Kapitel 32

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»Ich muss wieder nach Hause«, murmelte Daniel.

Der Sonntagnachmittag war schon fortgeschritten und die restliche Zeit, die den beiden Jungen in ihrem Versteck blieb, verging immer schneller. Zumindest kam es ihnen so vor.

»Ich weiß«, entgegnete Marius und seufzte schwer. Seine Finger streichelten geistesabwesend über Daniels Hand, die auf seinem Bauch lag. »Ich wünschte, es wäre anders.«

Irgendwann setzte der dunkelhaarige Jugendliche sich auf und zog seine Klamotten an sich heran.

»Zieh' lieber was anderes an, damit deine Alten nicht raffen, dass du das Samstag schon getragen hast.«

»Als ob die bemerken würden, was ich anhabe. Sie sehen mich doch gar nicht an. Nicht mal, wenn sie mich zusammenfalten.« Dennoch zog Daniel ein frisches T-Shirt aus seiner Tasche und sich über den Kopf, was seine Haare noch weiter zerstrubbelte.

Marius musste lachen. »Ich hoffe, du hast einen Kamm dabei.«

»Klar ... ich hab an alles gedacht.«

Die ausgelassene Stimmung, die die beiden Jungen in den letzten Stunden miteinander geteilt hatten, war spürbar abgekühlt und verklungen. Nicht, weil sie das so gewollt hatten, sondern aufgrund der bevorstehenden Trennung. Ihre gemeinsame Nacht, ihre kleine Flucht, war vorbei und keiner von beiden wusste, wann sie das nächste Mal Gelegenheit bekommen würden, so vollkommen miteinander allein zu sein.

»Mir tut alles weh«, murmelte Marius, als er sich aufrichtete und ebenfalls anzog. Daniel kicherte leise. Sein Körper fühlte sich nicht anders an. Er glaubte, Muskelkater an Stellen zu haben, von denen er gar nicht wusste, dass er sie hatte, doch das war ein geringer Preis für die Wonnen der letzten Nacht.

»Bereust du irgendwas?«, fragte er den Dunkelblonden, der in der Bewegung innehielt, sich die Hose hochzuziehen.

»Was? Gott, nein«, Marius grinste spitzbübisch. »Wenn es nach mir ginge, würden wir für den Rest unseres Lebens nichts anderes mehr machen. Aber ich fürchte, uns fehlt die Übung«, der Jugendliche zuckte und schnaufte leise, als sein Rücken knackte. »Siehst du?«

Daniel lächelte. »Soll ich dir beim Zusammenräumen helfen?«

»Nein ... ich schmeiß' das einfach alles in den Kofferraum nachher. Was soll's.« Zermürbt hockte sich Marius auf das Bett zurück und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. »Ich will nicht nach Hause gehen. Ich hab keinen Bock auf Lengwede, auf Heinrich und irgendwelches Gemecker. Ich möchte hier bleiben, am besten für immer ...«

»Ja, das wäre es. Einfach abhauen«, murmelte Daniel und stopfte seine Habseligkeiten in die kleine Sporttasche zurück.

»Wenn's mal nur so leicht wäre.«

»Wahrscheinlich ist es das, wenn man erwachsen ist. Aber für uns? Ohne Kohle, noch als Schüler? Eher nicht ...«

Marius seufzte erneut schwer, richtete sich wieder auf und biss die Zähne aufeinander. »Na, komm. Es bringt ja nichts. Je länger wir warten, desto misstrauischer werden deine Alten. Ich bring' dich zum Friedhof. Von da aus musst du laufen. Ich kann mit dem Auto nicht ins Dorf, solange es hell ist.«

Der Dunkelhaarige nickte betrübt und folgte seinem Freund, nachdem der die Leiter zum Hochstand hinuntergeklettert war.

»Komm, steig' ein, Baby. Lass' uns noch ein bisschen Outlaws spielen, bevor die Spießigkeit uns wieder hat.«

»Bist du nicht schon gesetzlos genug, herumzufahren, obwohl du noch keine Achtzehn bist?«, kicherte Daniel und ließ sich auf den Beifahrersitz fallen.

Somewhere Only We KnowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt