nahm seine rechte Hand vorsichtig aus dem Sand und legte die Waffe hinein, bevor er beides auf seiner Brust platzierte.
„Ich danke dir", flüsterte Winston. „Und jetzt verschwindet hier."
„Wiedersehen, Winston."
Newt berührte ihn noch einmal an der Schulter und stand dann auf. Stumm nahm er seinen Rucksack und schob sich an Fry Pan und Teresa vorbei.
Hinter uns ging nun auch Aris und Minho, Fry Pan und ich knieten uns ein letztes Mal neben unseren Freund.
„Geht", flüsterte er und nickte uns schwach zu. Minho stand stumm auf und ging, als wolle er das Ganze schnell hinter sich bringen. Fry Pan klopfte Winston noch einmal vorsichtig auf die Schulter und stand dann ebenfalls schnell auf und verschwand.
Ich sah auf und erkannte, dass nur noch Thomas dastand und zu Winston hinunter sah. In seinen Augen sah ich Tränen und spürte, wie mir ebenfalls eine Träne die Wange herunter lief.
Jetzt griff der Junge nach meiner Hand, die noch auf seiner Brust lag und drückte sie schwach, bevor er flüsterte: „Es ist okay."
„Mach's gut, Winston."
Ich drückte seine Hand ein letztes Mal, stand langsam auf und trat neben Thomas.
„Es tut mir leid", sagte Thomas leise und nahm dann seinen Rucksack.
Ich schulterte meinen ebenfalls und wollte gerade mit hängenden Schultern gehen, als Winston seine Stimme noch einmal hob.
„Thomas..." Wir drehten uns beide um. „Pass auf sie auf."
Thomas nickte und ich glaubte einen leisen Schluchzer zu hören, als ich einen letzten Blick auf unseren Freund warf und dann zusammen mit Thomas hinter den Anderen mit ein wenig Abstand her lief.
Als wir uns einige hundert Meter von Winston entfernt hatten, war ein Schuss zu hören. Wie auf Kommando blieben wir alle gleichzeitig stehen. Vor mir wandte sich Fry Pan ein Stück um, als wollte er sehen, was passiert war, und ich sah, dass er weinte. Jetzt konnte auch ich die Tränen nicht mehr zurück halten und weinte, als wir irgendwann ohne ein Wort weiter gingen.
Bis es dunkel wurde und wir uns einen Unterschlupf suchten, sagte niemand mehr etwas und auch, als wir bereits ein Feuer gemacht hatten, schwiegen wir.
Ich bemerkte zwar, dass wir uns bei einem riesigen umgekippten Schiff niedergelassen hatten, was bedeuten musste, dass hier einmal Wasser gewesen war, vielleicht sogar ein Meer, bevor die Sonne die Erde verbrannt hatte, aber auch dazu sagte niemand etwas.
Winston, der Hüter der Schlitzer, unser Freund, war tot.

Through The WICKED Scorch | A Maze Runner StoryWhere stories live. Discover now