Kapitel 15

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Es vergingen drei Tage, in denen Hannelore erbittert darauf geachtet hatte, dass Heinrich Marius in Ruhe ließ, damit der sich auskurieren konnte.

Dieser hatte fast die ganze Zeit geschlafen und war nur ungern am Montagmorgen mit seiner Großmutter in die Stadt gefahren, damit ein Arzt ihn untersuchen konnte. Mit einem Attest bis Mittwoch und einer Tüte voller Erkältungs- und Grippepräparate waren sie schließlich nach Hause zurückgekehrt und Heinrich, der die Meinung vertrat, dass ein ordentlicher Mann nicht krank wurde, hatte nur verächtlich geschnaubt, Marius als Weichflöte bezeichnet und war in die Kneipe gegangen.

Dem Jugendlichen war es nur recht gewesen. Er hatte die Tage in seinem Bett verbracht, mit selbstgemachter Hühnersuppe, Talkshows und Tee.

Ralf war am Nachmittag nach der Schule zu Besuch gewesen, um ihm die Unterlagen für den Unterricht zu bringen.

»Genötigt haben sie mich. Du könntest ja was verpassen«, hatte er gemeckert. Marius nahm es seinem besten Kumpel nicht übel. Der machte zwar allgemein einen entspannten Eindruck in vielen Dingen, aber er mied Leute mit Erkältungen, weil diese nur allzu leicht auf ihn übergingen. Ralf war dafür sehr anfällig.

So hatte es den dunkelblonden Teenager auch nicht überrascht, dass sein Freund nicht lange geblieben war und Abstand gehalten hatte. Das war ihm nur recht gewesen, denn er wollte die Ruhe genießen, die Auszeit von der Hektik der Schule, dem Stress - und Daniel.

Marius hatte sich seit dem letzten Mal, dass sie einander gesehen hatten, jeden Gedanken an den Burschen mit den grünen Augen verboten, doch konnte nicht verhindern, dass er jedes Mal hellhörig wurde, wenn im Fernsehen jemand diesen Namen trug oder jemand auftrat, der eine gewisse Ähnlichkeit mit ihm hatte.

Insgesamt hatte die Vermeidungstaktik jedoch gut funktioniert und als er am Donnerstag sein Bett verließ, endlich wieder in der Lage, störungsfrei zu atmen, ohne Fieber und schmerzfrei, fühlte sich auch sein Herz wieder leichter an.

Er freute sich auf die Schule und auf seine Leute, die er seit ihrem Schwimmausflug nicht gesehen hatte, weil sie ihn alle aus Rücksicht allein gelassen hatten. Dafür hatte ständig sein Handy gepiepst und ein wahrer SMS-Krieg war ausgebrochen.

Die Sonne flutete den Förster'schen Hof bereits, obwohl es erst kurz nach sieben war, als Marius die Küche betrat. Seine Mutter, die jeden Morgen um sechs Uhr dreißig aufstand, um ihrem Sohn und auch ihrem Mann das Frühstück zu machen, schenkte sich gerade einen Kaffee ein und nippte daran.

Heinrich, der als Landwirt eigentlich mit den Hühnern aufzustehen hatte, hatte oben im Schlafzimmer noch lautstark geschnarcht, mit dem war sicher noch eine Weile nicht zu rechnen. Der Jugendliche war froh um diesen Umstand, da sein Alter nach dem Aufwachen noch anschmiegsamer war als sonst und wie ein aufgescheuchtes Stachelschwein umherschlurfte.

»Na, Schatz? Fühlst du dich wieder gut genug für die Schule?«

»Nix könnte mich aufhalten, Mum«, grinste Marius, stibitzte sich ihre Kaffeetasse und trank einen großen Schluck, der ihm fast den Hals verbrühte. »Ugh«, keuchte er und schüttelte sich. »Zum Tote erwecken. Gut, dass ich noch Zähne putzen muss.«

Fünfzehn Minuten später verließ der Jugendliche mit einer Klappstulle auf der Hand und dem Rucksack über der Schulter den Hof seiner Familie und lief zügig die Sackgasse hinauf. Obwohl er nur zwei Minuten von der Haltestelle weg wohnte, überkam ihn immer ein unruhiges Gefühl, als wäre er viel zu spät und müsse sich beeilen.

Doch wie auch sonst standen sie alle noch da, die Leute, die jeden Morgen mit ihm in die Tretmühle fuhren.

Hübsch in Grüppchen unterteilt waren da seine eigenen Freunde, die munter die Köpfe zusammengesteckt hatten und sich von der frühen Stunde nicht die Laune vermiesen ließen; die jüngeren Kids, die die Unterstufe besuchten und offenbar mit Yu-Gi-Oh-Karten spielten; die Püppchen rund um Monique, die gekleidet waren, als wollten sie auf eine Party und nicht in die Schule; Christopher, der Tierarztsohn, der eine Miene wie ein Sauertopf zog. Offenbar hatte sein Vater ihm verboten, mit seinem Auto zur Schule zu fahren.

Somewhere Only We KnowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt