Kapitel 35 - Es tut mir leid

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>>Wer die Menschen kennen lernen will,
der studiere ihre Entschuldigungsgründe.<<

-Friedrich Hebbel-

Kyle stand morgens vor meiner Tür und wollte mich zur Schule mitnehmen, aber ich war noch immer sauer auf ihn und öffnete die Tür nicht. Ich wartete so lange, bis ich Kyle Auto nach etwa 15 Minuten wegfahren hörte. Danach wartete ich vorsichtshalber noch weitere fünf Minuten, ehe ich mich laufend auf den Weg zum Bus machte. 

Ich hatte die Hoffnung ihn zu bekommen zwar schon nahezu aufgegeben, aber dennoch entließ ich einen genervten Laut der Frustration, als ich um die Ecke bog und den Bus gerade noch weg fahren sah.

Ich stützte die Hände für einen Moment auf die Knie und beugte mich vor, um an Luft zu gelangen. Dann richtete ich mich wieder auf und straffte die Schultern, bevor ich los lief.

***

Weil ich sonst nie zu spät kam, kam ich mit einer Verwarnung davon. Als ich aber den Klassenraum verlassen wollte, wurde ich dennoch von meiner Biologielehrerin aufgehalten. Ein wenig besorgt, dass ich nun doch noch ärger bekommen würde ging ich zurück zum Lehrerpult. Meine Lehrerin war noch dabei in ein paar Unterlagen zu kramen. Entschuldigend lächelnd sah sie zu mir auf.

„Entschuldige, ich suche nur noch etwas..." sie schob sich die Haare vor das Ohr und widmete sich dem nächste Stapel Blätter.

Darin würde ich auch nichts wieder finden.

Im Augenwinkel sah ich etwas auf dem Boden liegen und sah genauer hin. Ich bückte mich und hob das Blatt auf, dass unter den Schreibtisch gerutscht war.

„Ist es das hier?" fragte ich und reichte es meiner Lehrerin, aber sie winkte ab. „Ja, das ist es, aber behalt es. Das ist ein Informationszettel für die Veranstaltung für die Middle-School Schüler, die im kommenden Jahr die Schule wechseln. Ich erinnere mich daran, dass du dich dazu bereit erklärt hattest zu helfen, ich hoffe das hat sich nicht geändert." sie lächelte und schob sich die Brille auf der Nase hoch. Mrs. Brandon war eine seltsame und etwas schrullige ältere Frau, aber sie war so gutherzig und nachsichtig, wie eine Lehrerin nur sein konnte. Sie war eine von den Lehrerinnen, die trotz ihrer Nachsicht nicht von den Schülern zum Narren gehalten wurde und zu der man ein fast schon vertrautes Verhältnis hatte. Ein klein wenig erinnerte sie mich immer an diese eine Lehrer aus Clueless, die sich immer so für die Umwelt einsetzte.

Mrs. Brandon war ebenso engagiert für alles was einen sozialen Zweck hatte und versuchte mehr oder weniger erfolgreich auch ihre Schüler dafür zu begeistern.

„Ich würde natürlich gerne noch helfen", sagte ich und sah auf das Informationsblatt.

„Gut, dann ließ dir alles gut durch und falls du noch Fragen hast kannst du mich gerne darauf ansprechen."

„Okay, danke."

Ich verließ den Raum und überflog dabei knapp den Zettel. Ohne es zu bemerken rutschte mir meine Tasche dabei von der Schulter und ehe ich reagieren konnte fiel sie mir auf den Boden. Zu meinem Glück war der Reißverschluss nicht offen gewesen, sodass sich nicht, wie es bei mir üblich gewesen wäre alles über den Boden ergoss. Ich bückte mich und griff die Tasche am Riemen. Als ich mich jedoch wieder aufrichtete stand ausgerechnet die Person vor mir, vor der ich mich den ganzen Tag über hatte verstecken wollen.

Kyle sah auf mich hinunter, die Arme vor der Brust verschränkt und wirkte fast schon verärgert.

Ich seufzte in mich hinein und versuchte an ihm vorbei zu gehen. Meinen Blick hielt ich stur geradeaus gerichtet und tat als hätte ich ihn nicht bemerkt. Aber Kyle streckte einen Arm aus und fasste mich an den Schultern. Er zog mich entschlossen und mit festem Griff zurück, sodass ich gar keine andere Wahl hatte als vor ihm stehen zu bleiben.

Kyle beugte sich ein wenig vor und zwang mich damit ihn anzusehen.

„Was willst du?" fragte ich und bemühte mich um einen ausdruckslosen Tonfall.

„Mit dir reden" entgegnete er.

Ich schnaubte „Du willst mit jemandem wie mir reden" äffte ich ihn nach und entlockte Kyle damit ein entnervtes Stöhnen. Er nahm die Hände von meinen Schultern und fuhr sich durch die Haare.

„Hör mal..." fing er an, aber ich schnitt ihm das Wort ab.

„Nein, ich habe keine Lust dir zuzuhören. Ich weiß was du über mich denkst und das ist okay." Ich drängte mich an ihm vorbei.

„Freya ich habe das nicht so gemeint. Ich war sauer auf dich. Es war nicht in Ordnung und es tut mir leid." Er lief neben mir her und es fiel mir schwer den Blick weiterhin geradeaus zu richten und nicht zu Kyle zu sehen.

Ich ging weiter und dann stellte sich Kyle mir in den Weg. Das kam so überraschend, dass ich in ihn rein lief. „Freya, es tut mir leid. Was kann ich tun, damit du mir vergibst?"

Ich sah auf und bemerkte die Ernsthaftigkeit in seinem Blick.

Seufzend drehte ich den Kopf zur Seite „Na schön." Ich sah wieder Kyle an „ich verzeihe dir, aber wenn du noch einmal eifersüchtig wirst, obwohl du kein Recht dazu hast, dann überlege ich mir das mit unserer 'Beziehung' nochmal."

Kyle grinste „ich war nicht eifersüchtig. Also ehrlich du bildest dir etwas zu viel auf dich ein Fey."

Ich hob die Brauen und verzog die Lippen zu einem Lächeln. „ja klar."

Mit diesen Worten drängte ich mich zum dritten Mal an ihm vorbei und ließ ihn stehen. Mit einem Gefühl von Selbstsicherheit und dem Wissen, die Oberhand zu haben drehte ich mich noch einmal um „und nenn mich nicht Fey."

faking itOù les histoires vivent. Découvrez maintenant