Kapitel 10

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Daniel hatte sich, während seine Begleiter Wasservolleyball mit einem Ball spielten, der viel zu leicht dafür war, auf der Luftmatratze einer seiner Freundinnen ziellos über den See treiben lassen. Er hatte mit geschlossenen Augen den Geräuschen gelauscht, die ihn umgaben - das laute Lachen der Jugendlichen am anderen Ufer des Sees, das Rufen der Mädchen, die zu seiner Gruppe gehörten, das leise Quaken der Frösche im Schilf, das Gluckern des Wassers, das leise entfernte Brummen der Autos an der Straße.

Entspannt ließ er seine Fingerspitzen über die Oberfläche des Sees gleiten und spürte die Sonne warm und wohltuend auf seiner Haut. Er hatte nicht darauf geachtet, wohin er getrieben war, bis ein Klatschen nur wenige Meter von ihm ihn aufschrecken ließ. Kühl spürte er die Spritzer auf seiner Haut und riss erschrocken die Augen auf. Weil er dachte, er hätte vielleicht ein paar Enten aufgescheucht, ließ er sich von der Luftmatratze gleiten und stellte fest, dass er ziemlich am Ufer angekommen sein musste, denn er landete mit den Knien auf dem Grund. Sich umsehend richtete er sich auf und versuchte, auszumachen, was genau neben ihm gelandet war, denn von Tieren war nicht das Geringste zu sehen.

Und tatsächlich dümpelte zwei Meter von ihm entfernt ein neongelber Tennisball vor sich hin. In der Annahme, dass der einem von Marius' Freunden gehörte, ging er darauf zu und griff danach, um ihn später zurückzugeben. So näherte er sich weiter dem Ufer und einem Stück, wo das Schilfgras dichter stand als woanders.

Als er zwei Stimmen hörte und eine davon als die von Marius erkannte, wollte er sich eigentlich schon wieder abwenden, da es nicht seine Art war, anderer Leute Gespräche zu belauschen. Doch dann fing er Fetzen davon auf und es klang, als würde eines der Mädchen aus der Clique ihn heftigst anmachen.

Daniel machte einen weiteren Schritt, um die Situation zu überblicken und konnte sehen, wie Franziska, die Hellblonde, dem dunkelblonden Teenager einen Kuss auf die Lippen drückte. Dies löste ein sonderbares Gefühl in dem heimlichen Beobachter aus, ein bitteres, das sich unangenehm anfühlte und weiter anwuchs, als er sehen konnte, dass das Mädchen ihrem Gegenüber an die Badehose griff. Daniel wollte sich schon abwenden, denn ihm stand sicher nicht der Sinn danach, den beiden Turteltäubchen beim Vögeln zuzusehen, als Marius Franziska wegstieß.

Überrascht hielt Daniel inne und ihm wurde bewusst, dass er wie ein Voyeur dagestanden hatte. Er räusperte sich und richtete das Wort an die beiden.

Sie wandten sich zu dem Neuankömmling um. Das Mädchen realisierte, wer da vor ihnen stand und sofort verfinsterte sich ihr Gesichtsausdruck. Daniel hatte keinen Schimmer, was genau ihr Problem war, doch er hatte das Gefühl, wenn Blicke würden töten können, hätte er just in dieser Sekunde seinen letzten Atemzug getan. Marius schien sich zu verkrampfen und hatte die Hände zu Fäusten geballt.

Das konnte doch nicht wahr sein. Von allen Leuten, die ihn und Franziska in dieser dämlichen Situation hätten ertappen können, musste es ausgerechnet Daniel sein? Wie musste das für ihn ausgesehen haben hier? Der dunkelblonde Jugendliche zwang sich dazu, seinen Blick von dem anderen Jungen abzuwenden und blickte stattdessen das Mädchen an.

»Ich habe es im Guten versucht, aber offenbar bist du dazu zu doof, deswegen sage ich es jetzt so deutlich ich kann: Fass mich nie wieder an! Mach mich nie wieder an! Ich will nichts von dir. Ich will weder dein fester Freund noch dein Freizeitstecher sein. Wenn du bumsen willst, such' dir jemand anderen! Lass deine Pfoten von mir oder es knallt. Ist das angekommen?« Die Adern an Marius' Hals waren vor Zorn sichtbar hervorgetreten und er war gerötet im Gesicht. Die Angesprochene zuckte jedoch nur kurz und legte dann ein süffisantes Grinsen auf.

»Wenn du nicht willst, dass jemand mitbekommt, dass du lieber den da«, sie deutete auf Daniel, der noch immer stumm da stand, »würdest bumsen wollen, solltest du so ein Angebot wie meins lieber nicht ausschlagen. Das macht dich verdächtig!«

Somewhere Only We KnowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt