Kapitel 52

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Marius stand mit seinem Auto am Straßenrand irgendwo in der Pampa zwischen Burgdorf, wo er zur Schule gegangen war, und Lengwede. Er hatte den Kopf auf das Lenkrad gelegt und versuchte, ruhig zu atmen.

Nachdem sein Vater sich wieder wie die Axt benommen hatte, hatte der junge Mann nur noch weg gewollt, war in den Wagen gesprungen und einfach losgefahren. Es hätte nichts genutzt, zu warten und er hatte es auch nicht gewollt. Mit Heinrich wollte er überhaupt nie wieder etwas zu tun haben.

Dieser Mann hatte keinen Funken Anstand oder Liebe in sich, weder für sein eigenes Kind noch für seine Mutter. Alles, was diesen Mistkerl interessierte, war die Summe, die er erben würde.

Seufzend lehnte der junge Mann sich zurück und wischte sich über die Augen. Keiner hatte gewusst, dass Oma Hannelore ein Vermögen von fast hunderttausend Euro besessen hatte. Nur dass sein Opa ihr ein bisschen Geld hinterlassen hatte.

Marius lachte trocken auf. Sagte das nicht alles? Sie hatte es von Erich geerbt. Der war noch in der Lage gewesen, seiner Familie etwas zu bieten. Heinrich hatte den guten Ruf und den Hof in dreißig Jahren so heruntergewirtschaftet, dass nicht einmal mehr das Haus noch wirklich von Wert war. Der Dunkelblonde war froh, nicht daran gekettet zu sein.

Er konnte noch gar nicht fassen, dass seine Oma ihm so viel Geld vermacht hatte. Was sollte er damit anfangen? Sich einen Wunsch erfüllen, den er sich damit ermöglichen konnte, hatte seine Großmutter gesagt. Doch das, was er wollte, war mit finanziellen Mitteln eben nicht zu erreichen.

Mit einem Seufzen startete er den Motor. Obwohl alles in ihm danach schrie, zu erfahren, wie Daniel sich entschieden hatte, hatte er trotzdem Angst und wollte sich davor drücken. Er brauchte moralischen Beistand, den er in Lengwede nirgends anders als bei Ralf bekommen würde.

»Du hast Glück. Ich bin gerade rein«, lachte der Bäckermeister, als Marius bei ihm vor der Tür stand. »Was ist? Hat deine Oma dir Schulden vermacht? Du siehst so bedröppelt aus ...«

Der Dunkelblonde schüttelte leicht den Kopf, ging an seinem Freund vorbei und ließ sich in einen Sessel fallen. »Im Gegenteil. Aber das waren endgültig die letzten Worte und ich kann das kaum ertragen. Und Heinrich, dieser große Haufen Hühnerdreck ...«

Ralf nickte nur kurz und wusste, dass drastischere Maßnahmen ergriffen werden mussten, um seinen Kumpel aufzubauen. Mit zwei Flaschen Bier, einer Flasche Schnaps und zwei Gläsern kehrte er aus der Küche zurück und stellte alles ab.

»Okay, schieß los.«

»Füll' mich nicht ab, ich muss nachher noch fahren«, schmunzelte Marius und nahm das Schnapsglas entgegen.

»Nicht meine Absicht. Nur zum Runterkommen. Erzähl' also.«

»Meine Oma hatte 80.000 Euro auf der hohen Kante!«

»Wow. Cool.«

»Ja. Und mein Arschloch von Vater, anstatt sich ... anstatt mal einen Funken Trauer zu zeigen, regt er sich nur darüber auf, dass er und meine Mutter nur 30.000 davon bekommen und sie den Rest mir vermacht hat. Mein Alter erbt den ganzen Hof, aber ihn interessiert nur die scheiß Kohle. Ich wäre fast an die Decke gegangen. Das war's für mich. Endgültig. Warum ich immer noch Hoffnung hatte, versteh' ein anderer. Ich nicht.«

»Genetik vermutlich. Kommt man nicht von weg.«

»Nein ...«

»Und warum bist du wirklich noch mal nach Lengwede gekommen? Doch bestimmt nicht, um mich noch mal zu sehen, oder? Oder meinen mittelmäßigen Schnaps zu trinken, nachdem du den Guten ausgekotzt hast ...«

Marius seufzte. »Daniel ... aber ich hab Angst davor.«

»Irgendwie habe ich das Gefühl, etwas Wesentliches verpasst zu haben«, murmelte Ralf und öffnete das Bier. Der Dunkelblonde nickte und erzählte ihm, was zwischen ihm und dem Anderen vorgefallen war.

Somewhere Only We KnowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt