Spurensuche

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Lestrade PoV

93 Minuten nach Johns Verschwinden

Nachdem Sherlock einfach so davongestürmt war und die Männer von der Spurensuche erneut außeinanderstoben, schüttelte ich resigniert den Kopf und wandte mich um, um erneut nach Miss Hudson zu sehen. Doch diese war wieder in ihrer Küche verschwunden, das laute Geräusch des Wasserkochers ließ darauf schließen, dass sie sich einen Beruhigungstee kochte.

Unschlüssig drehte ich die Visitenkarte zwischen meinen Fingern hin und her, die Scherlock mir zuvor in die Hand gedrückt hatte. Der Name der Frau sagte mir nichts, die Beschreibung ihrer hatte ich schon fast wieder vergessen, so schnell waren die Worte des Consulting Detectives auf mich geschossen worden.

Warum hat er überhaupt angerufen, wenn er sich dann dazu entschließt, alles alleine zu machen ?

Ich kannte ihn nun schon seit ein paar Jahren und dennoch wurde ich niemals schlau aus seinem Verhalten. Für gewöhnlich wurde er nur so aggressiv, wenn er sich über meine Mitarbeiter aufregte, wie zuvor oder mal wieder nicht fassen konnte, dass nicht jeder so schnell denken konnte, wie er selbst.
Sherlock hat Angst. Der große, unantastbare Detektiv aus der Bakerstreet hat Angst.

Fast musste ich grinsen, da erinnerte ich mich daran, dass es John war, der entführt wurde und das erst vor wenigen Minuten. In so einem Falle war schnelles Handeln besonders wichtig. "Jungs ! Irgendwas gefunden da draußen ?", rief ich daher laut, steckte die Visitenkarte in meine Hosentasche und trat auf die Straße hinaus, die Augenbrauen nachdenklich zusammengezogen.

Pete, der Ältere der beiden Männer, erhob sich vom Boden und ließ etwas mit einer Pinzette in eine der Plastikbeutel fallen, den er mir anschließend hinhielt :" Nicht viel. Wir sind uns nicht ganz sicher, welche Spuren frisch sind und welche von anderen Passanten hinterlassen wurden." Dabei zuckte er entschuldigend mit den Schultern, fast als wüsste er, dass Sherlock ihn für diese Aussage erneut zusammenstauchen würde.

Ihr erkennt nicht, welche Spuren von John sind und welche nicht ? Das ist doch offensichtlich !

Mit einem unterdrückten Seufzen nahm ich den Beutel entgegen und drehte ihn im Licht hin und her, bis ich erkannte, was sich darin befand. Einzelne, blaue Fussel lagen in der Plastiktüte, gepaart mit staubigen Ablagerungen der Straße. "Fussel ?", fragte ich etwas irritiert, doch der andere Mann, Clarkson, antwortete bereits :" Sie sind ganz sicher neu, weder in die Straße eingetreten noch zu weit verteilt. Sie müssen einem Kleidungsstück verloren gegangen sein, das jemand getragen hat, der erst vor kurzem hier war."

Zustimmend nickte ich ihm kurz zu, der jüngere arbeitete noch nicht lange bei uns, doch ich begann, ihn zu mögen. "Machen sie weiter und melden sie sich, wenn sie noch etwas finden.", erteilte ich dann Anweisungen, während ich den Reißverschluss meiner eilig angezogenen Jacke bis nach ganz oben zuzog, um die Kälte auszusperren, die begann, in meinen Nacken zu kriechen.

Wir müssen diesen Arzt so schnell wie möglich finden. Sherlock braucht ihn.

Pete und Clarkson nickten nur, schon wieder auf dem Boden kniend, als ich mich abwandte und in mein Auto einstieg, dessen Blaulichter noch immer aufgeregt flackerten.
-
Auf dem Polizeirevier von Scotland Yard angekommen stieg ich aus und betrat schnell das Gebäude, schaltete den Bildschirm meines Computers an, bevor ich meine Jacke überhaupt geöffnet hatte und ließ mich auf meinen Stuhl fallen.

"Lestrade ?", ertönte plötzlich die Stimme einer jungen Frau vor meinem Schreibtisch und ich sah auf, nur, um Sally Donovans dunklen Lockenkopf zu erblicken. "Nicht jetzt, Donovan.", murmelte ich nur entschuldigend und tippte mein Passwort in den Computer ein, ehe ich den vorwurfsvollen Ausdruck meiner Kollegin warnehmen konnte.
"Sie sollten wirklich -", begann sie erneut, was mich angespannt aufsehen ließ, als ich lauter als beabsichtigt zurückrief :" Nicht jetzt ! Ich habe zu tun !"

Mit einem Achselzucken wandte sie sich ab, während ich damit begann, die Polizeiakten aufzurufen, die in der riesigen Datenbank gespeichert waren. Die Visitenkarte mit der goldenen Schrift lag vor mir auf dem Tisch, der Name Vera Reynolds prangte mir herausfordernd entgegen. Wer ist diese Frau ?

Warum Sherlock überhaupt nach ihr suchte, hatte ich ja nicht mehr aus ihr herausbekommen, ich tappte quasi völlig im Dunkeln. Verdächtigte der Detektiv sie etwa ? Eine, wie er meinte, kleine, zierliche Frau ?
In diesem Moment lud die Suchanfrage an die Datenbank endlich und wider meines Erwartens spuckte der Computer tatsächlich ein Ergebnis aus.

Vera Reynolds hat bereits eine Polizeiakte.
Angespannt und etwas interessiert öffnete ich diese und erblickte das Bild einer müde aussehenden Frau mit verknoteten, blonden Haaren, die wütend in die Kamera geschaut hatte.
Blonde Haare ? Sagte Sherlock nicht, sie sei dunkelhaarig ?
Doch als ich auf das Datum des Fotos sah, stieß ich ein Seufzen aus. Das Bild war neun Jahre alt, die Frau konnte ihr Aussehen mittlerweile komplett verändert haben.

Meine Augen überflogen ihre persönlichen Daten, Größe, Maße, Blutgruppe. Dann endlich fand ich die Information, die ich gesucht hatte, als ich weiter hinununterscrollte und mir das Protokoll verriet, warum die Gesuchte bereits eine Akte besaß.

Fahrlässige Tötung

Die Worte schrien mir in dick geschriebenen Buchstaben entgegen und verwirrt lud ich die Seite neu, als würde das den Grund für die Akte auf magische Weise verändern. Fahrlässige Tötung ? Diese Frau ? Mit 22 Jahren ?

Fünf Jahre Haft, nach drei Jahren aufgrund guter Führung entlassen

Ohne noch irgendetwas von meiner Außenwelt mitzubekommen, begann ich, die Akte komplett zu überfliegen, um ein vollständiges Bild des damaligen Tathergangs zu erhalten und herauszufinden, wie sie in Verbindung mit Dr. Watsons Verschwinden stehen könnte. Gerade erblickte ich Donovan wieder aus dem Augenwinkel, die offensichtlich auf meinen Schreibtisch zukam, als mir der Name des Opfers entgegenschlug.

Lucy Reynolds , 13 Jahre alt

Das Opfer war Veras Schwester gewesen. Sherlock suchte eine Frau, die als junge Erwachsene für den Tod ihrer kleinen Schwester verantwortlich gewesen war.
"Detective Inspector ? Telefon für sie.", sprach Donovan in diesem Moment eindringlich, mir den schwarzen Hörer bereits entgegenhaltend, ohne mir die Chance zu geben, sie wegzuschicken.

"Lestrade ? Sind sie endlich dran ?", erklang dann jedoch Sherlocks Stimme, außer Atem. Erschrocken presste ich den Hörer an mein Ohr und stimmte zu.
"Vera Reynolds ist heute morgen nicht zur Arbeit erschienen. Ich war an ihrem Laptop, mehrere ungelesene Emails. Von Stuart Hamilton."

It is what it is - JohnlockTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon