Kapitel 23

625 88 15
                                    

»Jetzt beeil' dich bitte. Ich muss das Fest eröffnen und wir kommen wegen dir noch zu spät!« Friedrich Heinemann, der wegen der Sache mit dem Getränkelieferanten am Morgen nicht in bester Stimmung war, grollte.

Daniel, der im Flur dabei war, seine Schuhe anzuziehen, rollte beim Blick nach unten nur mit den Augen.

Es war erst vier Uhr nachmittags, das Fest sollte um siebzehn Uhr beginnen, doch sein Vater machte bereits jetzt Welle, scheuchte seinen Sohn und seine Frau herum und fauchte bei jeder kleinen Verzögerung.

»Friedrich, bitte!«, fuhr Manuela ihn an und richtete sich ihren leichten Sommerhut. Sie trug ein helles, luftiges Kleid und Tanzschuhe. Daniel empfand dieses Outfit irgendwie als unpassend, denn so etwas trugen für gewöhnlich viel jüngere Frauen. Seine Mutter sah aus wie ein schlecht gedörrter Backfisch. Ihre vielen Entspannungsstunden im Solarium hatten ihrer Haut nicht wirklich gut getan.

Daniel hingegen hatten sie dazu angehalten, dunkle Poloshorts und ein Hemd anzuziehen. Der Jugendliche hatte sich für ein weißes langärmeliges entschieden, weil er es besser fand, wenn die Ärmel hochgekrempelt waren. All seine kurzärmeligen Hemden ließen ihn wie einen Schuljungen der 50er aussehen und er hatte keine Lust, sich zum Gespött zu machen. Egal, was sein alter Herr sagen würde. Eine weiß-silberne Seidenkrawatte, die er nur locker um den geöffneten Kragen gebunden hatte, peppte das Ganze zusätzlich auf.

»Und du nimm' die Krawatte ab und steck' das Hemd in die Hose!«, knurrte Friedrich seinen Sohn an, als der endlich seine weißen Segelschuhe anhatte.

Der Jugendliche stand auf und verfuhr wie gewünscht mit seinem Oberteil, ignorierte jedoch die Anweisung, den Schlips abzunehmen. Heinemann senior beließ es dieses Mal allerdings bei einem bitterbösen Blick gegen seinen Sohn und rannte wieder auf und ab.

»Wir wären dann so weit, Friedrich«, nörgelte Manuela, »oder möchtest du weiter Trampelpfade in meinen teuren Teppich laufen?«

»Ah!«, machte Daniel, »ich muss noch mal auf den Hof. Sergio braucht noch frisches Wasser!«

»Vergiss' den Hund. Ab, raus ins Auto!«

»Nein!«, stellte der Jugendliche sich gegen seinen Vater. »Es dauert eine Minute! Es ist heiß, er kann nicht ohne Wasser bleiben. Was bist du für ein Mensch?« Mit diesen Worten eilte Daniel durch den Flur und zur Hintertür raus.

»Mir reicht das langsam«, fluchte Friedrich. Manuela seufzte nur und betrachtete ihre manikürten Gelfingernägel.

»Lass' uns schon mal raus gehen. Hier herumstehen bringt uns nicht weiter.«

»Dieser Bengel und der verdammte Köter! Warum hast du den damals angeschleppt? Kostet nur Geld und Nerven.«

Die Heinemanns verließen das Haus zur Straße heraus, wo ihr Wagen stand. Natürlich würde der Bürgermeister nebst Gattin weder laufen noch mit dem Fahrrad zum Festplatz fahren. Wie sah das denn aus?

Dass sie später, wenn das Fest zu Ende war, häufig liefen, weil sie zu viel getrunken hatten, stand auf einem anderen Blatt Papier.

Daniel verließ das Grundstück durch die Hoftür und stieg in das Auto, in dem Friedrich munter vor sich hin kochte. Der Jugendliche kannte das schon. Das tat sein Vater immer vor irgendwelchen Anlässen, bei denen er den Boss raushängen lassen und zeigen konnte, was für ein hohes Tier er war. Er terrorisierte zuvor daheim immer erst einmal seine Familie. Offenbar brauchte er das, um seine Nerven zu beruhigen. Daniel konnte sich zwar nicht vorstellen, dass sein alter Herr Lampenfieber hatte, doch anders erklären konnte er es sich auch nicht.

»Und jetzt bitte. Keine Entgleisungen mehr. Denkt dran, wer wir sind. Und sehe ich dich«, Friedrich drehte sich kurz zu Daniel um, »noch einmal mit dem Förster-Bengel, Junge, ich schwöre dir, du bekommst Hausarrest, bis du dreißig bist!«

Somewhere Only We KnowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt