Kapitel 22

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Daniel erwachte früh am Samstag durch den Trubel, der auf dem Hof herrschte. Da er mit offenem Fenster geschlafen hatte und sein Zimmer nach hinten rausging, hatte er das Gefühl, die Leute, die draußen laut miteinander sprachen, würden direkt in seinem Bett sitzen.

Murrend rieb er sich die Augen. Es war gerade einmal halb Neun und er hätte sehr gern mindestens bis Zehn geschlafen, da er am Abend zuvor lange gelernt hatte. In der nächsten Woche stand die letzte Klausur für dieses Schuljahr an, Mathematik-Leistungskurs, und Friedrich erwartete wie immer nicht weniger als eine Eins von seinem Sohn.

Daniel stand auf und lehnte sich aus dem Fenster.

Offenbar war der Lieferant, der die Getränke für das Sommerfest liefern sollte, nicht wie besprochen direkt zum Festplatz, dem örtlichen Jugendclub, gefahren, sondern stand nun bei den Heinemanns vor dem Haus und forderte, dass man ihm die Ware abnahm.

Der Jugendliche schüttelte den Kopf und fuhr sich gähnend durch die Haare. Das hatte sein Vater nun davon, dass er das mit den Getränken nicht dem Gastwirt Rosenthal überlassen hatte. Der war schließlich der Kneipenbesitzer in Lengwede und kam auch viel günstiger an diese Dinge. Aber nein, Friedrich wollte einmal mehr alles allein machen und den ganzen Ruhm dafür einstreichen.

Als hätte es nicht gereicht, einen Ochsen zu ordern statt des üblichen Spanferkels für das Festgelage! Und dazu all das andere Essen, das von der Bäckerei Pfeiffer im Ort gesponsort worden war - Brot, Kuchen, Snacks. Der Handarbeitsverein der Seniorinnen hatte ebenfalls etwas für die Tafel zugesichert, was sicher mindestens ein Dutzend verschiedene Salate und noch mehr Kuchen bedeuten würde. Ein Cateringservice brachte außerdem Gemüse, Beilagen, Schnitzel und solche Sachen.

Daniel sah es schon jetzt kommen, dass mindestens die Hälfte davon im Müll landen würde. Oder man würde, wie im vergangenen Jahr, jedem Dorfbewohner auferlegen, etwas von der Tafel einzupacken und mit nach Hause zu nehmen.

Das einzige, was immer alle wurde, war Rosenthals Freibier und sämtliche Vorräte an Alkohol. Und wenn die Lengweder dann, unter Einfluss geistiger Getränke, zu der 90er Jahre-Schlagermix-Tanzmusik des gebuchten DJs abfeierten, wurde reichlich gekotzt. Dahin all das schöne Essen. Aber am nächsten Morgen wollte keiner sich daneben benommen haben.

Der Jugendliche hoffte, sein Vater würde ihn nicht einspannen, um für das Fest alles vorzubereiten. Das sollte erst gegen siebzehn Uhr beginnen und ging meist bis drei Uhr morgens, wenn die letzten Feierwütigen nach Hause wankten.

Und bis dahin war noch einiges zu erledigen - den Festpavillon aufstellen, Bänke und Tische rein, das Buffetzelt aufbauen und alles hineinschaffen, Getränke heranschaffen, verstauen und kühlen, der Ochse musste fertig gegart werden, das bestellte Karussell und die überteuerten Glücksspielwagen mussten ihre Plätze zugewiesen bekommen, der Tanzboden aufgebaut werden, Rosenthal kam mit seinem Bierwagen.

Daniel hatte nicht im Geringsten Lust, dabei mitzuhelfen. Sein Vater meinte zwar immer, sie wären etwas Besseres, weil sie Heinemann hießen, aber deswegen ließ er seinen Sohn schon gern ranklotzen, wenn er damit ein paar Euro sparen konnte. Der Dunkelhaarige wollte aber eigentlich gar nicht dort hingehen. Er hatte keine Lust auf das Schaulaufen, was sein Vater veranstaltete, indem er sich demonstrativ an einen der guten Tische setzte, flankiert von Sohn und Gattin, als wäre er ein verdammter König oder so.

Es war kein Wunder, dass die meisten anderen Jugendlichen in Lengwede ihn, Daniel, und seine Clique für überkandidelt hielten. Es wurde denen von ihren Eltern ja förmlich aufs Brot geschmiert. Christopher, Monique und Kathrin mochten es, zu den beliebten, alteingesessenen und wohlhabenderen Lengweder Familien zu gehören, zur Dorfprominenz. Aber Daniel hasste es, dass man ihn den Dorfprinzen nannte, er wollte nicht so gesehen werden, er war nur ein ganz normaler Typ, der richtige Freunde haben wollte. Kein Image.

Somewhere Only We KnowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt